Berlin. Die Regierung ist es leid: Obwohl die Banken derzeit sehr viel Geld zu extrem günstigen Zinsen erhalten, müssen Unternehmen weiterhin um jeden Kredit betteln. Wenn das nicht aufhört, werde es staatliche Eingriffe geben - drohen nun Politiker aus der großen Koalition unisono.
Regierungspolitiker haben die Kreditvergabe der Banken scharf kritisiert und drohen ihnen mit staatlichen Eingriffen. Sollte es zu einer Kreditklemme kommen, müsse die Bundesregierung über noch nie dagewesene Maßnahmen nachdenken, sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) der «Bild am Sonntag». Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) warf «einigen Managern» an der Spitze der Banken «Geschäfte mit der Krise» vor.
Lieber Handel mit Devisen
Die Banken bekämen derzeit von der Bundesbank sehr viel Geld zum extrem niedrigen Zinssatz von einem Prozent, sagte Steinbrück. «Doch die Banken stecken das Geld derzeit viel lieber in den Handel mit Devisen, Rentenpapieren und Aktien, statt es als Kredite weiterzugeben.»
Sollte es im zweiten Halbjahr zu einer Kreditklemme kommen, müssten Regierung und Bundesbank «nach Lösungen suchen». Auf die Frage, ob er dabei an die Einführung von Zwangskrediten nachdenke, sagte der Finanzminister: «Ich will darüber jetzt nicht spekulieren. « Die Bundesregierung werde aber «alle Anstrengungen unternehmen müssen, die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten sicherzustellen.
Kredite direkt vom Staat
Vize-Kanzler Steinmeier drohte: «Wenn wir in einigen Wochen sehen, dass die Banken noch immer nicht bereit sind, ihre Aufgabe als Dienstleister der Wirtschaft zu erfüllen, dann müssen wir über weitere Schritte nachdenken.» Trotz massiver staatlicher Hilfe müsse er feststellen, dass viele Unternehmen bei den Banken abgewimmelt würden oder Kredite nur zu unverschämten Zinssätzen bekämen.
Auch der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) monierte, «die Banken nutzen das billige Geld nicht, um die deutsche Wirtschaft zu finanzieren, sondern in erster Linie sich selbst». Dies sei inakzeptabel, sagte er. Kauder zeigte sich offen für Überlegungen von Bundesbank-Präsident Axel Weber, der vorgeschlagen hatte, notfalls Firmen an den Banken vorbei direkt zu finanzieren. «Das war die letzte Warnung.» Wenn sich nicht bald etwas tue, müsse die Politik handeln.
Der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann sagte der «Wirtschaftswoche», die Kreditversorgung der Unternehmen mit Krediten werde immer schlechter. Die Banken verlangten immer größere Sicherheiten, die Kreditvergabe werde immer bürokratischer. Statt einer Vorschau auf das nächste Quartal verlangten die Banken eine Drei-Jahres-Prognose.
Der DIHK-Chef prophezeite, dass die Firmen «in den nächsten Monaten noch viel stärker als bisher mit Schwierigkeiten bei der Kreditversorgung zu kämpfen haben». Driftmann forderte die Bundesregierung zu einer stärkeren Kontrolle der Banken auf.
57% in der Kreditklemme
Die «Wirtschaftswoche» zitierte aus einer Umfrage des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie unter 1600 Mitgliedsunternehmen, dass 57 Prozent eine Kreditklemme spürten. Im März seien es nur fünf Prozent gewesen. Zwei Drittel der vorwiegend mittelständischen Unternehmen gaben zudem an, dass sich ihr Zugang zu Kreditversicherungen erschwert habe. (afp)