Berlin. . Die Kritik an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kommt mittlerweile vermehrt auch aus eigenen Reihen. Erste prominente Politiker der Union äußerten bereits Sympathie für einen Rücktritt Guttenbergs.
Horst Seehofer will diesmal nicht der Abfangjäger sein. Wenn am Montag in Berlin die neue, kritisch geratene Biografie des FAZ-Duos Lohse/Wehner über Karl-Theodor zu Guttenberg vorgestellt wird, steht der CSU-Chef als Krisenentschärfer nicht zur Verfügung.
Jedes Wort kann eins zu viel sein. Der Laudator zog seinen Auftritt in letzter Minute zurück. Was als eine erste Absatzbewegung der CSU von ihrem unter dringendem Raubkopier-Verdacht stehenden Hoffnungsträger verstanden werden kann. In der CSU sieht man abseits der mit krachlederner Entrüstung vorgetragenen Schützenhilfe im Bundestag die Dinge seit Tagen ohnehin ganz nüchtern; nur öffentlich sagen will es noch keiner.
Die von Kanzlerin Angela Merkel hoffähig gemachte Persönlichkeitsspaltung – hier der wissenschaftliche Wegelagerer, dort der tatkräftige Bundeswehrreformer – werde niemals funktionieren, ist man sich in München sicher. Und wenn sich der „Schock“ erst gelegt habe, „wenn vom Kopf in den Bauch gesackt ist“, um „welche Dimension des Glaubwürdigkeitsverlustes“ es bei der Plagiatsaffäre gehe, sagte ein CSU-Oberer der WAZ-Mediengruppe, dann werden „die Bürger die Brandmauer selbst einreißen, die sie für ihren Star im ersten Überschwang hochgezogen haben“.
Probleme für CDU in Landtagswahlen
Schon bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März rechnet man in der CSU mit Dellen für die CDU-geführte Regierung Mappus – wegen Guttenberg. Warum? Weil die Schwaben noch mehr auf „Ehre und Anstand geben als wir Bayern“. Und was dann? Seehofer hatte in der Frühphase der Affäre gesagt: „Ein Minister stürzt dann, wenn die Partei es will. Und die Partei will nicht.“ Was sich ändern kann. Kommt es zum Krisenfall, kann sich der Baron auf großen Rückhalt nicht verlassen, sagen Eingeweihte. Anders als vermutet, habe Guttenberg nicht mehr als „zwei, drei echte Getreue“, darunter Hans-Peter Friedrich, in der Partei. Der CSU-Landesgruppenchef wird darum in den nächsten Tagen aufmerksam das beobachten, was Juristen das „Nach-Tat-Verhalten“ nennen.
Guttenberg steht nun unter noch schärferer Beobachtung. Nicht, weil in Berlin Spaß-Guerilla-Demonstranten „dem Lügenbaron den Schuh“ zeigten; in Anspielung auf eine in der arabischen Welt verbreitete Ausdrucksform tiefer Verachtung. Auch nicht, weil sich nach intensiven Untersuchungen in Marinekreisen verdichtet, dass der von Guttenberg reflexhaft suspendierte Kapitän der „Gorch Fock“, Norbert Schatz, disziplinarrechtlich im Zusammenhang mit dem Tod einer Offiziersanwärterin keine Fehler begangen haben soll. Stärker fällt nach Einschätzung von Unionsabgeordneten ins Gewicht, dass sich „im wissenschaftlichen Elfenbeinturm ein Sturm der Entrüstung zusammenbraut, den wir völlig unterschätzt haben“.
Bernhard Vogel für Rücktritt
Ausgerechnet Oliver Lepsius, der Nachfolger von Guttenbergs unter Willfährigkeitsverdacht stehendem Doktorvater Häberle, fährt die schwersten Geschütze gegen die Darstellung des Freiherrn auf, wonach dieser zwar dicke Fehler in seiner Doktorarbeit begangen haben will – dies aber ohne jede Täuschungsabsicht. Lepsius, Jura-Professor an der Uni Bayreuth, schimpft Guttenberg im Fernsehen unverhohlen einen „Betrüger“. Dass er den Vorsatz abstreite, kann sich der Gelehrte nur mit „Realitätsverlust“ erklären.
Dabei ist die Wirklichkeit schon unfreundlich genug für Guttenberg. Die politische Seniorenklasse setzt ihm zu. Mit Bernhard Vogel, einst CDU-Ministerpräsident in Thüringen und nach eigenen Angaben ein Wegbegleiter Guttenbergs seit dessen Kindertagen, zeigte jetzt der erste Unions-Promi öffentlich Sympathie für einen Rücktritt Guttenbergs. Sachsen-Anhalts scheidender Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) lieferte die Begründung nach: „Es wird immer Menschen geben, die ihm die Fehler bei seiner Doktorarbeit in der Öffentlichkeit genüsslich vorwerfen“, sagte er dem „Tagesspiegel“, „und ich weiß nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann.“