Berlin. . Verteidigungsminister Guttenberg soll insgesamt sechs Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments für seine Doktorarbeit verwendet haben. Für die Veröffentlichung sei keine Genehmigung eingeholt worden, so Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Nach Einschätzung des Ältestenrats des Bundestags hat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) insgesamt sechs Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments für seine Doktorarbeit verwendet. Wie die Nachrichtenagentur dapd erfuhr, setzte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Mitglieder des Ältestenrat darüber in Kenntnis und berichtete zudem, dass für die Veröffentlichung keine Genehmigung eingeholt worden sei. Der Präsident halte den Fall damit für „geklärt und für eindeutig“, hieß es weiter.

Die Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes bearbeiten pro Jahr zwischen 2.300 und 3.000 Anfrage, wobei nach Angaben des Bundestags seit 2009 ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist. Auf eigene Faust dürfen die Expertisen nicht veröffentlicht werden. Wer dies dennoch vorhat, muss sich eine Genehmigung des Abteilungsleiters einholen. Dies geschieht jedoch in den seltensten Fällen. 2009 sei lediglich in drei Fällen vor der Veröffentlichung eine Genehmigung eingeholt worden. Nach einer Ermahnung Lammerts seien es 2010 immerhin 21 Genehmigungen gewesen.

Lammert hatte zuletzt im WDR moniert, sollten Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes ohne Quellenangaben genutzt worden sein, „wäre das offenkundig ein doppelter Verstoß sowohl gegenüber den Regelungen des Deutschen Bundestages in der Nutzung des wissenschaftlichen Dienstes als auch gegenüber den wissenschaftlichen Mindeststandards bei der Verfassung von wissenschaftlichen Arbeiten“.

Universität prüft weiter Täuschungsvorwürfe gegen Guttenberg

Die Universität Bayreuth prüft weiter, ob Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit seiner unzureichenden Doktorarbeit eine Täuschung begangen hat. Die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft befasse sich jetzt mit dem wissenschaftlichen Fehlverhalten Guttenbergs und untersuche, „ob es Hinweise auf eine Täuschung gibt“, sagte Universitätspräsident Rüdiger Bormann am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Die Beweisführung sei „sehr komplex und strittig“, daher könne sich der Prozess lange hinziehen.

Bormann verwahrte sich damit gegen die Kritik, der rasche Entzug von Guttenbergs Doktortitel ohne Prüfung der Täuschungsvorwürfe sei halbherzig gewesen. Der Universität sei an einer schnellen Entscheidung gelegen gewesen, weil der Fall „starke Irritationen im Wissenschaftssystem“ ausgelöst habe. Um weiteren Schaden abzuwenden, habe man sich zu dem einfachen, zielführenden Weg entschlossen.

Die Universität hatte Guttenberg am Mittwoch den Titel entzogen, nachdem Guttenberg gravierende Fehler in der Arbeit eingeräumt und um Rücknahme des Doktorgrades gebeten hatte. Den Vorwurf der bewussten Täuschung wies er jedoch zurück.

Wiefelspütz warf Uni vor, zu kneifen

Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hatte im „Kölner Stadt-Anzeiger“ kritisiert: „Die Universität Bayreuth kneift, denn sie verzichtet darauf zu prüfen, ob eine bewusste Täuschung vorliegt - und das trotz massivster Anhaltspunkte.“ Damit erleichtere sie Guttenberg „das politische Überleben“. Auch der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano, der zuerst die Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg erhoben hatte, kritisierte laut „Tagesspiegel“ (Freitagausgabe), dass der Täuschungsvorwurf nicht geprüft worden sei.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zeigte sich dagegen erfreut über die angekündigte weitere Prüfung. Die Hoffnung von Union und FDP, „dass zu Guttenbergs Täuschung dauerhaft unter den Teppich gekehrt ist“, sei geplatzt. Damit, dass die Universität Bayreuth darauf bestehe, „zu klären, ob Guttenberg bewusst getäuscht hat“, sei dieser „ein Minister auf Abruf“ und „ungeeignet, die Bundeswehr durch eine der schwierigsten Phasen ihrer Geschichte zu führen.“

Auch die Grünen im bayerischen Landtag forderten von der Universität, die Vorwürfe konsequent aufzuklären. „Nur wenn die Universität den gesamten Vorgang kritisch aufarbeitet und rückhaltlos prüft, wie aus einem Plagiat eine Doktorarbeit „summa cum laude“ werden konnte, wird es ihr gelingen, eine dauerhafte Rufschädigung abzuwenden“, erklärte die hochschulpolitische Sprecherin Ulrike Gote. Zudem forderte sie, die Universität müsse deutlich machen, dass Guttenberg nach dem Skandal nicht mehr als Werbeträger tauge.

Imagefilm mit Guttenberg wird überarbeitet

Dies könnte bereits im Gange sein: Auf der Internetseite der Jura-Fakultät hieß es am Vormittag, der Imagefilm, in dem der Verteidigungsminister das Studium in Bayreuth als lohnenswert anpreist, werde aufgrund der Aberkennung des Doktorgrades „derzeit überarbeitet“. Am Nachmittag war er nicht mehr auffindbar. Auch ein Foto Guttenbergs auf der Homepage der Universität wurde am Donnerstag entfernt.

Universitätspräsident Bormann ließ am Vormittag auf Nachfrage offen, ob Guttenberg künftig noch als Werbeträger fungieren wird. Das müsse man sich in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, sagte er. (dapd)