Berlin. . Die Kanzlerin verhält sich bislang zurückhaltend in der Plagiatsaffäre Guttenberg. Die SPD bringt das Nichthandeln auf die Palme.Parteichef Gabriel wirft ihr vor, damit der Demokratie zu schaden. Auch der Deutsche Kulturrat fordert von ihr klare Worte.
SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, durch ihr Verhalten in der Plagiatsaffäre um Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) der Demokratie erheblich zu schaden. „Viel schlimmer als das Verhalten Herrn zu Guttenbergs ist jedoch das Verhalten von Angela Merkel“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“. Die Kanzlerin sei „die erste, die in Deutschland behauptet, dass jemand in seinem „Privatleben“ geistiges Eigentum stehlen und betrügen darf und trotzdem in seinem „Beruf“ Minister bleiben“ könne. „Wenn das Schule macht, dann werden sich künftige Politiker darauf berufen. Das schadet der Demokratie ungeheuer“, kritisierte der SPD-Chef.
Gabriel forderte Merkel auf, „dass sie niemanden, und sei er noch so populär, über das Gesetz stellt“. Die Kanzlerin müsse Guttenberg „dazu bewegen, eine Auszeit von der Politik zu nehmen“. Gabriel riet dem Minister, sich an der wegen einer Alkoholfahrt von allen Ämtern zurückgetretenen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann zu orientieren. Diese habe „wirkliches Verantwortungsbewusstsein und Haltung“ bewiesen. „Rücktritte haben die Demokratie immer gestärkt, weil sie zeigen: die Demokratie lässt für Politiker keine anderen Spielregeln zu als für jeden normalen Bürger“, fügte Gabriel hinzu.
Krise der Demokratie
Er stufte die Plagiatsaffäre um den Verteidigungsminister als „ein Kennzeichen der Krise unserer Demokratie“ ein. Dies betreffe Guttenbergs Aufstieg ebenso wie seinen Fall. „Viele Menschen empfinden Parteien und Politiker als technokratisch, weltfremd und häufig auch als grau und langweilig“, sagte Gabriel. Guttenberg sei für viele eine Alternative gewesen - „scheinbar unabhängig, klar in der Sprache und dazu noch schick und mit dem Glamour des Adels“.
Zu den immer noch hohen Beliebtheitswerten des Verteidigungsministers sagte Gabriel: „Viele wollen sich von diesem Bild noch nicht verabschieden. Es ist ja auch eine große Enttäuschung, wenn man auf einmal merkt, dass man einem Trugbild aufgesessen ist.“ Aus dem Fall Guttenberg müsse die Lehre gezogen werden, „dass wir unsere Demokratie selbst wieder attraktiver machen müssen, damit die Menschen nicht auf Trugbilder angewiesen sind, um sich in ihr wohl zu fühlen“.
Nach Einschätzung des Parteienforschers Gerd Langguth könnte die Plagiatsaffäre bei neuen, belastenden Erkenntnissen zu einer Bedrohung für das schwarz-gelbe Regierungsbündnis werden. Die Affäre werde sich wohl zunächst „eher zu einer Glaubwürdigkeitskrise der bürgerlich-liberalen Koalition“ ausweiten, da aus dieser Richtung in besonderer Weise Werte wie Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit eingefordert würden, schreibt der Professor an der Universität Bonn in einem Beitrag für „Handelsblatt Online“.
Parteienforscher sieht Schwarz-Gelb gefährdet
„Steigerungen in diesem Konflikt sind aber durchaus noch denkbar, keinesfalls ist der Fall mit einer Fragestunde im Deutschen Bundestag abgeschlossen“, ist Langguth überzeugt. Auszuschließen seien neue Erkenntnisse nicht. „Erst diese könnten eine Regierungskrise hervorrufen.“
Der Deutsche Kulturrat als Spitzenverband der Bundeskulturverbände befürchtet unterdessen, dass durch den Plagiatsfall Guttenberg das Raubkopieren von urheberrechtlich geschützten Werken im Internet zunimmt. „Wir dürfen nicht zulassen, dass durch ein schlechtes Vorbild illegales Kopieren noch hoffähiger gemacht wird“, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, am Sonntag in Berlin mit Blick auf die Vorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Zimmermann verlangte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), endlich klar Stellung zu beziehen. „Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, deutlich zu sagen, dass Raubkopieren auch weiterhin kein Kavaliersdelikt ist - egal ob sie an ihrem raubkopierenden Bundesverteidigungsminister festhält oder nicht.“ Merkel hatte sich im April 2008 in einer Videobotschaft gegen das illegale Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken ausgesprochen. Guttenberg wird vorgeworfen, große Teile seiner Doktorarbeit ohne Kennzeichnung der Quellen aus anderen Werken übernommen zu haben. (dapd/afp)