Berlin. Die deutschen Sicherheitsexperten werden nervöser: Angeblich gibt es Hinweise, wonach das Terrornetz El Kaida Selbstmordattentäter in die Bundesrepublik schickt, um mit einem Anschlag den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erzwingen.
Vertreter westlicher Geheimdienste befürchten während des Bundestagswahlkampfes in Deutschland Selbstmordanschläge von Islamisten. «Wir haben aus Pakistan Hinweise, dass sich Selbstmordattentäter auf den Weg nach Deutschland aufgemacht haben, um auf deutschem Boden nach irakischem, afghanischem oder pakistanischem Vorbild Selbstmordanschläge zu verüben», berichtete ein Angehöriger des US-Geheimdienstes CIA am Wochenende der Nachrichtenagentur ddp in Washington.Das Terrornetz El Kaida könnte nach Ansicht des CIA-Mannes damit auf die deutschen Wahlen Einfluss nehmen wie 2004 in Spanien, um den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan zu erreichen.
Prompter Rückzug aus dem Irak
In Madrid hatten Islamisten vor fünf Jahren kurz vor der Parlamentswahl verheerende Anschläge auf vier Pendlerzüge verübt und 191 Menschen getötet. Sie wollten auf diese Weise den Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak erzwingen. Die Islamisten hatten gedroht, wenn die Spanier nicht aus dem Irak herausgingen, würde ihr Land «im Blut versinken». Nach dem Sieg der Sozialisten am 14. März 2004 machte der neue sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero sein Wahlversprechen sofort wahr und zog die 1300 Soldaten umgehend aus dem Irak zurück, der damalige US-Präsident George W. Bush «tobte».
Deutsche Geheimdienstexperten machten auf die Gefahr aufmerksam, dass sich junge Deutsche, die in den Terrorcamps der El Kaida im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet für den Einsatz als Selbstmordattentäter ausgebildet wurden, ohne viel Aufhebens mit ihrem «bürgerlichen Aussehen» in Deutschland bewegen könnten. So hatten die zum Islam übergetretenen Brüder Yassin und Mounir aus Bonn, Marokkaner mit deutschem Pass, vor kurzem aus Pakistan zu Selbstmordanschlägen in der Bundesrepublik aufgerufen. Sie könnten sich ohne den üblichen Bart und ohne islamische Aufmachung mit ihrem Sprenggürtel unter die Leute mischen und die Sprengladung zünden, gab ein deutscher Fahnder zu bedenken.
Die Sicherheitsvorkehrungen laufen in Deutschland auf Hochtouren. Der für Terrorismus zuständige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, August Hanning, hatte nach einem Treffen mit den Spitzen der deutschen Geheimdienste auf die Anschläge in Madrid und die parallelen Gefahren für Deutschland hingewiesen. Fahndungsexperten erläuterten, dass sich die Gefahrensituation besonders wegen der immer weiter schwindenden Zustimmung der deutschen Bevölkerung für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan erheblich vergrößert habe. «Wir wissen, dass die Taliban und El Kaida ihre Späher auf deutschem Boden gut platziert haben und sich genau informieren, was sich bei uns tut», sagte ein Fahnder.
Sicherheitsbehörden schnüren Paket
Die deutschen Sicherheitsbehörden schnüren gerade ein umfangreiches «Sicherheitspaket». Hanning will sich am nächsten Donnerstag auch mit den Experten der Länder treffen, um sich mit ihnen «genau bis ins Detail abzustimmen». Der Unions- Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl (CSU) wies darauf hin, dass «es sehr wichtig ist, dass alle Sicherheitsleute von Bund und Ländern auf dem gleichen Informationsstand für die Abwehr terroristischer Angriffe sind». Nur so könne ein optimaler Schutz erreicht werden.
Grenzen dicht?
Demnach werde auch daran gedacht, die deutschen Grenzen wieder «dicht» zu machen, um die Einreise von islamistischen Terroristen zu verhindern. Wie zu erfahren war, könnte die schrankenlose Reisefreiheit, die durch die Schengen-Vereinbarung garantiert ist, vorübergehend für Deutschland aufgehoben werden. «Wir müssen mit Kontrollen alles tun, damit die Terroristen nicht bei uns einreisen können», unterstrich ein Terrorexperte. Er machte jedoch kein Hehl aus seiner Befürchtung, dass die Attentäter über die «grüne Grenze» ins Bundesgebiet einsickern können. Dagegen sei kaum etwas zu unternehmen.
Eine andere große Gefahr sehen die Geheimdienstler darin, dass die Islamisten deutsche Staatsangehörige im Ausland, vor allem Geschäftsleute und Touristen, angreifen oder kidnappen, um die Bundesregierung zu Abzugsmaßnahmen für die deutschen Soldaten aus Afghanistan zu zwingen. «Wenn die Al-Qaida so den Hebel ansetzt, stehen wir hilflos da», sagte ein deutscher Geheimdienstler. Eine entscheidende Rolle zum Schutz der deutschen Soldaten in Afghanistan spielt der Bundesnachrichtendienst (BND). Präsident Ernst Uhrlau hat immer wieder darauf hingewiesen, wie sehr der Auslandsgeheimdienst die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten im Auge hat. (ddp)