München. Die Ereignisse auf der Münchner Sicherheitskonferenz haben viele europäische Beobachter erschüttert. Nils Schmid ist einer von ihnen.
US-Vizepräsident JD Vance hatte am Freitag bei der Münchner Sicherheitskonferenz einen bizarren Auftritt. Er kritisierte die europäischen Verbündeten und warnte vor einer Gefährdung der Demokratie. Mit Blick auf das Verhältnis der anderen Parteien zu der vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD sagte Vance: „Für Brandmauern ist kein Platz.“
Nils Schmid ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort seit 2018 außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. FUNKE hat ihn zu den Vorgängen bei der Sicherheitskonferenz befragt.
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Herr Schmid, wie schockiert sind Sie über das, was hier in München passiert ist?
Nils Schmid: Ich bin immer noch total verstört und erschüttert über die Rede von JD Vance. Denn diese hat den Eindruck hinterlassen, dass wir nicht mehr selbstverständlich Partner der amerikanischen Regierung sind. Bei den außenpolitischen Fragen, ob die Ukraine oder Nahost, bleibt völlig unklar, was die Trump-Regierung will.
Was heißt das für Deutschland?
Schmid: Für uns ist das vielleicht eine Chance, mit eigenen Vorschlägen und Ideen reinzugehen. Wir dürfen uns aber keiner Illusion hingeben: Das wird nur gehen, wenn wir sagen, wie wir das finanzieren wollen und uns an der einen oder anderen Stelle militärisch engagieren.
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Wie optimistisch sind Sie, dass Sie die Trump-Administration damit überzeugen?
Schmid: Wir sollten alles versuchen, um mit der neuen US-Regierung im Gespräch zu bleiben. Allerdings habe ich anders als in der ersten Trump-Amtszeit den Eindruck, dass führende Vertreter der Regierung deutlich ideologischer vorgehen. Schauen Sie sich Vance an: Der hat am Freitag eine Kulturkampf-Rede gehalten. Das lässt mich ein bisschen ratlos zurück. Wir wissen nicht, welchen Weg Amerika unter Trump gehen wird. Hinzu kommt: Die illiberale Agenda, die uns Vance vorgeworfen hat, setzt die Regierung in den USA selbst um – mit dem Rausschmiss von Beamten und dem Vorgehen gegen Andersdenkende. Vance scheint noch ideologischer zu sein als Trump.
Wird sich diese Entwicklung jemals wieder zurückdrehen lassen?
Schmid: Wenn es die nächsten vier Jahre so weitergeht, wird der Schaden enorm sein – für die amerikanische Demokratie, aber auch für die „soft power“ der USA im Ausland. Was mir Hoffnung macht: In der ersten Trump-Amtszeit haben wir gesehen, dass manche Ideen auch nicht weiterverfolgt wurden oder Trump einen Kurswechsel eingeschlagen hat. Wird es jetzt ideologisch kohärenter oder sucht er nur den schnellen Erfolg? Das müssen wir abwarten. Wir sind sehr beunruhigt.
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Hier in München reden alle davon, dass Europa nun wirklich sein militärisches Engagement hochfahren müsse, mindestens auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wie wollen Sie das finanziell hinkriegen?
Schmid: Wir sehen hier große Fortschritte. Ursula von der Leyen hat eine Ausnahmeklausel für Verteidigungsausgaben bei den europäischen Schuldenregeln vorgeschlagen. Olaf Scholz unterstützt das und will das auch für die deutsche Schuldenbremse einführen. Eine ganz wichtige Überlegung, denn so können die Europäer ihre finanzielle Handlungsfähigkeit für Verteidigung aus eigener Kraft ausdehnen. Genau dieses Signal braucht es jetzt Richtung Amerika.
Wird es dafür eine Mehrheit im Bundestag geben?
Schmid: Die Schuldenbremse reformieren, insbesondere für Militärausgaben, dürfte noch am ehesten gehen. Jedem sollte klar sein, dass wir die notwendigen Ausgaben mit der jetzigen Schuldenbremse nicht stemmen können.
Selenskyj hat als Devise für 2025 ausgegeben: In diesem Jahr soll es Frieden in der Ukraine geben. Ist das realistisch?
Schmid: Es ist wünschenswert. Dass Selenskyj es selbst sagt, zeigt, dass er bereit ist, mit realistischen Vorstellungen Gespräche vorzubereiten. Aber er braucht uns Europäer an seiner Seite. Wenn er allein auf die Launen der Trump-Regierung angewiesen ist, wird es gefährlich für die Ukraine.