Bochum. Das Ruhrgebiet von seiner besten Seite: Der Kanzler lernt in Bochum, dass das Revier Strukturwandel meistern kann.

Unbeschwert konnte diese Visite des Bundeskanzlers in Bochum nicht sein. Solingen und die Folgen warfen am Montag einen Schatten, der bis ins Ruhrgebiet reichte. Gleichwohl ließ sich Olaf Scholz am Nachmittag zeigen, dass das Ruhrgebiet Aufbruch kann. Im „Innovationsquartier“ Mark 51°7, der früheren Opel-Fläche.

Moderne Steuergeräte von VW statt Manta und Kadett

Früher war hier Opel der Platzhirsch, jetzt ist unter anderen VW da, mit dem Hauptquartier von Volkswagen Infotainment mit immerhin rund 1000 Entwicklerinnen und Entwicklern. Zwei von ihnen zeigten dem Kanzler mehrere Generationen von Steuergeräten, die hier entstanden sind. Das Älteste ist so groß wie eine Zigarrenkiste, das Neueste so klein wie eine Zigarettenschachtel.

Zwei Mitarbeitende von Volkswagen Infotainment zeigen dem Kanzler ein modernes Steuergerät für Fahrzeuge.
Zwei Mitarbeitende von Volkswagen Infotainment zeigen dem Kanzler ein modernes Steuergerät für Fahrzeuge. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Scholz gibt zum Besten, dass er in seinem Leben einige ältere Autos gefahren sei. „Funktioniert das mit den Updates auch noch nach 17 Jahren?“, will er wissen. Anschließend lässt sich der Kanzler zu weiteren Vorzeige-Firmen auf dem Gelände chauffieren.

Der Kanzler sendet mit „Leuchttürmen“ positive Signale

Die Wirtschaftsdaten sind mau, die gesellschaftliche Stimmung bedrückt, die Wahlen in Sachsen und Thüringen am kommenden Wochenende werfen Schatten voraus. In dieser Gemengelage versucht der Kanzler im Spätsommer mit diversen „Leuchttürmen“ Signale auszusenden: Motto: Es geht voran.

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Vor einer Woche nahm Olaf Scholz am Spatenstich für eine Chipfabrik in Dresden, im so genannten „Silicon Saxony“, teil. „Wir sind begeistert“, sagte er dort. Kurz darauf kündigte er in Papenburg die Rettung der Meyer Werft an, ein „Kronjuwel“ des Schiffbaus, wie er sagte.

Nun also Bochum. Ein Ort, an dem früher die Sonne verstaubte, wie Herbert Grönemeyer 1984 sang. Eine Stadt, die Strukturwandel bis über die Schmerzgrenze hinaus verkraften musste, den Abschied von Opel gar, und die sich selbst ein gutes Stück aus diesem Jammertal herausgearbeitet hat.

Auf „Mark 51°7“, der früheren Opel-Fläche, wächst ein Leuchtturm für Forschende, Zukunftsbranchen und Gründer heran, in gewisser Weise auch ein „Kronjuwel“. Der Name leitet sich ab von den geografischen Koordinaten 51 Grad nördliche Breite und sieben Grad östliche Länge sowie von den Grafen von der Mark, die einst in Westfalen herrschten.

SPD-Kanzler haben im Ruhrgebiet kein Heimspiel mehr

Wenn früher SPD-Kanzler ins Ruhrgebiet kamen, hatten sie ein Heimspiel. Scholz, der zusammen mit seiner Regierung in Umfragetiefs steckt, hat es hier nicht so leicht. Im Sommer schrieb der Gelsenkirchener SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Töns Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sogar einen Brandbrief, in dem er sich über die Förder-Bevorzugung Ostdeutschlands gegenüber dem Ruhrgebiet beschwerte. Und in manchen Ruhrgebiets-Quartieren ist die AfD auf dem Vormarsch.

Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet diese Drei in Bochum so öffentlich aufeinandertreffen. RVR-Direktor und Ex-NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Olaf Scholz ähneln sich politisch, sind mehr pragmatisch als philosophisch, mehr wirtschafts- und arbeitnehmernah als „woke“. Dass Scholz zuvor den Evonik-Chemiepark Marl besuchte, passt ins Bild.

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