Essen/Köln. Die Europäische Flugsicherheitsbehörde ist am Dienstag Spekulationen um Sicherheitsmängel bei Airbus-Passagierflugzeugen der Typenreihe A330 entgegen getreten. "Wir versichern, dass alle Airbus-Maschinen, die derzeit betrieben werden, sicher sind", erklärte ein EASA-Sprecher in Köln.

Am Pfingstmontag war ein Airbus der Air France mit 228 Menschen an Bord auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Paris 1100 Kilometer vor Brasilien über dem Atlantik abgestürzt. Automatisch ausgesendete Fehlermeldungen lassen darauf schließen, dass die Maschine womöglich zu langsam unterwegs war und deshalb abstürzte.

"Die Unfallursache ist nach wie vor offen", teilte die Europäische Flugsicherungsbehörde EASA in Köln am Dienstag mit. Solange die Untersuchungen liefen, würden keine Details bekannt gegeben oder kommentiert, sagte EASA-Sprecher Daniel Höltgen in Köln.

Der Absturz des Airbus hat eine Debatte über Sicherheitsmängel in Gang gesetzt. Im Visier sind fehlerhafte Geschwindigkeits-Messanzeigen - sogenannte Staudruckrohre- und Sonden oder Pitot-Systeme - an Passagierjets der Baureihen A330 und A340.

Wie schnell ein Flugzeug fliegt, ob es sinkt, steigt, beschleunigt oder das Tempo verringert wird anhand des Luftdrucks ermittelt. Da der Luftdruck mit zunehmender Höhe geringer wird, müssen Passagierjets bei Reiseflughöhen um die 12.000 Meter ihre Reisegeschwindigkeit sehr genau einhalten: "Je höher eine Maschine fliegt, desto kleiner wird die Marge des optimalen Tempos bis die Strömung an den Tragflächen abzureißen droht", erklärte Air Berlin-Sprecherin Nadine Bernhardt am Dienstag auf Anfrage von DerWesten.

Air France hat Piloten gewarnt

Die Luftlinien Air Berlin und Lufthansa gaben am Dienstag für Ihre Maschinen Entwarnung. Beide Linien haben zusammen 79 Maschinen der Baureihen A330/A340 in Betrieb. An den Flugzeugen der betroffenen Typenreihen seien nicht die Staudruck-Systeme des britischen Herstellers Thales eingebaut, die jetzt in der Kritik sind, erklärten Sprecher der Unternehmen.

Hinzu kommt: Erst eine Woche nach dem Absturz wurde bekannt, dass Air France bereits seit einem Jahr über Sicherheitsmängel informiert gewesen sei. Air France hätte schon Monate vor dem Absturz Piloten vor Problemen mit den Geschwindigkeitsmessern bei den zweistrahligen A330- und vierstrahligen A340-Flugzeugen gewarnt, berichtet am Dienstag die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf ein internes Memo der Luftlinie. Darin sei von einer "beträchtlichen Zahl von Zwischenfällen" in Verbindung mit Tempomessern die Rede. Diese seien auf "Anomalien" an den Geräten zurückzuführen.

Das Dokument listet falsche Geschwindigkeitsmessungen, unterschiedliche Tempo-Angaben und Hinweise über Sink- und Steigflug auf den Kontrollschirmen von Pilot und Kopilot und das Abschalten des Autopiloten auf. Zwei Air-France-Piloten, die nicht namentlich genannt werden wollten, bestätigten die Echtheit des Dokuments, hieß es.

Bei Airbus wollte man die Meldungen am Dienstag nicht kommentieren. Eine Sprecherin erklärte gegenüber DerWesten, "solange der Behörden ermitteln, dürfen wir uns nicht äußern".

Hinweise schon vor drei Jahren

Laut Hinweisen aus Luftfahrtkreisen hätte Airbus betroffene Luftlinien bereits vor drei Jahren von Mängeln an Staudruck-Systemen unterrichtet. Dass die Geräte der britischen Marke Thales unter bestimmten Wetterbedingungen ausfallen, sei zuerst bei Jets der Baureihe A320 bemerkt worden. Wenig später sei aufgefallen, dass auch Mittel- und Langstreckenjets der Airbus-"Familie" A330/A340 betroffen sind. Daraufhin hätten Luftlinien betroffene Systeme ausgetauscht. Air France gab unterdessen bekannt, die Systeme an den betroffenen Maschinen - laut Melderegister hat die Luftlinie derzeit noch 14 A330 in Betrieb - nun umgehend auszutauschen.

Weltweit sind laut Airbus-Angaben aktuell 974 Maschinen der Baureihen A330 und A340 in Betrieb. In Europa sind laut Airbus 336 Jets gemeldet. Davon halten beispielsweise die Lufthansa 66 Maschinen, Air Berlin hat 13 Jets, Swissair ist mit 25 Maschinen gemeldet, Turkish Airlines 16. Eine Airbus-Sprecherin betonte, dass Luftgesellschaften die Jets von den Triebwerken bis zur Kabinenausstattung selbst konfigurierten. Dass Jets gleicher Baureihen dabei auch Staudruck-Messgeräten unterschiedlicher Hersteller ausgeliefert würden, sei nicht ungewöhnlich.

Eine falsche Geschwindigkeitsanzeige war 1996 Ursache für den Absturz einer Boeing 757 der Birgenair. Damals war vor dem Start in der Dominikanischen Republik nicht aufgefallen, dass eines der beiden pistolenförmigen Messröhrchen verstopft war und nicht funktionierte. Die Maschine stürzte kurz nach dem Start ab. Alle Passagiere kamen ums Leben.