Berlin. Die Soldaten im Raum Kundus befinden sich laut Deutschem Bundeswehrverband "im Krieg". Mit dieser Aussage stellt sich der Verband klar hinter den umstrittenen Angriffsbefehl auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan, bei dem mehr als 50 Menschen getötet wurden.
Der Deutsche Bundeswehrverband stellt sich nach dem Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastwagen in Afghanistan unmissverständlich hinter den umstrittenen Angriffsbefehl. Die Soldaten im Raum Kundus seien "nicht mehr auf einer Friedensmission", sondern "im Krieg", sagte Verbandsvorsitzender Oberst Ulrich Kirsch am Freitag in Berlin. Bei dem von einem deutschen Offizier vor einer Woche befohlenen NATO-Luftschlag waren mehr als 50 Menschen getötet worden.
Vorsitzender Kirsch fordert juristische Reaktion
"Wer hier im friedlichen Deutschland will sich anmaßen, diese Entscheidung zu bewerten, ohne die Ermittlungsergebnisse abzuwarten", mahnte Kirsch. Nicht vergessen werden sollte, dass die Kundus-Optionen eingeschränkt gewesen seien: Entweder Nichtstun und damit einen Selbstmordanschlag in Kauf nehmen, oder Bodentruppen bei der Möglichkeit hoher eigener Verluste einzusetzen oder eben Luftunterstützung anzufordern. Letzteres habe der dortige deutsche ISAF-Kommandeur getan. Daher stelle sich der Bundeswehrverband klar hinter Oberst Georg Klein.
Kirsch forderte im Namen der gut 200 000 in seinem Verband organisierten Soldaten, endlich auch juristisch zu reagieren und eine eigene für Auslandseinsätze zuständige Staatsanwaltschaft möglichst in Potsdam zu schaffen. "Die Justiz ist noch lange nicht einsatzfest", bemängelte der Chef des Bundeswehrverbandes unter Verweis auf teilweise sich Monate hinziehende Untersuchungen. Es sollte endlich anerkannt werden, dass es einen Unterschied gebe "zwischen einem Checkpoint in Kundus oder einer Verkehrkontrolle am Stadtrand von Bielefeld".
Regierung versucht Kritik einzudämmen
Die Bundesregierung hat derweil auf diplomatischem Weg versucht, die internationale Kritik an dem umstrittenen Luftangriff in Afghanistan einzudämmen. Das Auswärtige Amt bestätigte der "Financial Times Deutschland" (Freitagsausgabe), dass die deutschen Botschafter in allen wichtigen NATO-und EU-Partnerländern vorstellig geworden seien. Mit sogenannten Demarchen baten sie demnach darum, den Angriff nicht zu kritisieren, bis eine Untersuchung dazu abgeschlossen sei. In Paris stieß dies auf Unverständnis. "Was soll ein Minister denn sagen, wenn er von einem solchen Schlag mit 80 Toten und darunter Zivilisten unterrichtet wird? Nichts?", sagte ein französischer Diplomat der Zeitung.
Die NATO hatte am Donnerstag dementiert, dass es einen Zwischenbericht gebe, wonach der deutsche Oberst Georg Klein bei dem Einsatz vor einer Woche seine Kompetenz überschritten habe. Militärs und Diplomaten sagten der "FTD" hingegen, dass es ein solches Dokument doch gebe.
53 Prozent der Bundesbürger gegen Einsatz
Die Zustimmung in der Bevölkerung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist einer Umfrage zufolge nach dem tödlichen Raketenangriff auf mehrere Tanklastzüge nicht gesunken. Im Vergleich zum Juli stieg die Zustimmung sogar um zwei Punkte auf 44 Prozent, wie das am Freitag veröffentlichte ZDF-Politbarometer ergab. Eine Mehrheit von 53 Prozent lehnen den Einsatz ab. Im Juli waren das noch 55 Prozent. Der ARD-Deutschlandtrend hatte zuvor ergeben, dass 57 Prozent der Bundesbürger für einen Abzug der deutschen Soldaten sind.
Hintergrund der neuen Debatte über den Afghanistan-Einsatz ist ein Luftangriff auf mehrere von Taliban-Kämpfern gekaperte Lastzüge. Dieser Angriff wurde von der Bundeswehr angefordert. Ermittlungen zufolge gab es zivile Todesopfer. (ddp/ap/afp)