Berlin. Das umstrittene Gesetz zur Sperrung von Kinderpornoseiten steht kurz vor dem Beschluss. Am Dienstag hat die Koalition von Union und SPD einen Kompromiss verkündet und den Entwurf in drei Punkten verändert. Die Kritiker sehen das Gesetz nach wie vor als "Einfallstor für Internet-Zensur".

Die Fachpolitiker von Union und SPD haben sich am Dienstag auf einen Kompromiss beim Gesetz zur Sperrung von Kinderpornoseiten im Internet geeinigt. Wie SPD-Verhandlungsführer Martin Dörmann mitteilte, müssen Nutzer, die mit Stoppschildern versehene Seiten aufrufen, künftig nun doch nicht mit Strafverfolgung rechnen. Bislang war vorgesehen, dass die Provider die Daten dieser Nutzer speichern und auf Verlangen dem Bundeskriminalamt vorgelegen müssen.

Keine Ausweitung der Netzsperren

Der jetzt verkündete Kompromiss umfasst drei Punkte: Besucher gesperrter Internetseiten müssen künftig nicht befürchten, dass die Polizei vor der Tür steht. Die Listen indizierter Seiten, mit denen das Bundeskriminalamt Internet-Provider auffordert, Seiten mit kinderpornografischem Inhalt zu sperren, soll zuvor von einem unabhängigen Gremium begutachtet werden. Außerdem soll die gesetzliche Grundlage zur "Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" den Rang eines eigenen "Spezialgesetzes" bekommen und nicht, wie ursprünglich geplant, eine Änderung des Telemediagesetzes. Damit seien Ausweitungen von Internetsperren, etwa auf dem Feld von Online-Gewaltspielen, ausgeschlossen, hieß es am Dienstag in Berlin.

Die Kritiker stellt das allerdings nicht zufrieden: "Wir sehen nach wie vor in dem Gesetz ein Einfallstor für die Internet-Zensur", sagt Markus Beckedahl, Betreiber des Weblogs Netzpolitik.org. Zwar sei es "erfreulich", dass Internetnutzer, die - womöglich ohne Absicht - auf gesperrten Seiten landen, künftig keine Strafverfolgung befürchten müssten. Beckedahl kritisiert aber, dass das Gremium, das die BKA-Listen überprüfen soll, erst bis Ende 2012 seine Arbeit aufnehmen solle - "das Gesetz jedoch soll bereits Anfang Juli in Kraft treten". Zudem "kann auch ein Spezialgesetz einfach geändert werden", meint Beckedahl: Ein wirksamer Schutz vor einer Ausweitung der Sperren über kinderpornografische Internet-Angebote hinaus "ist das nicht".

Petition fand über 130.000 Unterstützer

Der umstrittene Gesetzentwurf hat in der Online-Gemeine bundesweit für eine Welle des Widerstands gesorgt. Die Anfang Mai initiierte Petition von Netzsperr-Gegnern hatten auf den Seiten des Petitionsausschusses im Bundestag bis zum Dienstag-Nachmittag, wenige Stunden vor Frist-Ende, über 130.000 Unterstützer unterzeichnet. Erfolgreicher war nach Angaben aus der Bundestagsverwaltung bisher nur die Petition zum Verbot der NPD, die auf 178.000 Unterstützer kam.

Das Kinderpornografie-Gesetz soll bereits diesen Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden. Es wird auf drei Jahre befristet. Ende 2012 solle die Regelung automatisch auslaufen und im Lichte der Erfahrungen neu bewertet werden, hieß es am Dienstag in Berlin. "Damit haben wir alle Schranken eingezogen, die wir einziehen konnten", sagte der SPD-Abgeordnete Martin Dörmann. (mit ap)