Berlin. Die Rezession reißt gigantische Löcher in die Staatskasse. Die Neuverschuldung im Bundeshaushalt schnellt 2010 drastisch nach oben und erreicht das Rekordhoch von 86 Milliarden Euro. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält Steuersenkungen angesichts dessen für unmöglich.
Die Haushaltslage des Bundes wird immer dramatischer. Die Neuverschuldung im Bundeshaushalt erreicht im kommenden Jahr das Rekordhoch von 86,1 Milliarden Euro, wie Finanzstaatssekretär Werner Gatzer am Freitag in Berlin berichtete. Die Summe an frischen Krediten erreiche damit eine Dimension, «die noch vor Jahresfrist undenkbar gewesen wäre», sagte Gatzer. Jeder Bürger werde kommendes Jahr mit über 1.000 Euro neuen Schulden belastet.
Zum Vergleich: Im laufenden Haushalt sind einschließlich der beiden Nachtragshaushalte 47,6 Milliarden an frischen Krediten eingeplant, was aber ebenfalls schon eine historische Höchstmarke in der Nachkriegsgeschichte ist. Hinzu kommen noch Lasten aus dem Bankenrettungsfonds SoFFin sowie dem Tilgungsfonds für das Konjunkturpaket II, so dass die Gesamtverschuldung des Bundes 2009 deutlich über 50 Milliarden Euro beträgt.
20-Milliarden-Kredit für Bundesagentu für Arbeit
Auch in den Folgejahren dürfte die Neuverschuldung laut der mittelfristigen Finanzplanung schwindelerregende Höhen erreichen. 2011 werden es demnach 71,1 Milliarden Euro, 2012 rund 58,7 Milliarden und 2013 dann 45,9 Milliarden Euro.
Um diese drei Zielmarken, die die neue Schuldenregel vorgibt, überhaupt zu erreichen, hat die kommende Bundesregierung einiges vor sich: Im Finanzplan ist nämlich schon eingerechnet, dass die Regierung bis 2013 die Ausgaben dauerhaft um 18,5 Milliarden Euro kürzt - oder aber die Einnahmen entsprechend erhöht.
Im kommenden Jahr machen die Bundesausgaben gegenüber dem aktuellen Etat einen kräftigen Sprung nach oben, und zwar um acht Prozent auf 327,7 Milliarden Euro. Ein Grund ist ein zinsloses Darlehen des Bundes an die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Höhe von 20 Milliarden Euro. Bis 2013 soll das Darlehen der Planung zufolge auf 55 Milliarden Euro wachsen. Eine Rückzahlung ist bis dahin nicht vorgesehen, auch nicht in Teilbeträgen. Wegen der Krise steigen die Ausgaben im Ressort Arbeit und Soziales allein 2010 um rund 30 auf 153 Milliarden Euro.
Die Maastricht-Defizitgrenze des Euro-Stabilitätspakts von drei Prozent wird Deutschland in den kommenden beiden Jahren deutlich verfehlen. Laut Ministerium dürfte das Defizit 2009 rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen und 2010 knapp sechs Prozent. Fühestens 2013 soll die Lücke demnach wieder weniger als drei Prozent betragen.
Steinbrück: Keine Steuersenkungen auf Pump
Die Steuereinnahmen werden 2010 auf 213,8 Milliarden Euro taxiert, das wären zwölf Milliarden weniger als 2009. Schon ab 2011 wächst die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der Regierung wieder: Unterstellt wird bis 2013 ein jährliches Plus von 1,9 Prozent. In der Folge vermehren sich auch die Steuereinnahmen; sie erreichen aber erst 2013 mit gut 240 Milliarden Euro das Niveau von 2008.
Gatzer sagte, zu der nun laufenden «expansiven» Finanzpolitik gebe es keine Alternative. Die ungekürzten Ausgaben samt zusätzlicher Konjunkturpakete milderten den scharfen Abschwung, so dass weitaus höhere Folgekosten für die Gesellschaft vermieden würden.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte zu den dramatischen Zahlen, angesichts der beispiellosen Rezession von minus sechs Prozent in diesem Jahr sei es «nicht verwunderlich», dass die Schulden steigen und die Steuereinnahmen sinken. Zu den jüngsten Versprechen der Union, in der kommenden Wahlperiode Steuern zu senken, sagte der Minister: «In dieser Situation wird keine Bundesregierung Steuersenkungen auf Pump realisieren können. Das ist meine Prophezeiung.» (ap)