Düsseldorf. Die Justizpanne in Mönchengladbach hat personelle Konsequenzen. Der für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt muss gehen. Die Behörde hatte Ermittlungen im Fall eines mutmaßlichen Sextäters verschleppt. Er musste aus der U-Haft entlassen werden. Die SPD spricht von einem Bauernopfer.
Wegen der Entlassung eines mutmaßlichen Sexualstraftäters aus der Untersuchungshaft hat Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) personelle Konsequenzen gezogen.
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Der Leiter der für das Ermittlungsverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft Mönchengladbach werde «mit sofortiger Wirkung an das Ministerium abgeordnet», sagte Müller-Piepenkötter am Donnerstag in Düsseldorf. Die SPD sprach von einem «Bauernopfer» und verlangte abermals den Rücktritt der Ministerin. Die Regierung lehnte die Forderung ab.
Dienstrechtliche Ermittlungen laufen
Der Mönchengladbacher Staatsanwaltschafts-Chef werde durch einen «erfahrenen Beamten» aus dem Justizministerium ersetzt, sagte Müller-Piepenkötter. «Schlendrian und Fehlverhalten» dulde sie nicht. Dienstrechtliche Ermittlungen würden durch die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft «mit Hochdruck fortgesetzt».
Zuvor waren innerhalb einer Woche drei Fälle von Entlassungen aus der U-Haft wegen zu langsamer Justizverfahren bekanntgeworden. In zwei Fällen waren die Justizbehörden Mönchengladbach verantwortlich. Neben dem Sexualstraftäter aus Viersen musste die Justiz auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts einen Mann frei lassen, der 20 Monate wegen Verdachts des unerlaubten Führens einer Schusswaffe und gefährlicher Körperverletzung in U-Haft gesessen hatte.
Dritter Fall bekannt geworden
Wie der WDR berichtete, wurde in Wuppertal zudem ein Tatverdächtiger aus der U-Haft entlassen, dem schwerer Raub zur Last gelegt wird. Er war demnach Mitte November 2008 dorthin gebracht worden. Der Mann wurde bereits am 15. Juni auf freien Fuß gesetzt.
Der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt Gregor Steinforth räumte Fehler und «Kommunikationspannen» bei der Justiz ein. Zudem gab er bekannt, die Mönchengladbacher Ermittler stünden bereits seit einiger Zeit wegen zu langsamer Verfahren unter Beobachtung.
SPD-Landeschefin Hannelore Kraft forderte erneut den Rücktritt der Ministerin. Müller-Piepenkötter habe zentrale Wahlversprechen gebrochen, rügte Kraft. In der Justiz sei kein zusätzliches Personal eingestellt worden. Müller-Piepenkötter wies dies zurück. Die Opposition hatte bereits seit dem Siegburger Foltermord von 2006 mehrfach die Entlassung der Ministerin verlangt. Die SPD will die neuen Vorfälle auch zum Thema im Landtag machen.
Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter lehnte einen Rücktritt der Ressortchefin ab. Die Forderung der SPD sei «völlig irrelevant und entbehrt jeder Grundlage», betonte er. Müller-Piepenkötter sagte, sie habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) über die Vorfälle informiert. Sie habe die «Unterstützung» des Regierungschefs.
Bei einer Sitzung mit den Spitzen der Oberlandesgerichte und der Generalstaatsanwaltschaften sei ihr versichert worden, dass nun keine weiteren Fälle zu erwarten seien, sagte Müller-Piepenkötter. Die Ministerin hatte wegen der Vorgänge ihren Griechenland-Urlaub unterbrochen. Am Samstag will sie den Urlaub fortsetzen.
Vier Fälle in diesem Jahr
Die bislang bekannten Fälle war jedoch nicht die einzigen. Die Müller-Piepenkötter räumte insgesamt vier Fälle vorzeitiger Haftentlassung wegen überlanger Verfahrensdauer in diesem Jahr ein. «Jede dieser Haftbefehlsaufhebungen ist ein Fall zu viel», so die Ministerin. Die nordrhein-westfälische Justiz werde deshalb alles daran setzen, weitere solche Fälle zu vermeiden.
Gleichzeitig verwies die Ministerin aber darauf, dass die Zahl der Haftentlassungen wegen überlanger Verfahrensdauer in ihrer Amtszeit deutlich gesunken sei. Im gesamten Jahr 2008 habe es fünf Fälle gegeben. Unter ihrem SPD-Vorgänger seien dagegen zwischen sieben und elf Fällen pro Jahr registriert worden. (sihei/ddp)