Düsseldorf. Weil die Justiz oft zu lange ermittelt hat, verschärft die Opposition ihre Angriffe auf NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter. Tatsächlich wartet jeder dritte bis vierte Untersuchungshäftling zu lange auf seinen Prozess.

Nach den vier Fällen von Haftentlassungen wegen Fristüberschreitungen – darunter ein mutmaßlicher Kinderschänder – verschärft die SPD-Opposition ihre Angriffe gegen NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Seit November 2006 habe es eine „Kette von Justizskandalen” gegeben, etwa den Foltermord in Siegburg und den Selbstmord von zwei jugendlichen Gefangenen. Die Ministerin schade dem Ansehen der Justiz und sei daher „unhaltbar”.

Unstrittig ist, dass auch in NRW vielfach gegen das vom Verfassungsgericht verfügte „Beschleunigungsgebot” in Haftangelegenheiten verstoßen wird: So saßen in den Jahren 2006 und 2007 von rund 6000 Untersuchungshäftlingen 29 Prozent bzw. 27,6 Prozent länger als sechs Monate ein – teilweise weit über ein Jahr. Die Gründe für die langen U-Haftzeiten gehen aus den Statistiken allerdings nicht hervor.

Hausgemachte Ursachen

Für den Richterbund NRW sind die Ursachen hausgemacht: Die Politik betreibe eine „strukturelle Hinrichtung” der Justiz. Trotz des jüngsten leichten Stellenaufbaus fehlten 500 Richter und 200 Staatsanwälte in NRW. „Die Wahrscheinlichkeit folgenreicher Fehler ist damit hoch”, sagte der Vorsitzende des NRW-Landesverbandes, Reiner Lindemann, der WAZ. „Aber in Haftsachen dürfen keine Fehler passieren.”

Die höchsten Richter drängten mehrfach darauf, dass die Staatsanwaltschaften „alles in ihrer Macht Stehende dafür tun müssen”, einem Untersuchungshäftling spätestens nach sechs Monaten eine Anklage vorzulegen – oder ihn auf freien Fuß zu setzen. Allein „besondere Schwierigkeiten” bei den Ermittlungen, etwa ein sehr umfangreiches Verfahren wie der Terrorprozess gegen die „Sauerland-gruppe”, rechtfertigen demnach eine U-Haft-Verlängerung.

Die Sozialdemokraten bezweifeln außerdem die Angaben Müller-Piepenkötters, dass der (unter Rot-Grün eingeleitete) Stellenabbau in der Justiz gestoppt sei und in diesem Jahr 90 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen werden. Die SPD hat nach eigenen Angaben vielmehr Indizien dafür gefunden, dass 348 Stellen in 2009 abgebaut werden.