Berlin. Die Linkspartei streitet vor Parteitag über den richtigen Kurs für den Wahlkampf. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau: "Die Linke muss alle ansprechen oder sie verkommt zur Sekte." Es gibt Kritik am Programm: 1000 Änderungsanträge für den Parteitag am Wochenende sind eingegangen.
«Wir sind angetreten, die politischen Kräfteverhältnisse hier im Land und in Europa zu verändern.» Das versprach Linke-Chef Lothar Bisky zur Gründung der Partei im Juni 2007. Gut zwei Jahre später ist die Linkspartei auf dem harten Boden der politischen Realität angekommen. Zwar ist sie mittlerweile auch in vier westdeutschen Landtagen vertreten, doch ihr Durchmarsch ist ins Stocken geraten. Das Ergebnis der Europawahl fiel ernüchternd aus. Im Innern der Partei rumort es. Die Parteiführung wirbt um Geschlossenheit.
Ziel bei Europawahl deutlich verfehlt
Anders als erhofft, ist die Wirtschaftskrise nicht zum Selbstläufer für die Partei geworden. Ihr Ziel, bei den Europawahlen «10 Prozent plus x» zu erreichen, hat die Linke deutlich verfehlt. «Die Bäume wachsen nicht in den Himmel», stellte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch ernüchtert fest. Die Parteispitze machte «Mobilisierungsprobleme» für den fehlenden Zuspruch verantwortlich und analysierte, die Wähler der Linkspartei könnten mit der Europawahl nichts anfangen.
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau erteilte dieser Analyse nach der Wahl auf ihrer Homepage eine Absage: «Die Linke muss alle ansprechen oder sie verkommt zur Sekte.» Sie forderte eine programmatische Klärung. Noch könne «fast jede und jeder sich als die Linke verkaufen», bemängelte Pau und fügte hinzu, «eine moderne Linke sollte mehr wollen«.
Prominente Mitglieder sind in den vergangenen Wochen aus der Partei ausgetreten, unter ihnen die frühere Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann und der sächsische Abgeordnete Ronald Weckesser. Sie gehörten dem moderaten Flügel an und äußerten deutliche Kritik am Kurs der Partei. Weckesser sieht die Linke »auf dem Weg zu einer politischen Sekte«, als »politikunfähig« bezeichnet Kaufmann ihre alte Partei.
Begriff "Lafontainismus" macht die Runde
Während die linke Strömungen in der Linkspartei einen radikalen Umbau des Systems fordern, wenden sich moderate Mitglieder gegen eine reine Protestpolitik. Aber es ist auch die Person von Parteichef Oskar Lafontaine, an der sich die Geister scheiden. Der Begriff des »Lafontainismus« macht die Runde. Der frühere Europaabgeordnete André Brie äußerte seinen Unmut öffentlich, indem er in einem Essay im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« mit dem Vorsitzenden abrechnete.
Das Wahlprogramm soll nun die Strömungen zusammenführen. Die Parteiführung schlägt in ihrem Entwurf unter anderem vor, die Steuern auf hohe Einkommen, hohe Erbschaften und Konzern-Gewinne zu erhöhen. Ein Mindestlohn von zehn Euro soll eingeführt, «Hartz-IV» langfristig abgeschafft werden. Außerdem verspricht die Parteispitze ein Investitionsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro. Insgesamt sollen zwei Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.
Delegierte fordern Abschaffung der Nato
Doch Kritik am Programm gibt es zur Genüge. Mehr als 1000 Änderungsanträge haben die Delegierten für den Parteitag am Wochenende in Berlin eingereicht. Bundesgeschäftsführer Bartsch stöhnte, er hätte sich weniger gewünscht. Linke Delegierte - überwiegend aus dem Westen - fordern die Abschaffung der NATO und der Geheimdienste, sie plädieren für eine 30-Stunde-Woche oder die Rente mit 60. Die meist ostdeutschen Realpolitiker hingegen glauben, dass ein Mindestlohn von zehn Euro zunächst nicht durchsetzbar sei. Sie schlagen als Einstieg 7,50 Euro vor, um den Mindestlohn dann schrittweise anzuheben.
Die Parteispitze übt sich in Optimismus. Lafontaine zeigte sich überzeugt, dass die Partei am Wochenende über Formulierungen und nicht über Inhalte streiten wird. Auf dem Weg zu neuer Größe sieht zumindest Bundesvize Halina Wawzyniak ihre Partei: «Der Genosse Gysi sagt immer, dass jede Partei ihre zehn Prozent Irren hat. Ich glaube, dass da was Wahres dran. In diesem Punkt sind wir schon Volkspartei.» (ddp)