Berlin. Auf dem Parteitag der Linken hat Parteichef Lafontaine in einer gefeierten Rede die Kernpunkte des geplanten Programms zur Bundestagswahl präsentiert. Dabei stellte er klar, dass die Linke zur Beteiligung an der nächsten Bundesregierung bereit sei.

Zehn Euro Mindestlohn, höhere Steuern für Reiche und eine komplette Kontrolle des Finanzsektors: Linksparteichef Oskar Lafontaine hat am Samstag die Kernpunkte des geplanten Programms zur Bundestagswahl präsentiert. Dabei stellte er klar, dass die Linke zur Beteiligung an der nächsten Bundesregierung bereit sei. Gleichzeitig setzt Lafontaine aber auch auf den Druck der Straße: Er verlangte den «politischen Streik, den Generalstreik».

In einer gefeierten Rede auf dem Parteitag zur Verabschiedung des Bundestagswahlprogramms verteidigte Lafontaine die intern umstrittene Forderung nach zehn Euro gesetzlichem Mindestlohn für alle Branchen. Der Wert liege nur wenig über Mindestlöhnen im Ausland, hielt er Kritikern entgegen. Einige Delegierte setzen sich für eine Festlegung auf nur acht Euro ein.

100 Milliarden Investitionen

Lafontaine wiederholte auch die Forderung nach einer Erhöhung des Hartz-Regelsatzes auf 500 Euro, nach entsprechender Erhöhung der Renten und nach Abschaffung der Leiharbeit. Zudem will die Linke mit jährlichen Investitionen von 100 Milliarden Euro und einem 100-Milliarden-Euro-Zukunftsfonds insgesamt zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen, eine Million davon im öffentlichen Dienst.

Neben einer Börsenumsatzsteuer, einer «Millionärssteuer» und einer höheren Erbschaftssteuer verlangt die Linke nach Lafontaines Worten zudem eine Einkommensteuerreform mit einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Die Reform soll Ledige ab einem Einkommen von 70.000 Euro pro Jahr belasten, alle anderen entlasten, wie der Parteichef sagte: «Das ist ein gerechtes Steuersystem, für das wir werben können.» Dagegen seien «die Versprechungen von CDU/CSU und FDP angesichts der leeren Staatskassen nicht vertretbar».

"Eigentumsstrukturen reformieren"

Lafontaine bezeichnete die Wirtschafts- und Finanzkrise als Chance, «die Eigentumsstrukturen grundsätzlich zu reformieren». Wenn Steuergelder zur Sanierung von Betrieben flössen, dann müssten daraus Belegschaftsanteile werden. «Unsere Wirtschaftsordnung, die das wachsende Betriebsvermögen allein dem Unternehmensgründer und seiner Familie zuweist, ist verfassungswidrig, da sie auf der im Grundgesetz verbotenen Enteignung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beruht», sagte der Parteivorsitzende. «Die Mitarbeitergesellschaft ist das Unternehmen der Zukunft.»

Für den Finanzsektor verlangte Lafontaine eine komplette staatliche Kontrolle: «Ich beschränke mich bewusst nicht auf die Forderung nach einer Verstaatlichung der Banken. Hinzukommen muss eine starke Regulierung der Finanzgeschäfte, die auch die sich im öffentlichen Besitz befindenden Banken an die Kandare nimmt.»

Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan

Lafontaine stellte klar, dass die Linke auch im Bund mitregieren würde, wenn sich die SPD dazu bereiterklären würde: «Wir verweigern uns einer Regierungszusammenarbeit nicht.» Vielmehr sei es die SPD, die ein solches Bündnis ablehne. Bislang hatte die Parteispitze erklärt, ein Bündnis mit der SPD komme wegen deren Wahlprogramm nicht infrage. Lafontaine wiederholte seine Forderungen nach Abkehr von der NATO und nach Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Beides gilt für die SPD als unannehmbar.

Vor dem Parteitag waren in der Linken zunehmende Spannungen und immer schärfere Richtungskämpfe deutlich geworden. Daher warnte der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer seine Partei davor, in Flügelkämpfe zu verfallen. «Wir sollten die Zeit nicht darauf verwenden, anderen die Welt erklären zu wollen, als hätten wird das Monopol der letzten Erkenntnis», mahnte er. Wichtig sei, Protest «mit handhabbaren Alternativen zu verbinden».

Linke strebt zweistelliges Ergebnis an

Zur Bundestagswahl im Herbst strebt die vor zwei Jahren aus PDS und WASG entstandene Linke ein zweistelliges Ergebnis an. 2005 erreichte die Linkspartei/PDS 8,7 Prozent der Wählerstimmen. Lafontaine sieht einen Zuwachs auf mehr als zehn Prozent als durchaus realistisch an. «Wir sind eine demokratische Erneuerungsbewegung, wir sind eine Partei der Freiheit», unterstrich er zum Abschluss seiner 75-minütigen Rede, die der Parteitag mit zweiminütigen Applaus und stehenden Ovationen honorierte.

Der Parteichef sprach zum Auftakt der Beratungen über das Wahlprogramm. Delegierte haben rund 1.000 eigene Anträge eingebracht. Die Abstimmung ist für den morgigen Sonntag vorgesehen. (ap/ddp)