Neuenburg. . Brutale Racheaktion: Auf einem Parkplatz im Schwarzwald haben mehrere Menschen einen Mann zu Tode geprügelt. Er soll vor wenigen Tagen eine Frau vergewaltigt haben. Sie ist mit einigen der mutmaßlichen Täter verwandt.

Angehörige und Bekannte eines Vergewaltigungsopfers haben den mutmaßlichen Täter auf einem Pendlerparkplatz im Schwarzwald totgeprügelt. "Auf den Tatverdächtigen wurde mit massiver körperlicher Gewalt eingewirkt", sagte eine Sprecherin der Polizei am Donnerstag. Französische Rettungskräfte hatten demnach am Mittwochabend noch versucht, den 27-Jährigen wiederzubeleben. Der Mann starb aber noch auf dem Parkplatz in Neuenburg in der Nähe eines Grenzübergangs nach Frankreich.

Polizisten konnten in der Nacht vier Tatverdächtige festnehmen, wie die Sprecherin sagte. Diese sollten im Laufe des Tages verhört und dem Haftrichter vorgeführt werden. Unklar sei noch, wer von den beschuldigten Männern - zwei Angehörige der Frau und zwei Bekannte der Familie, direkt an der Prügelattacke beteiligt war. Geklärt werden müsse außerdem, ob sie zufällig auf den 27-Jährigen trafen oder ihn gezielt verfolgt hatten. Daher wollte die Sprecherin zunächst auch nicht den Begriff "Lynchjustiz" verwenden.

Ermordeter war auf der Flucht

Der Getötete soll die junge Frau aus dem Markgräflerland im äußersten Südwesten Deutschlands am 12. Juni in Müllheim vergewaltigt haben. Die beiden kannten sich, wie die Sprecherin sagte. Gegen den 27-Jährigen war auf Antrag der Staatsanwaltschaft Freiburg ein Haftbefehl erlassen worden. Der Mann sei seit der Tat aber auf der Flucht gewesen.

Strafverfolgung ist das Privileg des Staates

Der Begriff Lynchjustiz bezeichnet nach Angaben des Dudens eine "Misshandlung oder Tötung eines Menschen ohne vorherige Gerichtsverhandlung als (ungesetzliche) Bestrafung für etwas, was dieser begangen hat oder begangen haben soll". Meist sei dafür eine aufgebrachte Volksmenge verantwortlich. Es gehört zu den wichtigsten Grundsätzen des Rechtsstaates, dass Strafverfolgung allein den öffentlichen Behörden vorbehalten ist. (dpa)

Um das Geschehen auf dem Pendlerparkplatz zu klären, wollten die Ermittler auch Spuren auswerten. Zudem bitten sie Zeugen, sich bei der Polizei zu melden. In den kommenden Tagen wird es der Sprecherin zufolge voraussichtlich weitere Informationen zu dem Vorfall geben.

Spektakuläre Fälle von Lychjustiz 

Strafverfolgung ist in einem Rechtsstaat das Privileg der Justizbehörden. Doch manchmal greifen Menschen auch zur Selbstjustiz. Einige spektakuläre Fälle:

Januar 2014: Im Frankfurter Gerichtsviertel werden zwei Männer getötet. Der mutmaßliche Täter gibt als Motiv Rache für seinen toten Bruder an. Er habe von den Gerichten keine Gerechtigkeit erwartet. Der Bruder war 2007 im Streit um einen Parkplatz erstochen worden. Beschuldigt waren die beiden Männer, gegen die nun gerade wieder ein Revisionsprozess lief.

Juni 2009: Ein Rentner entführt seinen Vermögensberater aus Speyer an den Chiemsee und hält ihn tagelang im Keller seines Hauses gefangen. Er fühlte sich um rund 2,4 Millionen Euro geprellt. Im Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Traunstein spricht der Vorsitzende Richter von einem "spektakulären und aufsehenerregenden Fall der Selbstjustiz".

Februar 2004: Ein Russe, der im Juli 2002 bei der Flugzeugkatastrophe von Überlingen am Bodensee seine Frau und seine beiden Kinder verlor, ersticht einen Mitarbeiter der Schweizer Flugsicherung Skyguide. Er hatte in dem Flugverkehrsleiter, der in der Unglücksnacht allein im Zürcher Kontrollzentrum im Einsatz war, den Hauptschuldigen der Tragödie gesehen.

März 1981: Die Gastwirtin Marianne Bachmeier erschießt in einem Lübecker Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter. Die Tat der damals 31-Jährigen löst in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion um Selbstjustiz und den Umgang der Justiz mit Sexualstraftätern aus. (dpa)