Wilhelmshaven. Es war die Reaktion auf einen kaltblütigen Überfall. Nachdem ein Mädchen brutal von mehreren Jugendlichen angegriffen wurde, versammelten sich am Mittwoch 40 Menschen vor dem Haus des mutmaßlichen Täters um Selbstjustiz zu üben. Bei der Tat selbst half dem Mädchen aber keiner der vielen Passanten.
Straßenräumung, Platzverweise, Unruhe. In Wilhelmshaven musste am Mittwochabend die Polizei ausrücken, um eine Gruppe wütender Bürger zu verscheuchen. Sie hatte sich über Soziale Netzwerke verabredet, um eine Person unter Druck zu setzen, die mutmaßlich an dem brutalen Überfall auf eine 14-Jährige beteiligt war.
Ein grausames Video im Internet zeigt die Tat der jugendlichen Gewalttäter. Es kursiert seit einigen Tagen vor allem bei Facebook. Dort ist zu sehen, wie mehrere Jugendliche das Mädchen überfallen und mit ihren Füßen sogar nach dem Kopf des wehrlosen Opfers treten. Das Handy, um das es den Tätern zunächst ging, hatte das Mädchen da schon längst abgegeben. Während sie auf ihr Opfer eintreten, machen die Jugendlichen sich auch noch über die 14-Jährige lustig, ein Täter droht sogar: "Erwähnst du meinen Namen oder andere, ich bring dich um."
Kein Passant hat die Polizei gerufen
Auf dem Video ist auch klar zu erkennen, dass mehrere Menschen die Tat beobachten - allerdings ohne einzuschreiten. Erst als sich weitere Passanten nähern, lassen die Jugendlichen ihr Opfer in Ruhe. "Niemand hat die Polizei gerufen", sagt Andrea Papenroth, Sprecherin der Wilhelmshavener Polizei. Erst als das Mädchen nach dem Überfall im Krankenhaus behandelt wurde, hätten die Beamten durch das Krankenhauspersonal von der Tat erfahren. Das Opfer selbst habe sich nicht gemeldet, wahrscheinlich aus Angst vor ihren Peinigern.
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Die Jugendlichen waren anscheinend sogar so stolz auf ihren Überfall, dass sie selbst ein Video des Angriffs ins Internet stellten. Dort verbreitete es sich mit rasender Geschwindigkeit und erreichte auch Menschen, die von der Kaltblütigkeit des Überfalls angewidert waren.
Drohanrufe wegen des Nachnamens
Die Brutalität der Täter und die Tatsache, dass sie ihr Opfer auch noch verhöhnten, entfachte schnell die Wut vieler Facebook-Nutzer. Mehrere Menschen die den gleichen Nachnahmen wie die mutmaßlichen Täter haben, beschwerten sich sogar über Telefon-Terror. Eine Nutzerin berichtet von Drohanrufen gegen ihren Vater: "Nur weil er den gleichen Nachnamen hat, heißt das noch lange nicht, dass er verwandt ist." Anderen ging offenbar selbst das nicht weit genug.
Polizei kann Selbstjustiz nicht tolerieren
Und so versammelten sich am Mittwochabend 40 Menschen vor der Wohnung eines mutmaßlichen Täters. Zu Straftaten sei es dabei aber wahrscheinlich nicht gekommen, sagt Polizei-Sprecherin Papenroth: "Als unsere Beamten ankamen, wurden weder Gegenstände geworfen noch laute Parolen gerufen." Die Polizei habe den Straßenbereich abgesperrt und Platzverweise gegen die Gruppe ausgesprochen. "Ärger gab es keinen, niemand hat sich gewehrt", sagt Papenroth.
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Selbstjustiz könne die Polizei aber natürlich nicht tolerieren. Auch sie sei zwar von dem Video schockiert, aber es sei nun einmal Aufgabe des Staates die Täter zu ermitteln und anschließend zu bestrafen.
Mutmaßlicher Täter nicht unter Polizeischutz
"Wir kennen jeden der Täter mit Namen", sagt Papenroth. Zu den Hintergründen der Tat könne sie allerdings noch nichts sagen. Es sei aber klar, dass Täter und Opfer sich gekannt hätten. "Wir ermitteln außerdem auch wegen unterlassener Hilfeleistung gegen diejenigen, die sich die Tat angesehen haben, ohne uns zu verständigen", sagt Papenroth.
Einen neuen Fall von Selbstjustiz gegen die mutmaßlichen Täter erwartet sie allerdings nicht. "Wir haben den Täter, der am Mittwoch aufgesucht wurde, deshalb nicht unter Polizeischutz gestellt."
Doch schon bald soll es in Wilhelmshaven wieder eine Versammlung geben, die dem brutalen Überfall gewidmet ist. Über 2500 Menschen haben sich auf Facebook schon dafür angemeldet. Doch diesmal geht es nicht um versuchte Selbstjustiz - sondern eine Demonstration gegen Gewalt. (fel/we)