Münster. . Der Titel der Jubiläumsepisode des “Tatorts“ aus Münster ist Programm. Ein selbsternannter Rächer der Entnervten mordet sich durch Stadt. Seine Opfer kennzeichnet er mit einem Prägehammer. Trotz aller Skurrilität leidet der Krimi nicht. Im Gegenteil: Fall 25 ist „Der Hammer“.
Seit fast zwölf Jahren beglückt das Erste seine Zuschauer mit dem „Tatort“ aus Münster – und zwar so erfolgreich, dass selbst ein großmäuliger Herausforderer wie Kino-Star Til Schweiger im Fernduell bisher nur zweiter Sieger blieb. Axel Prahl und Jan Josef Liefers führen als ungleiches Ermittler-Duo die Quoten-Hitliste seit Jahren an. Am Sonntag, 20.15 Uhr, ermitteln der Kommissar Thiel und der Rechtsmediziner Professor Boerne zum 25. Mal. Ist der Jubiläumskrimi wirklich – wie der Episodentitel nahelegt - „Der Hammer“?
Diese Frage stellt sich, weil die Autoren Jan Hinter und Stefan Cantz für das Krimi-Format, was soeben mit dem Ehren-Grimme ausgezeichnet worden ist, eine Typen-Komödie im Stil der italienischen Commedia dell’Arte entwickelten. Die Figuren haben nur wenige, unveränderliche Eigenschaften: Thiel ist der Proll mit Jeans, Fußball-T-Shirt, Dosenbier und Fahrrad, Boerne sein akademischer Gegenpart, dessen schnöseliges Oberschicht-Gebahren sich immer wieder als lächerlich erweist. Das erhöht ihre Wiedererkennbarkeit. Zugleich lauert, bei ständiger Wiederholung, ein Abnutzungseffekt.
Großes Ensemble ermöglicht immer neue Konflikte
Das sahen die beiden Autoren, und deshalb umgaben sie Thiel und Boerne mit einem großen Ensemble, das immer wieder neue Konflikte zulässt. Die Jubiläumsfolge lebt davon, dass Thiel bei der Jagd nach einem Hammer-Mörder ausgerechnet mit seinem Vater (Claus-Dieter Clausnitzer) zusammenstößt. Der Taxi fahrende Alt-Hippie hat sich nämlich einer Protest-Gruppe angeschlossen, die einen Großpuff in einem bürgerlichen Vorort verhindern will.
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Lars Kraume, Regisseur und Autor, hat nebenher mit leichter Hand herausgearbeitet, dass sich die Frontstellungen des 68er-Protests komplett gedreht haben: Einst kämpften Linke auch für die sexuelle Revolution; heute wird die Sex-Industrie als ausbeuterisch und menschenverachtend gebrandmarkt.
Protest gegen Großbordell
Protest gegen das Großbordell ist auch das Motiv des Hammer-Mörders (Milan Peschel), der die einflussreichen Strippenzieher des Projekts der Reihe nach abmurkst – im Stil eines Superhelden. Krause gelingt das Kunststück, die Hommage an Comics und vor allem an deren effektreichen Hollywood-Verfilmungen nicht ins armselig Lächerliche abgleiten zu lassen. Stattdessen bietet er im dramatischen Finale des Krimis eine schlüssige Erklärung der ramponierten Psyche des vorgeblichen Rächers der Entehrten. Seine Opfer hat der selbsternannte Held zuvor mit Säure getötet und mit einem Prägehammer durchnummeriert.
Lars Krause überhöht ein durchaus reales Problem comic-haft. Natürlich bedient er auch das Comedy-Prinzip des Münsteraner „Tatortes“ mit schräger Situationskomik – und zwar mit unverbrauchten Gags. So ist gleich in der Eingangsszene ein Busfahrer nächtens mit seinem letzten Fahrgast unterwegs, einem buchstäblichen Penner, der es sich in der letzten Reihe bequem gemacht hat. Eine Vollbremsung lässt den Fahrgang durch den Gang rutschen, bis er vorn, beim Fahrer, unsanft gestoppt wird. Der Bus hält, und der Krimi beginnt mit dem Fund der ersten Leiche.
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Eine Handlung ohne Hänger
Thiel und Boerne beharken sich erwartungsgemäß am Tatort prompt. Aber diesmal folgt der Krimi eben nicht dem Dauerkrawall-Muster von Dick & Doof. Vielmehr arbeitet das ungleiche Duo zusammen. Boerne, ausgerechnet, findet heraus, warum der Serienmörder einen Prägehammer benutzt. In einer brüllkomischen Szene testet er das Werkzeug in der Pathologie an Schweineköpfen.
Trotz aller Komik kommt der Krimi nicht zu kurz. Im Gegenteil: Lars Kraume erzählt einen spannenden Fall ohne Hänger. Die liebevoll inszenierte und lustvoll gespielte „Tatort“-Folge bietet im besten Sinn intelligente Unterhaltung.