Leipzig. . Der Leipziger “Tatort: Frühstück für immer“ ist ein präzises Psycho-Drama über einsame Herzen in der Großstadt und thematisiert das Elend von Singles zwischen 40 und 50. Darin steht das TV-Duo Martin Wuttke und Simone Thomalla immer wieder staunend daneben. Ein herausragender Krimi.
Zynischer kann man es nicht formulieren. "Frauen sehnen sich nach Komplimenten, gerade in der Zeit, in der sie kippen, zwischen 40 und 50", verrät der Flirttrainer, als Polizisten ihn zu seinen Methoden befragen. Und damit stößt er in den Kern eines herausragenden Tatorts, der viel weniger ein klassischer Krimi geworden ist, als ein hartes und schmerzhaftes Psychodrama über das Älterwerden, über Ängste, Hoffnungen und Enttäuschungen, über brutale Machtspiele zwischen Frauen und Männern.
Kommissare als staunende Beobachter
Claudia Garde (Regie) und Grimme-Preisträgerin Kathrin Bühlig (Drehbuch) weisen dem Leipziger Ermittlerduo Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin Wuttke) in „Frühstück für immer“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) dabei die Rolle der staunenden Beobachter zu, und das funktioniert prächtig. Sie müssen die Scherben einsammeln, und das tun sie, Stück für Stück.
Den Mörder oder die Mörderin einer Frau (Oana Solomon) müssen sie finden, die mit ihren Freundinnen (Inga Busch und Ursina Lardi) regelmäßig auf Ü-40-Partys den Mann fürs dauerhafte Frühstück suchte und dabei auch an allerlei zwielichtige Aufreißertypen geriet. Wie einen graumelierten Schönheitschirurgen (Filip Peeters), der mit Geliebten jene sadistischen Phantasien durchlebt, die ihm seine Frau (Victoria Trauttmansdorff) vorenthält.
Tatort streift in Abgründe von Sadomaso-Fantasien ab
Kathrin Bühlig, die schon einige starke "Bella Block"-Vorlagen geschrieben hat und für ihre Dokumentation über einen Sexualstraftäter, "Restrisiko", ausgezeichnet wurde, legt zwar eine Reihe von Fährten aus, und die Zahl der Verdächtigen und möglicher Motive ist durchaus üppig, so dass der Kriminalfall nie ganz untergeht. Und sie steigt für Augenblicke in die Abgründe von Sadomaso-Fantasien ab, ohne allerdings jemals plumpen Voyeurismus zu bedienen.
Die Tatort-Kommissare
Aber viel mehr als das interessiert sie sich für das Lebensgefühl von vereinsamenden Frauen in der Großstadt. Getriebene Singles, die den Spott der eigenen Kinder ertragen müssen, wenn sie ausgehen, die übermütig auf Abenteuer zusteuern oder eben verunsichert wegknicken, die fürchten, irgendwie übrig zu bleiben. Und die im Konkurrenzkampf um den vermeintlich Richtigen sogar die eigene Freundin verteufeln, wenn sie Erfolg hat: "Der stand doch die Not auf die Stirn geschrieben."
Anwidernde männliche Figuren im Tatort
Die Dialoge sind unbarmherzig und präzise auf den Punkt gebracht; dass hier Frauen über Frauen schreiben und nicht Männer das tun, hilft dem Film in seiner Glaubwürdigkeit. Die Männer freilich kommen allesamt schlecht weg in diesem "Tatort": Ihr zur Schau gestelltes Überlegenheitsgefühl widert an. Bis auf Keppler freilich, der Eva Saalfeld sogar unwidersprochen die einzige Pointe durchgehen lässt: "Ü-40-Partys, da darf ich noch nicht hin."