Essen. . Wer Hilfe bei einem Rechtsstreit braucht, muss künftig tiefer in die Tasche greifen. Mit Inkrafttreten eines neues Gesetzes wird seit August ein Prozess teurer. Auch die Versicherer rechnen mit steigenden Ausgaben.

Die Kosten für Anwälte und Gerichtsverfahren steigen. Grund ist das sperrig klingende Kostenrechtsmodernisierungs-Gesetz, das seit August gilt. Stiftung Warentest hat ermittelt: Aufschläge zwischen 13 und 65 Prozent sind möglich. Fragen und Antworten.

Warum steigen die Kosten?

Das neue Kostenrechtsmodernisierungs-Gesetz bringt Kostenerhöhungen in vielen Bereichen der Justiz. Es regelt unter anderem die Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren an die allgemeine Preisentwicklung. Die Gebühren wurden ab August um etwa zwölf Prozent, die gesetzlichen Gebühren in Strafsachen um 19 Prozent erhöht. Neben dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz wurden auch das Gerichtskostengesetz und die Kostenordnung für Notare, Dolmetscher und Sachverständige angepasst.

Was bedeutet das für Verbraucher?

Anwälte und Klagen kosten seit August mehr Geld. Empfindlich teurer wird es laut Stiftung Warentest für Menschen, die sich bei Streitigkeiten um kleinere Summen einen Anwalt nehmen. Beispiel: Ein Mieter schaltet einen Anwalt ein und wehrt sich gegen eine Betriebskostennachforderung von 600 Euro. Es kommt zur Klage. Zahlte der Mieter bisher für den Anwalt 206 Euro, so Stiftung Warentest, seien es jetzt 348 Euro. Die Kosten fürs Gericht steigen von 109 auf 159 Euro. Nimmt sich der verklagte Vermieter ebenfalls einen Anwalt und gewinnt den Prozess, zahlt der Mieter 768 Euro. Nach altem Recht waren es 469 Euro. Geht es in einem Gerichtsverfahren um einen höheren Streitwert, sei der Kostenanstieg prozentual gesehen nicht ganz so hoch. Beispiel: Zwei Ehepartner lassen sich bei der Scheidung anwaltlich vertreten, Streitwert 20 000 Euro. Bisher zahlten die Parteien laut Stiftung Warentest jeweils 2230 Euro für Anwalt und Gericht, jetzt seien es etwa 2580 Euro.

21,23 Millionen Verträge über eine Rechtsschutzversicherung zählte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Jahr 2012. Die Unternehmen bearbeiteten im gleichen Jahr fast 3,8 Millionen Fälle. Was bedeutet die Kostensteigerung für Versicherer und Kunden?

Für die Versicherer bedeutet das: Ihre Ausgaben steigen. Der GDV geht davon aus, dass die Rechtsschutzversicherer aufgrund der Gesetzesänderung etwa 375 Millionen Euro pro Jahr mehr ausgeben müssen (plus 16 Prozent). Ob die Mehrkosten an die Kunden weitergereicht werden, „entscheidet jedes Unternehmen selbst“, so GDV-Sprecher Stephan Schweda. Kurzfristig werde es keine Preissteigerungen geben, Stiftung Warentest rechnet aber „langfristig mit einer Erhöhung der Preise für den Rechtsschutz“.

Wie wichtig ist eine Rechtsschutzversicherung für Verbraucher?

„Die Rechtsschutzversicherung zählt zu den weniger wichtigen Versicherungen“, sagt die Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten (BdV). Erst wenn Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits-, Unfall-, Risikolebens-, Hausrat- und Wohngebäudeversicherung „je nach Bedarf“ unter Dach und Fach seien, sollte über eine Rechtsschutzversicherung nachgedacht werden. Zu dem gleichen Urteil kommt die Stiftung Warentest.

Welche Kosten trägt eine Rechtsschutzversicherung?

Gerichtsgebühren, Anwaltskosten, die Kosten der Gegenseite, soweit sie zu erstatten sind, Zeugen- und Sachverständigenentschädigungen, Strafverfolgungskautionen im Ausland als zinsloses Darlehen.

Welche Vertragsarten sind die gängigsten und was ist versichert?

Privat-, Berufs-, Verkehrs-, Wohnungs- und Grundstücks-Rechtsschutz. Es gibt sie in Kombination, aber auch als Einzelbaustein. Je nach Vertragsart versichert sind laut BdV: Durchsetzung von Schadenersatzforderungen, Arbeitsrecht, Streitigkeiten als Mieter oder Grundstückseigentümer, Vertragsangelegenheiten, steuer- und abgaberechtliche Angelegenheiten vor Finanzgerichten, Sozialgerichtsverfahren, Verkehrsrecht vor Verwaltungsbehörden, Verteidigung gegen den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens, Ordnungswidrigkeiten, Beratung im Familien- und Erbrecht.

In welchen Fällen besteht definitiv kein Versicherungsschutz?

Familien- und Erbrecht (nur Erstberatung versichert), Hausbau, Baufinanzierung, Grundstückskauf- und -verkauf, Streitigkeiten vor Verfassungsgerichten oder internationalen Gerichtshöfen, Spiel- und Wettverträge, Spekulationsgeschäfte, vorsätzliche Straftaten oder Streik und Aussperrung, Abwehr von Schadenersatzansprüchen (über Haftpflicht versichert).

Wie viel kostet eine Rechtsschutzversicherung?

Laut Stiftung Warentest kosteten bei einem Vergleich im Jahr 2012 gute Angebote in der Kombination Privat-, Berufs-, Verkehrs und Mietrechtschutz zwischen 340 und 403 Euro. Nur wenig schlechter waren Angebote für etwa 230 Euro. Sie galten als Familienpolice, bei dem Partner und Kinder mitversichert sind und hatten eine Selbstbeteiligung von 150 Euro. Wer die Selbstbeteiligung ausschließt, zahle deutlich mehr. Einzelne Versicherungsbausteine wie Verkehrs- oder Mietrechtsschutz waren bereits für weniger als 100 Euro zu haben.

Empfehlungen und Hinweise von BdV und Stiftung Warentest:

  • Der Versicherungsschutz sollte sich auch auf rechtliche Interessen außerhalb Europas beziehen
  • Deckungssumme mindestens 250 000 Euro, weltweit mindestens 25 000 Euro.
  • Prüfen Sie die Ausschlussklauseln. Weil das kompliziert ist, könnte ein Anruf vor Vertragsabschluss helfen. Gehen Sie nach und nach durch, welche Streitigkeiten Sie versichern wollen.
  • Im Familien- und Erbrecht sollte eine Mediation mitversichert sein. Die Mediation geht über eine Erstberatung hinaus.
  • Das Versicherungsunternehmen sollte Mitglied im Verein Versicherungsombudsmann sein. Ombudsleute helfen im Streitfall mit dem Versicherungsunternehmen.
  • Die vereinbarte Wartezeit von meist drei Monaten gilt für viele Leistungsarten. Ist der Versicherungsfall unvorhersehbar, entfällt die Wartezeit.
  • Für Versicherungsfälle aus der Vergangenheit gilt kein Schutz.
  • Für Fälle ohne Erfolgsaussicht können Versicherer die Leistung ablehnen.
  • Gewerkschaftsmitglieder haben oft bereits einen Berufsrechtsschutz,
  • Mitglieder in Mietervereinen schon Mietrechtsschutz.
  • Kapitalanlegerklagen sollten mitversichert sein.