Mails und Anrufe - was darf der Chef im Urlaub verlangen?
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Essen. Dienst-Mails unter Palmen beantworten - das müssen Angestellte eigentlich grundsätzlich nicht. Die elektronische Kommunikation macht es möglich, dass viele Mitarbeiter trotzdem im Urlaub arbeiten. Das Bundesurlaubsgesetz steht zwar auf ihrer Seite, doch es gibt keine gefestigte Rechtsprechung.
Noch schnell am Strand die E-Mail vom Chef checken. Im Hotelzimmer dienstliche SMS beantworten. Das Telefonat des Vorgesetzten annehmen, obwohl man gerade auf Wandertour ist. Viele Angestellte reagieren auch im Urlaub auf elektronische Nachrichten aus der Firma.
Fast jeder Dritte in Deutschland (29 Prozent) arbeitet im Urlaub bis zu drei Stunden am Tag, so eine Befragung des Marktforschungsinstituts Mindmetre. Dabei sollte die Arbeit doch eigentlich weit weg sein, damit man mal so richtig entspannen kann.
Doch darf der Chef seine Angestellten im Urlaub kontaktieren? "Eigentlich nicht", sagt Maja Klingner. Doch bisher fehle eine gefestigte Rechtsprechung zu dem Thema. Die Juristin ist Teamleiterin der Düsseldorfer Arbeitseinheit bei der DGB Rechtsschutz GmbH. Sie und ihre Kollegen vertreten unter anderem Arbeitnehmer vor dem Arbeits-, Sozial- oder Verwaltungsgericht.
Urlaub soll zur Erholung dienen - so sieht es das Gesetz vor
In Paragraph 8 des Bundesurlaubsgesetzes stehe, dass der Urlaub zur Erholung dient, erklärt Klingner. Und Erholung heißt: Es wird grundsätzlich nicht gearbeitet. Allerdings gibt es Berufe mit Rufbereitschaft, wie zum Beispiel Feuerwehrleute oder Sanitäter. Sie bilden eine Ausnahme, weil sie im Notfall, etwa wenn alle Sanitäter einer Region im Einsatz sind und ein weiteres Unglück passiert, arbeiten müssen.
Ansonsten gilt: Auch wenn Arbeitsverträge die Klausel enthalten, dass der Angestellte im Urlaub dienstlich erreichbar sein muss, müssen sich die Arbeitnehmer nicht daran halten. Denn: "Diese Klauseln sind nichtig", erklärt Klingner.
Darf der Chef den Angestellten einfach aus dem Urlaub holen? Das ginge nur "ganz ausnahmsweise", sagt Klingner. Zum Beispiel wenn sich die Auftragslage plötzlich verändert. Der Arbeitnehmer müsse zwar auch dann nicht aus dem Urlaub kommen. "Aber man muss sich ja auch immer überlegen, ob man in der Firma noch länger arbeiten möchte."
Die private Handynummer muss man dem Chef nicht sagen
Soll der Angestellte vorzeitig aus dem Urlaub kommen und macht dies auch, dann darf er die Urlaubstage, die er bis dahin nicht genommen hat, zu einem anderen Zeitpunkt nachholen. Außerdem könne er zum Beispiel Stornierungskosten dem Unternehmen in Rechnung stellen. Müssen beispielsweise Alleinerziehende ihre Kinder wieder mit aus dem Urlaub nehmen, dann können sie Schadensersatz geltend machen.
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Die private Handynummer muss man seinem Chef übrigens nicht mitteilen, wenn es in den Urlaub geht. "Es sei denn, man hat Rufbereitschaft, wie bei Sanitätern oder Feuerwehrleuten", erklärt die Rechtsexpertin. Diese hätten oft ein Diensthandy, mit dem sie aber nicht privat telefonieren dürften.
Dienst-Mails im Urlaub - bei vielen großen Firmen hat ein Umdenken eingesetzt
Ist es Arbeitszeit, wenn ich im Urlaub dienstliche Mails lese oder bearbeite? Das komme darauf an. Hat der Angestellte seinem Chef zugesagt, dass er während der Ferien seine Mails regelmäßig liest und beantwortet, dann sei dies Arbeitszeit, erklärt Klingner. Lese man die Mails aus reinem Interesse, ohne dass man müsse, dann sei dies keine Dienstzeit.
Mittlerweile habe bei einigen großen Firmen ein Prozess des Umdenkens eingesetzt, erklärt Klingner.
Ein Beispiel dafür ist Volkswagen. "Urlaub dient den Volkswagen Mitarbeitern zur Erholung", teilt das Unternehmen mit: "Die Beschäftigten nutzen den Abwesenheitsassistenten ihres E-Mail-Programms so, wie es an ihrem Arbeitsplatz am sinnvollsten ist. Gängig ist zum Beispiel eine Mitteilung, wann der Mitarbeiter wieder am Arbeitsplatz ist und wer ihn gegebenenfalls vertritt."
Bei Volkswagen gibt es eine Blackberry-Pause
Unabhängig vom Urlaub gilt bei Volkswagen für Tarifbeschäftigte, die ein dienstliches Blackberry haben: Zwischen 18.15 Uhr und 7 Uhr sowie an Wochenenden werden keine E-Mails empfangen. "Diese E-Mails werden jedoch nicht gelöscht und können später gelesen werden", teilt der Konzern mit.
Die Regelung betrifft nicht alle Volkswagenmitarbeiter, sondern nur die, die für ihre Arbeit ein Blackberry brauchen. Dies sei aber nur ein kleiner Teil dessen, was man für die Zufriedenheit der Mitarbeiter mache.
Anscheinend haben einige Konzerne gemerkt, dass nur gesunde und erholte Mitarbeiter auch volle Leistung im Job bringen können. Wer einen entspannten Urlaub hat, kann schließend besser ans Werk gehen.
Eon-Mitarbeiter sollen im Urlaub abschalten
Auch beim Energiekonzern Eon in Düsseldorf sei man auf Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter bedacht, so ein Unternehmenssprecher. Darum gelte als erste Regel, dass die gesetzlichen Arbeitszeiten nicht durch den "übermäßigen Gebrauch" von elektronischer Kommunikation unterlaufen werden dürften. "Denn dienstliche E-Mails Schreiben ist Arbeitszeit."
Daher seien alle Führungskräfte und Mitarbeiter angehalten, verantwortungsvoll mit dienstlichen Mails umzugehen. "Das heißt auch, im Urlaub abzuschalten und lieber eine vernünftige Stellvertretung sicherzustellen, als ständig erreichbar zu sein", so ein Sprecher von Eon. Ausnahmen gebe es aber zum Beispiel bei Krisenteams. Eine verbindliche konzernweite Richtlinie zu dem Thema gebe es allerdings nicht.
Henkel-Chef Rorsted legt sein Blackberry am Wochenende meist weg
Für Aufsehen hatte im November 2011 Henkel-Vorstandsvorsitzender Kasper Rorsted gesorgt. In einem Interview mit der FAZ am Sonntag erklärte er, er schaue am Samstagmorgen noch einmal auf sein Blackberry und lege es dann für den Rest des Wochenendes weg. Zudem habe man zwischen Weihnachten und Neujahr eine Pause verordnet - Mails sollten nur im Notfall geschickt werden.
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Eine offizielle Vorgabe gebe es bei dem Düsseldorfer Dax-Konzern nicht, erklärt eine Sprecherin von Henkel. Den Mitarbeitern werde geraten, "verantwortungsbewusst und eigenständig" mit ihrer elektronischen Post umzugehen.
Das aber auf Vorstandsebene das Thema angesprochen wurde, wirke sich sicherlich positiv auf die gesamte Unternehmenskultur aus, sagt die Sprecherin: "Es ist eben auch eine Frage des Respekts gegenüber den Kollegen."
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