An Rhein und Ruhr. . Nach dem Vorschlag eines FDP-Politikers zur Lösung der Personalprobleme im Mainzer Stellwerk wird die Rechtslage heiß diskutiert. Wir hörten uns in den Firmenzentralen an Rhein und Ruhr um: Wie würden sie in einem solchen Notfall entscheiden?
„Die Bahn-Mitarbeiter sollten ihren Urlaub abbrechen und Dienst tun..!“ Über den Vorschlag von FDP-Politiker Patrick Döring wurde gestern auch an den Werkbänken und in den Büros an Rhein und Ruhr diskutiert. Die NRZ hat sich bei Firmen, in Kliniken und Behörden umgehört: „Holen Sie Mitarbeiter aus den Ferien zurück?“ Fazit: Der Urlaub ist fast allen heilig!
Bei Thyssen-Krupp, einem der größten Arbeitgeber an Rhein und Ruhr, war in diesen Sommerferien alles anders. „Da haben so manche Urlaubsleitungen geklingelt“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Der Grund: Berthold Beitz war gestorben. Aus dem Urlaub musste dann aber niemand zurückkommen. „Die Beerdigung fand ja im engsten Familienkreis statt.“ „Der Urlaub wird bei uns respektiert“, sagt die Thyssen-Krupp-Sprecherin. Dafür sorge auch Vorstands-Chef Heinrich Hiesinger. Ab Abteilungs-Direktor aufwärts sei es allerdings üblich, dass man auch in Ferien ab und zu mal die Mails auf seinem Smartphone anschaue.
Maja Klingner, Rechtsschutz-Expertin beim DGB in Düsseldorf, kann sich nicht daran erinnern, dass es jemals einen Arbeitsgerichtsprozess wegen eines erzwungenen Urlaubsabbruchs gegeben habe. „Es kommt schon mal vor, dass ein Arbeitgeber die Urlaubsgenehmigung kurz vor dem Start in die Ferien zurücknimmt“, sagt sie. Aber wenn es zum Prozess kommt, verliere immer das Unternehmen.
Das Sankt-Bernhard-Hospital Kamp-Lintfort legt nach Auskunft seines Sprechers Jörg Verfürth größten Wert auf einen ausreichenden „Personal-Puffer“ für Notfälle. Erste Option in einer solchen Situation seien Überstunden, die zweite die Vertretung durch Ärzte anderer Fachbereiche oder benachbarter Krankenhäuser. „Erst wenn das nicht mehr reicht, gibt es die Möglichkeit, Ärzte aus dem Urlaub zurückzuholen“, sagt Verfürth. Dies sei für die Kollegen verpflichtend, müsse durch die Klinikleitung angeordnet werden und geschehe in Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung. Prämien seien dafür nicht vorgesehen, allerdings würden die anfallenden Kosten erstattet. „Und der Urlaub wird natürlich gutgeschrieben“, so Verfürth.
Bei der Polizei in NRW ist es noch nicht vorgekommen, dass Beamte aus dem Urlaub geholt werden mussten. Zumindest kann sich Wolfgang Beus, Sprecher des NRW-Innenministers, „nicht erinnern, dass es einen solchen Fall schon einmal gegeben hat“. Das Stichwort bei der Polizei lautet: Mindeststärke. „Wenn wir sehen, das wird dünne mit der Besetzung, dann kann es schon mal sein, dass wir dienstfrei sperren.“
In einem großen DAX-Konzern wie Evonik will man nicht grundsätzlich ausschließen, Mitarbeiter aus dem Urlaub holen zu wollen, aber nur, so die Auskunft der Pressestelle, „mit deren Einvernehmen, wenn dies aufgrund unvorhergesehener, wichtiger Ereignisse unumgänglich wäre“. Grundsätzlich sei das Unternehmen organisatorisch so aufgestellt, dass auch Engpässe überbrückt werden könnten. „Zum Beispiel durch bereichsübergreifenden Personalaustausch.“
Bei der Niag, mit einem Bus-Liniennetz von über 2500 Kilometern Länge der größte Anbieter im öffentlichen Personennahverkehr am Niederrhein, sieht man überhaupt keine Gefahr von personellen Engpässen. „Wenn es mal ganz eng würde, könnten wir jederzeit Hilfe von unseren Tochterunternehmen VSN und Look-Busreisen Kleve bekommen“, betont Sprecherin Heike Valentin.
Auch Bahnkonkurrenten verweisen auf genügend Personal-Reserven bei den Lokführern. Wobei die an Rhein und Ruhr vielfahrende Eurobahn in dieser Hinsicht gebranntes Kind ist; vor anderthalb Jahren gab es Zugausfälle in Serie, weil niemand für den Führerstand da war. „Wir haben mehr ausgebildet und fertige Lokführer eingestellt“, sagt eine Sprecherin. An jedem der zehn Standorte stehe inzwischen ein Reserve-Lokführer bereit.