Essen. Der doppelte Abi-Jahrgang wird für Gedränge an den Universitäten sorgen. Nicht jeder Studienwunsch wird sofort in Erfüllung gehen. Experten raten Schulabgängern, einen Plan B zu entwickeln. So können die Schulabgänger die Wartezeit sinnvoll nutzen.

Was ergibt G8 + G9? Zumindest in NRW dürfte das Ergebnis dieser Tage irgendwo bei 121 000 liegen. So viele Schüler machen hier in diesem Jahr ihr Abitur. Ein erheblicher Teil von ihnen möchte im Anschluss studieren – aber nicht jeder kann. Zumindest nicht sofort. Hohe NCs fordern häufig mehrere Wartesemester von angehenden Akademikern ein. Doch aus lästiger Warterei kann schnell ein Vorteil werden. Mit den richtigen Beschäftigungen wird das Wartesemester zum Karriere-Sprungbrett.

Warum warten?

Jedes Halbjahr, das nach der Erlangung der Hochschulreife verstreicht, gilt zunächst als Wartesemester. Je mehr ein angehender Student sammelt, desto höher sind seine Chancen, ein Studium aufnehmen zu können. Auch wenn der NC nicht ausreicht.

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Einziges Kriterium: „Man darf zu der Zeit an keiner deutschen Hochschule eingeschrieben sein“, sagt Sigrid von Elbwart, Beraterin für angehende Akademiker in der Arbeitsagentur Recklinghausen. Wer sich also in einen zulassungsfreien Studiengang einschreibt bis er sein Wunschstudium aufnehmen kann, wird sich diese Überbrückungszeit nicht anrechnen lassen können.

Ein Studium im Ausland hingegen gilt in der Regel genauso als Wartesemester wie eine Ausbildung oder Praktika. Vor einem weit verbreiteten Irrtum warnt die Beraterin: „Wer glaubt, dass jedes Wartesemester den NC aufbessert, liegt falsch.“ Bei 20 Prozent der Zulassungen müssten sich die deutschen Hochschulen ausschließlich nach der Anzahl der Wartesemester richten. Der NC käme dann höchstens in einem Remis zum Tragen, sonst nicht.

Was tun?

Regelmäßig sitzen ratlose Abiturienten in Sigrid von Elbwarts Büro, stellen immer dieselbe Frage: Und jetzt? „Dabei ist die Wartezeit eine gute Chance, seinen Lebenslauf aufzubessern und Lebenserfahrung zu sammeln“, sagt sie. Arbeitslos melden müsse sich keiner. Stattdessen solle nach sinnvollen und bestenfalls beruflich relevanten Beschäftigungen gesucht werden.

„Schüler sollten sich möglichst schon ein Jahr vor ihrem Abitur Gedanken über die Zeit danach machen.“ Wichtig sei ein Plan B, falls es nicht sofort mit dem Studium oder dem Ausbildungsplatz klappen sollte. Es gilt vor allem, Lücken im Lebenslauf zu vermeiden, denn die werden von Arbeitgebern nur ungern gesehen. „Wenn die Wartezeit hingegen sinnvoll genutzt wird, kann sie bei der Jobsuche später sogar hilfreich sein.“

Zusatzqualifikation

Besonders dann, wenn eine längere Überbrückungszeit droht, sollten Wartende eine Ausbildung in Erwägung ziehen. „Für angehende Mediziner etwa ist das sehr sinnvoll“, sagt auch Kerstin Lütge-Varney von der Stiftung für Hochschulzulassung in Dortmund. Die NCs für Humanmedizin liegen derzeit fast überall im oberen Einserbereich. Wer dieses Optimum nicht erreicht, kann sich durch eine Ausbildung zum Sanitäter oder zum Krankenpfleger zusätzlich qualifizieren und nebenbei seine Aufnahmechancen an den Hochschulen verbessern. Wirtschaftsinteressierte könnten hingegen eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich absolvieren.

In die Praxis schnuppern

Manchmal sind es auch nur zwei Wartesemester, die zwischen Abi und Wunschstudium liegen. Eine knapp dreijährige Ausbildung bietet sich in solchen Fällen nicht unbedingt an. Stattdessen ermöglichen aber Praktika einen Einblick in den Traumberuf und hübschen nebenbei den Lebenslauf auf.

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Von Sibylle Raudies

Die Zeit in der Praxis hilft zudem bei der Klärung der Frage: Ist mein Traumberuf das Richtige für mich? Auch das Kindergeld – für viele ein relevantes Thema – fließt bei unter 25-Jährigen dann in der Regel nach wie vor. „Bei Tätigkeiten, die für die Berufsbildung förderlich sind, wird das Kindergeld normalerweise weiter ausgezahlt“, so Sigrid von Elbwart.

Ab ins Ausland

„Immer mehr junge Menschen gehen für längere Zeit ins Ausland“, stellt die Arbeitsagentur-Mitarbeiterin fest. Als Au-pair, Entwicklungshelfer oder Praktikant sammeln sie jenseits der deutschen Grenzen wertvolle Erfahrungen.

„Das ist nicht nur für die Sprachkenntnisse gut, das beweist späteren Arbeitgebern auch Selbstständigkeit und Engagement“, sagt von Elbwart. Weltwärts, Kulturweit, der Europäische Freiwilligendienst – wer ins Ausland will, hat eine große Auswahl an Anbietern und Unterstützern. Auch hier gilt: Je früher sich die Schüler Gedanken machen, desto besser. „Bewerbungsfristen und finanzielle Fragen müssen sehr früh wahrgenommen und geklärt werden“, rät von Elbwart.

Freiwillige vor

Wer sich lieber in der Heimat im sozialen, ökologischen oder kulturellen Bereich engagieren möchte, findet auch hier zahlreiche Angebote. Neben dem klassischen FSJ, dem Freiwilligen Sozialen Jahr für 16- bis 27-Jährige, gibt es seit zwei Jahren auch den sogenannten „Bufdi“. Der Bundesfreiwilligendienst, der ehemalige Zivildienst, unterscheidet sich kaum vom Freiwilligen Sozialen Jahr, richtet sich allerdings an Männer und Frauen jeden Alters.

„Auch der Freiwilligendienst der Bundeswehr bietet jungen Menschen neben Erfahrungen lukrative Studiengänge und Ausbildungsmöglichkeiten an“, sagt Beraterin Sigrid von Elbwart.

Tipps und Infos

In jeder Arbeitsagentur gibt es Berater, die speziell für die Beratung der Abiturienten und Hochschüler ausgebildet sind.

Einen Beratungstermin kann man telefonisch oder online vereinbaren: 01801-555111 oder www.arbeitsagentur.de/Beratungswunsch.