Dresden. Der wegen Mordes an der Ägypterin Marwa El-Sherbini angeklagte Alex W. muss mit einer harten Strafe rechnen. Ein psychologisches Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der 28-Jährige in Vollbesitz seiner geistigen Käfte gehandelt habe. Das Urteil wird für kommenden Mittwoch erwartet.
Der mutmaßliche Mörder der in einem Gerichtssaal niedergestochenen Ägypterin Marwa El-Sherbini ist nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen voll schuldfähig. Das teilte Oberstaatsanwalt Frank Heinrich am Donnerstag im Anschluss an die nichtöffentliche Vernehmung des Gutachters Stephan Sutarski in dem Mordprozess am Dresdner Landgericht mit. Nebenklagevertreter Oliver Wallasch sagte, der Gutachter habe auch eine Affekttat ausgeschlossen und bei dem Angeklagten keinerlei Hinweise auf eine Geisteskrankheit festgestellt. „Er ist damit voll schuldfähig.“
Bereits in seinem vorläufigen Gutachten war der Gerichtspsychiater zu dem Schluss gekommen, dass beim Angeklagten Alex W. zum Tatzeitpunkt weder die Steuerungsfähigkeit noch die Einsichtsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Der 28-Jährige hatte dagegen am Vortag geltend gemacht, er habe sich zum Zeitpunkt der Attacke in einem Zustand von Panik und Angst befunden und könne sich nur noch bruchstückhaft an das Geschehen erinnern. Zugleich bestritt er, die Tat geplant und aus Fremdenhass gehandelt zu haben.
Öffentlichkeit ausgeschlossen
Nach Ansicht der Nebenklage ist dies eine Schutzbehauptung. Der Anklage zufolge war das Motiv der Tat bloßer Hass auf Nichteuropäer und Muslime. W. droht eine lebenslange Haftstrafe. Die 31-jährige schwangere Muslimin hatte am 1. Juli unmittelbar vor der Messerattacke in dem Beleidigungsprozess vor dem Dresdner Landgericht als Zeugin gegen den Russlanddeutschen ausgesagt, der sie zuvor auf einem Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft hatte.
Die Öffentlichkeit war während der mehr als fünfstündigen Vernehmung des Sachverständigen vom Prozess ausgeschlossen. Das Gericht gab damit einem entsprechenden Antrag der Verteidigung statt und begründete dies mit den „schutzwürdigen Interessen“ des Messerstechers. Es würden auch Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Angeklagten zur Sprache kommen, darunter auch Details aus seiner Intimsphäre und zu seinem geistigen Gesundheitszustand.
Keine Antwort aus Moskau
Unklar blieb, ob W. vor seiner Übersiedlung nach Deutschland womöglich wegen einer psychischen Erkrankung aus der russischen Armee ausgemustert worden war. Die Richterin verwies darauf, dass es dazu bislang keine gesicherten Erkenntnisse gebe, weil die russischen Behörden eine bereits vor Wochen gestellte Anfrage noch nicht beantwortet hätten. Verteidiger Michael Sturm sagte am Rande der Verhandlung, es gebe Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Nähere Angaben dazu machte er allerdings nicht.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Avenarius, betonte, selbst wenn beim Angeklagten vor zehn Jahren eine psychische Krankheit festgestellt worden sein sollte, lasse dies nicht den zwingenden Schluss zu, dass er zum Zeitpunkt des Verbrechens nicht voll schuldfähig gewesen sein könnte. Der Angeklagte stammt aus dem russischen Perm und war 2003 als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Zeugen beschrieben ihn als Einzelgänger und verbohrten Ausländerhasser.
Während der Angeklagte zu Beginn des Verhandlungstages sein Gesicht erneut hinter einer tiefgezogenen Kapuze verbarg, soll er diese nach dem Ausschluss der Zuschauer und Pressevertreter erstmals seit Prozessbeginn abgenommen haben. Der Prozess wird am kommenden Montag mit den Plädoyers fortgesetzt. Das Urteil soll am Mittwoch fallen. (ap)