Dresden. Die Familie der im Dresdener Landgericht getöteten Ägypterin Marwa El-Sherbini fordert Schmerzensgeld vom Freistaat Sachsen. Die Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal seien zum Zeitpunkt der Tat nicht ausreichend gewesen. Die Höhe der Forderungen ist noch offen.

Die Familie der in einem Gerichtssaal niedergestochenen Ägypterin Marwa El-Sherbini fordert vom Land Sachsen Schmerzensgeld. Nebenklagevertreter Oliver Wallasch sagte am Donnerstag in Dresden am Rande des Mordprozesses, es gebe entsprechende Gespräche mit dem sächsischen Justizministerium. Dabei gehe es um mögliche Ansprüche auf Entschädigung. Über die Höhe wurde noch nichts bekannt.

Hintergrund der Gespräche sei laut Wallasch, dass die wirtschaftliche und berufliche Existenz des Mannes der Ermordeten und ihres kleinen Sohnes beeinträchtigt worden sei. Dass eine staatliche Institution Tatort sei, mache die Sache besonders. Nähere Angaben zur Begründung der Entschädigungsforderung machte er nicht. Nach einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ begründet die Familie die Forderung mit Sicherheitslücken im Gericht zur Tatzeit. Die Vorkehrungen hätten nicht dem bundesweiten Standard entsprochen.

Wallasch vertritt in dem Punkt sowohl die Familie des Opfers als auch die des Witwers. Das sächsische Justizministerium bestätigte die Gespräche, wollte sich zum Verlauf und Inhalt aber nicht äußern.

Keine Anzeichen für Verbrechen

In dem Prozess angeklagt ist der 28-jährige Alex W. Nachdem er am Vortag im Gerichtssaal ausgerastet war, blieb er am Donnerstag ruhig und verfolgte den Prozess ohne äußere Regung. Ihm wird vorgeworfen, die schwangere Muslimin am 1. Juli aus Fremdenhass während einer Gerichtsverhandlung im Landgericht im Beisein ihres kleinen Sohnes getötet zu haben.

Damals gab es am Dresdner Landgericht wie an allen anderen sächsischen Gerichten keine Sicherheitskontrollen am Eingang. Üblicherweise wurden besondere Vorkehrungen nur in Einzelfällen bei Hinweisen auf eine mögliche Gefährdung angeordnet. Der damalige Vorsitzende Richter sagte bereits aus, dass nichts auf ein solches Verbrechen hingedeutet habe.

Familie leidet an Folgen der Tat

Die Familie stellte vor Beginn des Prozesses bereits Strafanzeige gegen den Richter und den Präsidenten des Landgerichts wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung und verwies auf Sicherheitslücken. Die Staatsanwaltschaft prüft dies. Wallasch sagte weiter, den Eltern der ermordeten Frau gehe es schlecht. Niemand könne ermessen, was diese Familie durchgemacht habe und durchmache. „Die Mutter möchte ihre Tochter zurückhaben.“

Am vierten Prozesstag wurde unter anderem eine Sozialarbeiterin als Zeugin vernommen, die W. in einem Wiedereingliederungskurs für Spätaussiedler betreute. Die 49-Jährige sagte aus, der Angeklagte sei ein Einzelgänger gewesen, der in einer eigenen Welt gelebt habe. Er war nach ihrer Schilderung diszipliniert, aber starrsinnig.

Die Zeugin beobachtete auch eine übersteigerte Betonung des Deutsch-Nationalen bei Alex W. Er habe sich selbst für den besten Deutschen in der Klasse gehalten und sich abfällig über Mitschüler geäußert. Auch sei er wegen antisemitischer Äußerungen aufgefallen.

Der im russischen Perm geborene Angeklagte war 2003 als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. In Dresden lebte er seither überwiegend von staatlicher Unterstützung, gelegentlich arbeitete er für eine Zeitarbeitsfirma. In dem Prozess machte er bislang weder Angaben zur Person noch zur Sache und hüllte sich auch am vierten Prozesstag in Schweigen. (ap)