Dresden/Essen. Der Prozess um die tödliche Messerattacke an der Ägypterin Marwa El-Sherbini steht möglicherweise vor einer Wende: Kurz vor der Urteilsverkündung muss das Gericht erneut in die Beweisaufnahme einsteigen. Es geht um die Frage, ob der Tatverdächtige voll schuldfähig ist.

Gefühle sind nicht zu erkennen. Weder bei der unerwarteten Wende am späten Nachmittag, noch bei den harten Beschuldigungen am Vormittag. Das Gesicht bleibt vermummt, unter einer Kapuze versteckt. Alex W. hört dem Plädoyer von Oberstaatsanwalt Frank Heinrich zu. „Eiskalt wie ein Killer” habe Alex W. am 1. Juli die Ägypterin Marwa El-Sherbini vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes „niedergemetzelt” und den Vater schwer verletzt. Im Prozess um die tödliche Messerattacke vor Gericht fordert Heinrich eine lebenslange Haft für den Angeklagten.

Zu dem Zeitpunkt geht das Gericht noch davon aus, dass am Mittwoch ein Urteil gegen Alex W. gesprochen werden kann. Am frühen Abend sind die Forderungen von Staatsanwaltschaft und Nebenklägern zunächst hinfällig.

„Wir hatten ein Rechtshilfegesuch an Russland geschickt”, erklärt der Vorsitzende Richter am Landgericht, Peter Kieß, auf Anfrage unserer Zeitung. Es geht um die Ausmusterung des aus dem russischen Perm stammenden Mannes. „Es besteht der Verdacht der Schizophrenie”, sagt Kieß.

Laut Schreiben aus Moskau sei W. im Juli 2000 für ein Jahr unter Beobachtung gestellt und für wehrdienstunfähig eingestuft worden. Darüber hinaus gebe es keine Akten mehr. Die russische Meldung soll bis heute übersetzt werden. Dann muss der Sachverständige, der dem 28-Jährigen arbeitslosen Spätaussiedler bisher volle Schuldfähigkeit attestiert hatte, sein Urteil überprüfen. „Bleibt er dabei, werden wir am Mittwoch das Urteil verkünden. Sollte er neue Untersuchungen für nötig halten, wird es terminlich eng”, erklärt Kieß.

Alex W. wird der Mord an der schwangeren Ägypterin und der versuchte Mord an ihrem 32-jährigem Ehemann sowie gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Er soll am 1. Juli im Dresdener Landgericht während einer Verhandlung „aus bloßem Hass auf Nichteuropäer und Moslems” auf das Paar eingestochen haben. Die Frau starb noch im Gerichtssaal, ihr Mann wurde schwer verletzt. In dem Verfahren war es um eine gegen W. verhängte Geldstrafe wegen Beleidigung gegangen.