Giglio. Taucher haben im Wrack der Costa Concordia eine weitere Leiche gefunden. Die Zahl der Toten steigt damit auf 12. Mehr als 100 Passagiere haben sich zu einer Sammelklage gegen den US-Mutterkonzern der US Concordia zusammengeschlossen.

Die Zahl der Toten des Schiffsunglücks vor der italienischen Küste ist auf zwölf gestiegen. Ein Sprecher der Bergungsmannschaften teilte mit, am Samstag sei die Leiche einer Frau im Wrack des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" entdeckt worden. Das 114.500 Tonnen schwere Schiff mit mehr als 4200 Menschen an Bord war am 13. Januar vor der toskanischen Insel Giglio auf einen Fels gelaufen und gekentert. 20 Menschen werden noch vermisst.

Der vom Dienst suspendierte und unter Hausarrest stehende Kapitän der "Costa Concordia" weist weiter alle Schuldvorwürfe zurück. Er habe die Reederei unverzüglich über die Havarie unterrichtet und die Auslösung des Alarms nicht verzögert, sagte Francesco Schettino bei seiner Vernehmung durch einen Untersuchungsrichter. Justizkreise bestätigten am Samstag die Authentizität von Zeitungsberichten mit ausführlichen Aussagen Schettinos. Dem Kapitän wird fahrlässige Tötung und Herbeiführung eines Schiffsunglücks zur Last gelegt. Außerdem soll er entgegen den Seefahrtsregeln den Havaristen verlassen haben, obwohl noch Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord waren.

Firmenchef greift Kapitän der Costa Concordia an

Sofort nachdem er das Ausmaß des Schadens erkannt habe, habe er den zuständigen Betriebsdirektor Roberto Ferrarini informiert, gab Schettino zu Protokoll. "Ich sagte ihm: 'Ich habe Mist gebaut.' Wir hatten Grundberührung. Ich sage Ihnen die Wahrheit." Er könne sich nicht daran erinnern, wie oft er in den folgenden 65 Minuten den Direktor angerufen und um den Einsatz von Schleppern und Hubschraubern gebeten habe.

Firmenchef Pier Luigi Foschi wirft dem Kapitän dagegen vor, zu spät ein Notsignal abgesetzt und die Reederei falsch informiert zu haben. "Ich persönlich glaube, er war nicht ehrlich mit uns", sagte Foschi in einem am Freitag veröffentlichten Interview des "Corriere della Sera". Das Unternehmen sei erst 20 Minuten nach der Havarie informiert worden. "Das war zu spät", fügte Foschi hinzu. Wäre die "Costa Concordia" früher evakuiert worden, hätte es nicht so viele Tote zu beklagen gegeben.

Costa Concordia könnte noch Monate vor Giglio liegen

Mehr als eine Woche nach der Havarie der "Costa Concordia" zeichnet sich immer deutlicher ab, dass sich das Drama rund um das gestrandete Kreuzfahrtschiff noch lange Zeit hinziehen könnte. Immer wieder musste die Suche nach Vermissten in den vergangenen Tagen wegen der instabilen Lage des Wracks unterbrochen werden. Mit dem Abpumpen des Treibstoffs aus den Tanks des Kreuzfahrtschiffes, das mindestens drei Wochen in Anspruch nehmen dürfte, konnte bislang nicht einmal begonnen werden – obwohl die Ausrüstung dafür seit Tagen bereit steht.

Bis das Schiff mit seinen 114.500 Registertonnen tatsächlich abtransportiert ist, könnte es noch monatelang vor Giglio liegen. Zumindest dann, wenn es nicht sinkt. Denn angesichts der wackligen Lage der "Costa Concordia" auf den Felsen vor der Hafeneinfahrt von Giglio befürchten Experten, dass das Schiff durch hohe Wellen auf dem stark abfallenden Meeresboden bis in eine Tiefe von über 30 Metern oder sogar noch weiter abrutschen könnte. Auch für den Fall, dass dabei die Tanks der "Costa Concordia" intakt bleiben sollten, würde das Abpumpen der knapp 2.400 Tonnen Diesel und Schweröl darin deutlich schwieriger werden.

Und das ist ohnehin schon kompliziert genug. In jeden der 17 Schweröltanks müssen Löcher gebohrt werden, aus denen der Treibstoff dann mit Schläuchen abgesaugt wird. Erst dann könnten die Experten der Bergungsfirma das riesige Schiff entweder wieder aufrichten oder in kleinere Teile zerlegen und abtransportieren.

Treibstoff rund um Schiffswrack gefunden

Dass bei all diesen Arbeiten die Unterwasserwelt rund um Giglio – und dem dort liegenden größten Meeresnationalpark Europas - ohne Schaden bleibt, gilt als immer unwahrscheinlicher. Der Chef des italienischen Zivilschutzes, Franco Gabrielli, erklärte am Samstag, dass die Umweltverschmutzung bereits eingetreten sei, weil Speiseöl, Spülmittel und andere giftige Substanzen, die auf dem Schiff waren, ins Wasser geraten sind.

Gleichzeitig bestätigte die italienische Küstenwache, dass rund um das Wrack Treibstoff im Wasser gefunden wurde. Dabei handle es sich wahrscheinlich um Diesel, der für die Motoren der Rettungsboote und als Schmiermittel für die Maschinen des Schiffs verwendet wird, sagte Küstenwachensprecher Cosimo Nicastro am Samstag. Die Tanks schienen aber nach wie vor intakt zu sein.

"Costa Concordia"-Tickets offenbar noch Tage nach Unglück erhältlich

Zwei Tage nach der Havarie der "Costa Concordia" vor Italien hat ein britischer Journalist im Internet nach eigenen Angaben noch eine Kreuzfahrt auf dem zerstörten Schiff buchen können. Wie Simon Calder von der Tageszeitung "The Independent" am Samstag dem Sender BBC sagte, kaufte er am vergangenen Sonntag auf der Seite des Betreibers Costa Cruises ein Ticket für eine Reise im April. Bereits am Montag habe er dieses mit der exakten Angabe seiner Kabinennummer auf der "Costa Concordia" zugeschickt bekommen. Zudem wurde demnach auch der Reisepreis von seinem Konto abgebucht.

Zum Buchungszeitpunkt sei auf der Internetseite kein Hinweis auf das Unglück vor der Insel Giglio zu finden gewesen, berichtete Calder. "Es ist unglaublich, dass ein Unternehmen so etwas machen kann."

Sammelklage von mehr als 100 Passagiere der Costa Concordia

Ein italienischer Verbraucherschutzverband plant wegen der Havarie des Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" eine Sammelklage gegen den US-Mutterkonzern der italienischen Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere. Codacons werde sich zwei US-Anwaltskanzleien anschließen und den Konzern Carnival auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 123.000 Euro pro Passagier verklagen, teilte der Verband am Samstag mit. An der Klage würden sich mehr als hundert Passagiere "aller Nationalitäten" beteiligen.

Die Sammelklage gegen den Betreiber Carnival werde Mitte kommender Woche am Firmensitz in Miami eingereicht, erklärte Codacons. Die Passagiere hätten unter Angst gelitten, ihr Urlaub sei ruiniert worden und sie seien ernsthaften Risiken ausgesetzt gewesen, begründete der Verband seine Forderungen. Codacons hatte jüngst bereits eine Sammelklage in Italien angekündigt. Diese muss noch von der Justiz zugelassen werden, was nach Angaben des stellvertretenden Codacons-Vorsitzenden Marco Ramadori einige Monate dauern könnte.