Giglio/Essen. . Vor dem Aufprall war eine junge Frau an der Seite des Kapitäns. Was hat das zu bedeuten? Die Rettungsarbeiten auf der “Costa Concordia“ werden derweil immer beschwerlicher.

Eigentlich ein farbenprächtiges Bild: Gelbe Bergungsschlepper und rote Feuerwehrboote schaukeln auf schier sommerblauem Meer. Aus allem heraus leuchtet das blendende Traumschiff-Weiß der „Concordia“, dem auch die Havarie nichts anhaben konnte. Am Rumpf hängen in vollendeter Nutzlosigkeit Rettungsinseln in Neon-Orange. Das also ist das „problema grosso“ des Commandante Francesco Schettino. So hat er es genannt, in einem ersten aufgefangenen Funkspruch kurz nach der Havarie, der jetzt öffentlich wurde. Er sagte das, lange bevor einer seiner Offiziere gegenüber der besorgten Küstenwache noch versicherte, man habe die Lage im Griff, wahrscheinlich bloß ein Stromausfall. . .

Einen leichtsinnigen Fehler habe er gemacht, hat der inzwischen suspendierte Kapitän zugegeben: als er der Insel Giglio so nahe kam, dass er einen alten Kollegen grüßen konnte. Jener Mario Palombo allerdings erklärt am Donnerstag, er sei ja gar nicht zu Hause gewesen, habe aber auf den Anruf von der „Concordia“ sogleich bestürzt reagiert: „Aber was tut ihr nur? Es ist doch Winter, niemand da!“

Rettung wird immer beschwerlicher

Und jetzt liegt sie da, fast 300 Meter lang, entgegengesetzt ihrer Fahrtrichtung, ein weißer Riegel dicht vor den sandbraunen Granitfelsen der Insel. Wäre sie nur eine Schiffslänge weiter geglitten, wäre sie an die Kaimauer gekippt. „Furchtbar, furchtbar, furchtbar“, murmelt Emilio Scotto, der 40 Jahre Matrose war auf den Weltmeeren, ein „Mann des Meeres“, wie so viele auf der Insel. „Madonna, hab’ ich mir gesagt, was will dieses Riesenschiff in unserem kleinen Hafen?“

Daneben liegen nun auch all die Rettungsschiffe. Nachdem ihre Besatzungen am Mittwoch tatenlos zusehen mussten, wie sich der Ozeanriese auf dem Meeresgrund bewegte, haben sie am Donnerstag wieder intensiv nach den noch immer über 20 Vermissten gesucht. Haben neue Löcher in die Bordwand gesprengt und drinnen die Kabinentüren mit Sprengstoff geöffnet. Die Taucher der Feuerwehr in ihren Neoprenanzügen, behängt mit Karabinern, Seilen und anderem Kletterzubehör, sehen aus wie Bergsteiger. „Die Arbeit wird immer härter“, sagt einer: „Das Wasser im Schiff ist mittlerweile braun wie Kaffee, da siehst du nichts mehr.“ An Land fürchten sie ja genau das: „Unser Trinkwasser“, sorgt sich Emilio Scotto, der 90-Jährige, „holen wir über Entsalzungsanlagen aus dem Meer.“ Auslaufendes Öl, „das wäre unser Ende“.

Rätselhafte Blondine verteidigt den Kapitän

An diesem Tag werden zwei weitere der fünf Leichen vom Dienstag identifiziert: Es sind zwei Franzosen, 69 und 70 Jahre alt. Zugleich wird der Name einer anderen Person bekannt, die allerdings höchst lebendig ist: Domnica Cemortan aus Moldawien. Sie soll die geheimnisvolle Blonde sein, die auf Fotos von der Brücke zu sehen ist, entstanden kurz vor dem Aufprall der „Concordia“ auf den Felsen. Sie steht auf den Bildern gleich neben dem Kapitän. Was tat sie dort und warum? Sie sei nicht als Passagierin registriert gewesen, erklärt der ermittelnde Staatsanwalt, die Reederei aber widerspricht: Cemortan sei als Mitglied der Besatzung an Bord gekommen, habe am Unglückstag ordnungsgemäß eingecheckt. In der Tat war die 25-Jährige auf anderen Schiffen als Tänzerin engagiert.

Selbst erklärt sie in einem Fernseh-Interview, sie habe zur Unglückszeit zu Abend gegessen, sei erst später auf die Kommandobrücke geholt worden, um dort die Anweisungen für die russischen Passagiere zu übersetzen. „Ich habe das Schiff um kurz vor Mitternacht verlassen, da war der Kapitän noch auf der Brücke.“ Die Besatzung sei der Meinung, der Chef habe „mehr als 3000 Menschen gerettet“.

Auf der Insel aber sind sie wütend auf Schettino. „Absoluter Wahnsinn“ sei die Route gewesen. „Vor allem war es absolut untragbar, das Schiff vor den Passagieren zu verlassen“, wettert Giovanni und holt die Zeitung unter seinem Arm hervor: „Jetzt hat er auch noch erzählt, er sei gar nicht freiwillig ins Rettungsboot gestiegen, das Schiff habe so schief gelegen, dass er reingefallen sei! Hat sie der noch alle?“ Von Schettino selbst, der in seinem Heimatdorf Meta di Sorrento in Hausarrest sitzt, ist zu hören, er sei entschlossen, nicht aufzugeben: Er werde beweisen, ließen Angehörige wissen, dass er „ein Kapitän durch und durch“ sei, „auch in menschlicher Hinsicht“.

Havarierte "Costa Concordia"

Das Kreuzfahrtschiff
Das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" war Freitagnacht vor der toskanischen Küste auf einen Felsen gelaufen und gekentert. An Bord waren rund 4200 Menschen, darunter 566 Deutsche. Gegen den Kapitän der "Costa Concordia", Schettino, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen. Das Foto zeigt das Schiff, wie es in Reise-Prospekten zu sehen war. Denn seit Freitag... © AP
...liegt das havarierte Schiff vor der Insel Giglio an der West-Küste Italiens. Das Unglück geschah am Freitag,...
...liegt das havarierte Schiff vor der Insel Giglio an der West-Küste Italiens. Das Unglück geschah am Freitag,... © AP
...dem 13. Januar während...
...dem 13. Januar während... © AP
...des Abendessens an Bord.
...des Abendessens an Bord. © REUTERS
Ein 70 Meter langer Riss ist zu sehen. Das Schiff war offenbar zu nah an die Küste gesteuert worden. Ein Felsen hatte den Rumpf aufgeschlitzt. Binnen Minuten geriet der Luxuslinier in Schlagseite. Ein Stück des Felsens...
Ein 70 Meter langer Riss ist zu sehen. Das Schiff war offenbar zu nah an die Küste gesteuert worden. Ein Felsen hatte den Rumpf aufgeschlitzt. Binnen Minuten geriet der Luxuslinier in Schlagseite. Ein Stück des Felsens... © AFP
...den das Schiff gerammt hatte, steckt fest. Unwirklich sieht die Bucht..
...den das Schiff gerammt hatte, steckt fest. Unwirklich sieht die Bucht.. © REUTERS
...von oben aus. Das Schiff liegt...
...von oben aus. Das Schiff liegt... © AFP
...seitlich im Wasser. Der Kapitän des Schiffes,...
...seitlich im Wasser. Der Kapitän des Schiffes,... © AFP
...Francesco Schettino wurde am Samstag festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schettino wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen. Die Reederei Costa hatte...
...Francesco Schettino wurde am Samstag festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schettino wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen. Die Reederei Costa hatte... © REUTERS
...Kapitän Schettino am Sonntagabend
...Kapitän Schettino am Sonntagabend "Fehlentscheidungen" vorgeworfen und erklärt,... © REUTERS
...die Route des Schiffs habe offenbar zu nah an der Küste vorbei geführt.
...die Route des Schiffs habe offenbar zu nah an der Küste vorbei geführt. © REUTERS
Per Helikopter wurden Passagiere, aber auch Rettungskräfte in Sicherheit gebracht.
Per Helikopter wurden Passagiere, aber auch Rettungskräfte in Sicherheit gebracht. © AFP
Wegen heftigen Wellengangs wurde die Suche...
Wegen heftigen Wellengangs wurde die Suche... © AP
...zunächst abgebrochen.
...zunächst abgebrochen. © REUTERS
Am Montagmorgen...
Am Montagmorgen... © AFP
...haben die Bergungsmannschaften die Suche nach den noch...
...haben die Bergungsmannschaften die Suche nach den noch... © AFP
...vermissten 21 Passagieren und Besatzungsmitgliedern...
...vermissten 21 Passagieren und Besatzungsmitgliedern... © AFP
...des Kreuzfahrtschiffs
...des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" fortgesetzt. © AFP
Taucher machten sich auf die Suche nach den noch immer Vermissten.
Taucher machten sich auf die Suche nach den noch immer Vermissten. © AFP
In der Nacht zu Sonntag konnte ein Hochzeitspaar aus seiner Kabine befreit werden. Die Süd-Koreaner...
In der Nacht zu Sonntag konnte ein Hochzeitspaar aus seiner Kabine befreit werden. Die Süd-Koreaner... © AP
...wurden über 24 Stunden nach dem Unglück gerettet.
...wurden über 24 Stunden nach dem Unglück gerettet. © REUTERS
Auch am Sonntag läuft die Suche nach Vermissten auf Hochtouren.
Auch am Sonntag läuft die Suche nach Vermissten auf Hochtouren. © AFP
In der Kirche des Küsten-Dorfes wurde ein Gottesdient abgehalten. Die meisten Überlebenden des Unglücks..
In der Kirche des Küsten-Dorfes wurde ein Gottesdient abgehalten. Die meisten Überlebenden des Unglücks.. © AFP
...sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Doch die Lage...
...sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Doch die Lage... © AFP
...in Italien ist immer noch kritisch. Der Tank des Schiffes droht auszulaufen.
...in Italien ist immer noch kritisch. Der Tank des Schiffes droht auszulaufen. © AP
Mittlerweile haben die italienischen...
Mittlerweile haben die italienischen... © AFP
...Behörden eine Liste...
...Behörden eine Liste... © Getty Images
...mit den namen, der och immer vermissten Passagiere und Crew-Mitglieder...
...mit den namen, der och immer vermissten Passagiere und Crew-Mitglieder... © REUTERS
...veröffentlicht. Taucher suchen, soweit es die Witterung zulässt, noch immer...
...veröffentlicht. Taucher suchen, soweit es die Witterung zulässt, noch immer... © AFP
...nach den Vermissten.
...nach den Vermissten. © REUTERS
Employees of a wreck removal and salvage operations company take a coffee on January 19, 2012 before working on the cruise liner Costa Concordia aground in front of the harbour of the Isola del Giglio (Giglio island) after hitting underwater rocks on January 13. Italian rescuers resumed their search on board a crashed cruise ship the same day, as salvage workers prepared to pump out fuel from its tanks to avoid an environmental disaster.  AFP PHOTO / VINCENZO PINTO
Employees of a wreck removal and salvage operations company take a coffee on January 19, 2012 before working on the cruise liner Costa Concordia aground in front of the harbour of the Isola del Giglio (Giglio island) after hitting underwater rocks on January 13. Italian rescuers resumed their search on board a crashed cruise ship the same day, as salvage workers prepared to pump out fuel from its tanks to avoid an environmental disaster. AFP PHOTO / VINCENZO PINTO © AFP
Members of the Carabinieri in a boat travel past the Costa Concordia cruise ship which ran aground off the west coast of Italy at Giglio island January 19, 2012. No deadline has been set for ending the search for missing people on the wreck of the Italian cruise liner that capsized off the Tuscan island, the chief spokesman of the firefighters said on Thursday.  REUTERS/Paul Hanna  (ITALY - Tags: DISASTER TRANSPORT)
Members of the Carabinieri in a boat travel past the Costa Concordia cruise ship which ran aground off the west coast of Italy at Giglio island January 19, 2012. No deadline has been set for ending the search for missing people on the wreck of the Italian cruise liner that capsized off the Tuscan island, the chief spokesman of the firefighters said on Thursday. REUTERS/Paul Hanna (ITALY - Tags: DISASTER TRANSPORT) © REUTERS
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