Dresden. Die Mordattacke im Dresdner Landgericht kam für alle Augenzeugen überraschend. Der 28-jährige Angeklagte habe unerwartet auf sein 31-jähriges Opfer aus Ägypten eingestochen. Der Witwer hat den damaligen Richter und Gerichtspräsídenten wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt.

Die tödliche Messerattacke auf eine Ägypterin im Landgericht Dresden vor vier Monaten kam Zeugenaussagen zufolge vollkommen überraschend. Der Richter der damaligen Verhandlung, Tom Maciejewski, beschrieb den Angeklagten 28-Jährigen als redegewandt und ruhig.

Mit dem Angriff habe er "überhaupt nicht gerechnet". Die ebenfalls am Dienstag als Zeugin geladene Staatsanwältin des Verfahrens sagte, Alex W. habe zwar mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit seine rassistischen Ansichten geäußert, aber es habe nichts für einen körperlichen Übergriff gesprochen. Bis dahin habe er sich straffrei geführt.

Alex W. steht seit Montag wegen Mordes an der 31-jährigen Marwa El-Sherbini und versuchten Mordes an ihrem 32-jährigen Ehemann vor Gericht. Die Tat ereignete sich während einer Berufungsverhandlung, in der es um eine gegen den Spätaussiedler verhängte Geldstrafe wegen Beleidigung ging. Er hatte die Ägypterin auf einem Dresdner Spielplatz unter anderem als "Islamistin" und "Terroristin" beschimpft.

Angeklagter sei nicht verwirrt gewesen

Maciejewski gab an, der 28-Jährige sei ihm nicht verwirrt vorgekommen und habe sich in der Verhandlung am 1. Juli zunächst nicht auffällig, sondern ruhig und sachlich verhalten. Zudem habe er den Eindruck gehabt, dass Alex W. "konzentriert, zielstrebig und geplant" vorgegangen sei. Im aktuellen Mordprozess verweigert Alex W. bislang jegliche Aussage.

In dem Verfahren am 1. Juli soll Alex W. gesagt haben, dass er Menschen nach europäischen und nichteuropäischen Rassen unterscheide und Letztere kein Recht hätten, in Deutschland zu leben. Er habe die rechtsextreme NPD gewählt und bedauerte, dass sie nicht in der Regierung sei. Auf die Frage, warum er die Ägypterin beschimpft habe, soll er gesagt haben: "Ich finde es nicht in Ordnung, dass diese Monster nach dem 11. September nicht rausgeschmissen wurden."

Nach ihrer Zeugenvernehmung habe Marwa El-Sherbini gesagt, dass der Islam eine friedliche Religion sei und sie überhaupt nicht verstehe, warum Alex W. auf dem Spielplatz so reagiert habe. Als die Familie den Saal verlassen wollte, sei dann "alles rasend schnell gegangen." Maciejewski sagte, er habe "dumpfe Schläge" gehört und gedacht, Alex W. schlage mit der Faust auf die Frau ein. Erst als er auf den Angeklagten zugelaufen sei, habe er das Messer gesehen und sei dann zurück, um den Notrufknopf zu drücken.

Der Witwer hat inzwischen auch Anzeige gegen den Richter sowie den Gerichtspräsidenten wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung gestellt. Auch gegen den Polizisten, der irrtümlich auf den Ägypter statt auf den Messerstecher schoss, wird noch ermittelt. Maciejewski sagte, es habe "keine Anhaltspunkte" für notwendige Sicherungsmaßnahmen gegeben. "Sonst hätte ich zumindest einen Wachtmeister in den Saal gesetzt," erklärte der damalige Richter.

Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt

Die Staatsanwältin beschrieb das Verhalten des Angeklagten als "uneinsichtig und teilweise patzig". Sie habe aber den Eindruck gehabt, dass er "absolut Herr seiner Sinne" gewesen sei. Seine rassistischen Äußerungen habe er im Plauderton vorgetragen. Bei der Messerattacke habe sie kein Zögern bei Alex W. bemerkt, er habe auch noch auf die Frau eingestochen, als sie bereits am Boden lag. Nach ihrer Aussage soll der Verteidiger mehrere Stühle nach seinem Mandanten geworfen haben, die ihn jedoch nicht abbringen konnten.

Nach einem rechtsmedizinischen Gutachten ist Marwa El-Sherbini infolge der zahlreichen Stichverletzungen innerhalb weniger Minuten verblutet. Die Ägypterin hatte 16 Messerstiche erlitten, die meisten davon in den Rücken, ein Stich traf das Herz. Ihr Mann war auch mit mehr als einem Dutzend Messerstichen von Alex W. attackiert und lebensgefährlich verletzt worden. Das Kind der beiden hatte die Tat im Gerichtssaal mit ansehen müssen. Der Prozess wird am Mittwoch mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt. (ddp)