Dresden. Sicherheit stand zum Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Mörder der Ägyptin Marwa El-Shebini in Dresden an erster Stelle. Die Furcht vor Vergeltungsaktionen war groß. Trotz der Emotionen, die die Tat ausgelöst hat, blieb der Publikumsandrang überschaubar.
"Deutschlands gefährlichster Prozess" - so die verbreitete Medieneinschätzung zum Verfahren um die tödliche Messerattacke auf die Ägypterin Marwa El-Sherbini - beginnt am Montag in Dresden weitgehend ohne Publikumsandrang. Überwiegend Polizei und Presse finden sich vor dem streng gesicherten Gerichtsgebäude ein, das gleichzeitig Schauplatz des Verbrechens war und des nun beginnenden Prozesses ist. Doch Demonstranten, Unterstützer der geschädigten Familie oder Schaulustige, mit denen gerechnet worden war, sind entlang der Absperrungen kaum anzutreffen.
Von einer "hohen Gefährdung" war das Landeskriminalamt Sachsen ausgegangen, insbesondere weil die Tat im Landgericht auch im Ausland für großes Aufsehen und Proteste gesorgt hatte. Im Internet kursiert bereits seit Monaten ein Mordaufruf gegen den Angeklagten, wie am Wochenende bekannt wurde. Rund 200 Polizisten sichern deshalb innen und außen das Gebäude ab. Alle anderen Gerichtsverfahren wurden verlegt. Auch Stunden nach Prozessbeginn blieb es laut Polizei jedoch "vollkommen ruhig".
"Ich habe damit gerechnet, dass mehr kommen"
Wegen der strengen Sicherheitskontrollen beginnt der Prozess mit einer halbstündigen Verzögerung. Jeder Besucher muss bei der Sicherheitskontrolle seine Schuhe ausziehen und Gegenstände wie Ringe und Ketten ablegen. Die Integrität der sächsischen Justiz stehe auf dem Spiel, sagt der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, vor Prozessbeginn. Und fügt mit Blick auf die massiven Sicherheitsvorkehrungen hinzu: "Ich wünschte, dass einer der vielen Polizisten damals dabei gewesen wäre, dann würde Marwa wahrscheinlich noch leben."
Zu den wenigen Freunden der Familie El-Sherbini, die vor dem Gerichtsgebäude ausharren, gehört Samy, ein Ägypter, der wie der Ehemann des Opfers in Dresden promoviert. Er ist wegen der Besucherbeschränkungen als Zuschauer nicht eingelassen worden. "Ich stehe hier draußen, um die Familie zu unterstützen", sagt er. Er fühle sich an diesem Tag sehr traurig: "Ich habe damit gerechnet, dass mehr Ägypter, Araber oder Muslime kommen, die ihre Solidarität mit der Familie zeigen."
Beziehungen zu Ägypten belastet
Auch der Korrespondent des arabischen Senders Al-Arabiya, Ella Anis, wundert sich über die fehlende Anwesenheit seiner Landsleute. Die ägyptische Öffentlichkeit sei eigentlich sehr daran interessiert, dass der Täter "richtig bestraft" werde. "Man hat in den arabischen Ländern der Tat eine religiöse Dimension gegeben. Marwa ist getötet worden, weil sie einen Schleier getragen hat", erläutert er. Die Tat habe die Beziehungen zwischen Deutschland und Ägypten belastet. "Die Menschen in Ägypten haben schon Vertrauen in die deutsche Justiz. Doch haben wir Angst, dass ein Psychiater irgendein Gutachten erstellt und der Täter freikommt", betont er.
Eine Anwohnerin sagt dagegen, dass sie die ganze internationale Aufregung nicht verstehe. "Das war doch nur ein Einzeltäter. In Ägypten hat es ja auch Anschläge gegeben, bei denen Ausländer getötet wurden", fügt sie irritiert hinzu. Dass nun auch die Sächsische Staatskapelle Dresden nicht in Ägypten auftreten könne, halte sie für einen Skandal. Zwei Gastkonzerte am 31. Oktober in Alexandria und am 2. November in Kairo waren nach Angaben des Orchesters auf Wunsch der ägyptischen Seite abgesagt worden. (ddp)