Witten/Bochum. Nach Vorwürfen von zwei Reiterinnen droht einem Wittener Reitlehrer Gefängnis. Worte des Bedauerns hat der 64-Jährige nur für sich gefunden.

Im Vergewaltigungsprozess gegen einen Reitlehrer (64) aus Witten hat die Staatsanwaltschaft am Bochumer Landgericht viereinhalb Jahre Haft beantragt. Die Anwältinnen der zwei Reiterinnen, die vor Gericht zuletzt eine Vielzahl von sexuellen Übergriffen durch den Stallbetreiber geschildert hatten, forderten darüber hinaus Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Die Anklägerin warf dem Reitlehrer in ihrem Schlussvortrag am Freitag (14. Februar) eine „immense Ausnutzung“ seiner Machtposition und seines Vertrauensverhältnisses zu den jungen Reiterinnen (heute 18 und 24) aus Bochum vor. Der 64-Jährige habe den Mädchen zunächst Privilegien wie das Anreiten von Jungpferden zukommen lassen.

Wittener Reitlehrer forderte Gegenleistungen

Später habe er dafür quasi als „Gegenleistungen“ Schülerinnen Klapse auf den Po gegeben oder an intime Stellen gefasst. Oft geschah das nach Auffassung der Anklage auch auf Autofahrten. Der jüngeren Reiterin habe er, so die Staatsanwältin, in einer Art Macho-Manier sogar einmal gesagt, sie müsse jetzt mal endlich einen Mann an sich ranlassen - sonst übernehme er das.

„Beide Mädchen haben die Manipulationsspirale, in der sich befanden, gar nicht erkannt. Sie wollten wegen der Pferde auf Biegen und Brechen im Stall bleiben“, ist sich die Staatsanwältin sicher. Zu stark sei der emotionale Druck auf die Teenager gewesen, zu groß ihre Sorge, bei Preisgabe der missbräuchlichen Übergriffe nicht mehr ihr geliebtes Hobby ausüben zu können. Dass die beiden Reiterinnen im Prozess nicht die Wahrheit gesagt haben könnten, dafür gebe es „überhaupt keinen Grund“, so die Anklägerin.

Prozessauftakt wegen schwerem sexueller Missbrauch von Kindern
Der Prozess gegen den Reitlehrer findet seit dem 6. Januar vor der Neunten Strafkammer am Bochumer Landgericht statt. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Nebenklage-Anwältin Gesine Ickert unterstellte dem Reitlehrer sogar kriminelles „Grooming“. Sie erklärte dann auch sofort, dass das englische Schlagwort für Fälle stehe, bei denen mögliche Missbrauchsopfer erst umschmeichelt oder mit Geschenken verwöhnt werden, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen.

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„Auch hier ist das exakt nach diesem Muster und ganz gezielt so gelaufen, um die Übergriffe vorzubereiten“, so die Dortmunder Anwältin. „Der Angeklagte wusste, dass die Mädchen für das Reiten alles gegeben hätten, weil das ihr Leben war.“ Gesine Ickert lobte die beiden Reiterinnen als echte „Vorbilder“. Sie hätten sich getraut, die Belästigungen und Übergriffe öffentlich zu machen. Um Grenzen früher ziehen zu können, brauche es dringend eine öffentliche Sensibilisierung des Themas Missbrauchs.

Witten: Reitlehrer soll insgesamt mindestens 22.000 Euro Schmerzensgeld zahlen

Geht es nach der Staatsanwaltschaft, dann sind mindestens zwei Übergriffe rechtlich als Vergewaltigung zu bewerten. Weil sich eines der Mädchen in einigen Anklagepunkten nicht mehr genau festlegen konnte, müsse in diesen Fällen ein Teilfreispruch erfolgen. Die Anwältinnen der mutmaßlichen Opfer forderten, den Beschuldigten mit Blick auf erlittene Traumatisierungen bei den Nebenklägerinnen (Angstträume, Depressionen, Schlafstörungen, Flashbacks) obendrein zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von insgesamt 22.000 Euro zu verurteilen. Auch für heute noch nicht absehbare Folgeschäden solle der Reitlehrer grundsätzlich aufkommen.

Der Angeklagte selbst ließ die Plädoyers kopfschüttelnd über sich ergehen. Seine Verteidigerin beantragte Freispruch. „Mein Mandant bleibt dabei, dass er sich nichts vorzuwerfen hat.“ In dem ihm zustehenden letzten Wort beteuerte der Wittener Reitlehrer: „Ich habe keinen Druck aufgebaut, habe nie irgendwelche Hintergedanken gehabt. Das war immer ein Geben und Nehmen auf dem Hof.“ Um ganz zum Schluss dann mit zynischem und ernüchterndem Unterton nachzuschieben: „Aber scheinbar ist das ja alles falsch gewesen.“ Das Urteil wird am 18. Februar verkündet.

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