Witten/Bochum. Im Prozess gegen einen Reitlehrer aus Witten kommen immer mehr Enthüllungen ans Tageslicht. Eine 18-Jährige belastet den Angeklagten noch mehr.

  • Beim Prozess um Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen einen Reitlehrer aus Witten kommen immer mehr Enthüllungen ans Tageslicht.
  • Eine 18-Jährige berichtet nun von Autofahren mit dem Lehrer.
  • Neben intimen Fragen habe er sie auch immer wieder angefasst.

Neuer Prozesstag, neue Enthüllungen: Auch die zweite Belastungszeugin der Anklage, eine 18-Jährige aus Bochum, hat am Bochumer Landgericht jahrelange Missbrauchs-Übergriffe, Schmeicheleien und intime Befragungen durch einen Stallbetreiber und Reitlehrer (64) aus Witten geschildert.

Etwa ab dem Sommer 2021 hätten sich auf dem Reiterhof in Witten sexuelle Belästigungen und Übergriffe durch den Betreiber gehäuft, erinnerte sich die Teenagerin am inzwischen vierten Prozesstag. Zum ersten Mal sei ihr der Reitlehrer im Alter von 14 oder 15 Jahren bei einer Autofahrt zu einem Reitturnier zu nahe gekommen. Der 64-Jährige habe am Steuer, sie danebengesessen. „Erst hat er die Hand auf meinen Oberschenkel gelegt, dann ist er immer höher gewandert bis in mein Oberteil“, so die heute 18-Jährige. „Ich war wie in einer Schockstarre.“

Witten: Reiterin wollte nicht mehr alleine mit dem Angeklagten im Auto sitzen

Von da an seien fast alle gemeinsamen Autofahrten mit dem Reitlehrer für sie zur echten Qual, Übergriffe fast Standard geworden. Mehrfach habe sie sich auch extrem unangenehmen Befragungen durch den Reitlehrer ausgesetzt gesehen. „Er wollte wissen, wie weit ich schon mit Jungs bin, was ich für Unterwäsche trage oder ob ich mich rasiere“, so die Zeugin.

Und was war ihre Reaktion? „Ich habe immer versucht, ganz kurz und knapp zu antworten in der Hoffnung, dass wir ganz schnell ein anderes Gesprächsthema finden“, erklärte die Reiterin. Im Vorfeld von anderen Turnierfahrten habe sie ihre Freundinnen am Stall geradezu „angefleht, dass sie doch beim nächsten Mal mit uns im Auto mitfahren sollen“. Ein- bis zweimal sei ihr Wunsch erfüllt worden. „Auf den Fahrten war dann absolute Stille.“

Justiz
Das Gericht hatte dem Wittener Reitlehrer nach ersten Zeugenvernehmungen bereits signalisiert, dass abweichend von der Anklage womöglich auch ein zweiter Übergriff als Vergewaltigung bewertet werden könnte.  © DPA Images | Monika Skolimowska

Alles in allem seien die Übergriffe durch den Wittener Reitlehrer mit der Zeit bedrängender geworden. „Vor allem auf der Autobahn, wenn er nicht schalten musste, dauerte es gefühlt ewig“, so die Reiterin. Immer wieder habe sie der Stallbetreiber auch wegen ihrer Oberweite umschmeichelt („Du hast so schöne volle Brüste“).

An den letzten erlittenen Übergriff etwa eine Woche vor ihrer Strafanzeige im April 2024 konnte sich die Reiterin ebenfalls noch gut erinnern. Die 18-Jährige: „Es war ein guter Turniertag. Auf der Rückfahrt sind wir ins Auto gestiegen, haben erst normal gesprochen. Dann kamen intime Fragen. Dann Berührungen an den Armen und im Schritt.“

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Als sie den Reitstall wenige Tage später endgültig verlassen habe, seien Angehörige des Angeklagten „geschockt“ und „kreidebleich“ über die durch ihre Mutter offenbarten Beweggründe gewesen. Der Reitlehrer selbst, so die Zeugin, sei ihr noch hinterhergelaufen, habe ihr noch zustehendes Restgeld in die Hand gedrückt und mit verbittertem Unterton gesagt: „Nicht, dass nachher auch noch behauptet wird, dass ich dich abgezockt habe.“

Wittener Reitlehrer bestreitet die Vorwürfe

Mit einer Studentin aus Bochum hatte zuletzt bereits eine andere Ex-Reiterin den angeklagten Reitlehrer schwer belastet. Laut Staatsanwaltschaft hatte der Wittener Reitlehrer beiden Reiterinnen im Laufe der Jahre mehrfach deutlich zu erkennen gegeben, dass ihnen umso mehr Privilegien „wie das Anreiten der Jungpferde“ zugutekommen, je mehr sie sich von ihm anfassen lassen.

Insgesamt soll es zu mindestens 23 sexuellen Belästigungen und Übergriffen auf die zwei mutmaßlichen Opfer im Zeitraum von 2017 bis 2024 gekommen sein. Das Gericht hatte zuletzt bereits durchblicken lassen, dass zwei der geschilderten Übergriffe als Vergewaltigung (Mindeststrafe pro Fall: zwei Jahre Haft) gewertet werden könnten. Der Reitlehrer bestreitet die Vorwürfe. Das Urteil wird für den 14. Februar erwartet.

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