Witten. Schnäppchenjäger lieben ihn, den „Black Friday“. Händler sehen ihn mit gemischten Gefühlen. Wie läuft die Rabattschlacht in Wittens Innenstadt?

Kaufrausch durch Rabatte: Das ist das Prinzip des Black Friday. Das US-Original wurde vor gut zehn Jahren nach Deutschland importiert. Wittens City-Händler sehen den Marketing-Event mit gemischten Gefühlen. Wie viel war am Freitag in der Innenstadt los?

Schallplatten-Händler Andreas „Ande“ Meggers ist am Vormittag guter Dinge. Sein „Plattenbau“ an der Nordstraße hat noch nicht geöffnet. Doch er weiß, dass später mehr Vinyl-Jünger als sonst in seinen Laden strömen werden. Die Musikbranche nutzt den Black Friday auf ihre Weise. Sie stützt den stationären Handel, indem sie Alben von Künstlern wie U2 oder Phil Collins auf den Markt wirft, die erst deutlich später online zu haben sind. Bei Meggers klingelt die Kasse. Das ist sicher. LP-Fans haben schon vorbestellt. „Der Dezember ist der beste Monat.“

Gianna Gesenberg belohnt treue Kunden mit Aktion

Nicht nur Vinyl kommt wieder in Mode – auch die neuesten Textiltrends gelten als schöne Bescherung. Das weiß Gianna Gesenberg von Keudel Fashion an der Bahnhofstraße. Für sie ist der Black Friday mit einer Newsletter-Aktion für die treue Kundschaft verbunden. Am Freitag winkt eine kleine Belohnung, am späten Nachmittag gar verbunden mit selbstgemachtem Punsch. Schon mittags ist der Laden voll. „Bei uns“, meint Gianna Gesenberg augenzwinkernd, „brennt der Baum.“

Gute Seiten, schlechte Seiten

Die IHK Mittleres Ruhrgebiet sieht den Black Friday im Einzelhandel differenziert.

Vorteile: Aktionen wie der Black Friday können helfen, neue (oder auch Bestands-)Kundschaft anzuziehen, die sonst vielleicht nicht kaufen würden. Der Tag kann mit einem Umsatzplus verbunden sein.

Zudem kann der Handel von der hohen medialen Aufmerksamkeit profitieren - etwa durch Marketingeffekte.

Der Black Friday kann ein Anlass für Unternehmen sein, die Läger zu räumen.

Nachteile: Nicht zu verschweigen ist der hohe Preisdruck. Für den Handel schrumpft die Marge durch Rabatte.

Kleine Anbieter sind gegen große Online-Plattformen oft machtlos. Es besteht zudem die Gefahr, dass Umsätze nicht gesteigert, sondern nur verschoben werden. 

Ob Aktionstage zu nachhaltigem Konsum anregen, ist zweifelhaft. 

Das rät die IHK: Der stationäre Handel sei gut beraten zu prüfen, ob Aktionszeiträume wie Black Friday oder Black Week sinnvoll seien. Und:
„Rabatte ,auf alles‘ sind nicht empfehlenswert, sondern eher eine gezielte Auswahl aus dem Produktportfolio. Auch sollten sich Händler gezielt fragen, welche Strategie sie fahren möchten, damit durch den Black Friday nicht nur kurzfristige Effekte erzielt werden.“ 

Angelika Bilow Hafer ist am Black Friday bei einer ganztägigen Schulung. Dennoch meldet sich die Chefin der Genussgalerie Hafer und des Kindermodengeschäfts „Zwergenzeit“ am Berliner Platz per Mail zu Wort. Für Schleckermäuler sei der Black Friday „wirklich kein Thema“. Bisher habe niemand nach rabattierter Ware gefragt. Anders sei es bei Kindermode. Die Chefin der Standortgemeinschaft Witten will die Rabattschlacht zwar nicht aktiv befeuern, „aber unseren Kundinnen und Kunden doch auch etwas Gutes tun“. Am Wochenende gibt es 20 Prozent auf besonders gekennzeichnete Kinderbekleidung.

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Andreas „Ande“ Meggers präsentiert zwei Vinylscheiben, die es zum Black Friday vorerst nur im Einzelhandel gibt.
Andreas „Ande“ Meggers präsentiert zwei Vinylscheiben, die es zum Black Friday vorerst nur im Einzelhandel gibt. © Ande Meggers | Ande Meggers

Lucas Bauer bedient mit seinem Geschäft „ettics/Füllbar“ an der Ruhrstraße eine Marktnische: ein Publikum, das für fair gehandelte Ware einen Aufschlag zahlt. Er nutzt das erste Adventswochenende für den Abverkauf modischer Einzelstücke: „Hier winken 20 Prozent Rabatt auf ausgewählte Produkte.“

Nicht alle angefragten Händler mochten sich auf Anfrage äußern. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in der Branche, der Schlussvorverkauf solle nicht vor, sondern, wie früher, erst nach dem Weihnachtsgeschäft erfolgen.

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Thorsten „Ebi“ Ebenfeld aus Witten verkauft weniger Neuware. Dafür brummt der Service (Archiv).
Thorsten „Ebi“ Ebenfeld aus Witten verkauft weniger Neuware. Dafür brummt der Service (Archiv). © WAZ | jürgen overkott

Thorsten Ebenfeld sieht dem großen Feilschen gelassen entgegen – obwohl der Fahrradmarkt seit Ende der Lieferschwierigkeiten mit Importware unter enormen Preisdruck steht. „Die Lager sind voll“, weiß der Chef von „Ebis Fahrradservice“ an der Hauptstraße. Andererseits hat er die Erfahrung gemacht, dass Fahrräder gar nicht mehr so häufig wie früher zum Christfest verschenkt werden. Dafür werde Zubehör gern genommen.

„Ebi“ Ebenfeld: Werkstatt so nachgefragt wie selten zuvor

Noch mehr Freude macht dem Bike-Experten der Service: „Wer für sein E-Bike 4000 Euro ausgegeben hat, bringt es regelmäßig zur Inspektion.“ Dazu kommt: Wenn der Motor muckt, müssen Fachleute ran. „Ebi“ hat sie: „Wir haben sechs Leute, die hier schrauben, alles Fachleute. Und wir haben Auszubildende.“

Gianna Gesenberg von Keudel Fashion in Witten hat gut lachen: „Bei uns brennt der Baum“, sagt die Modeexpertin über den Andrang beim Black Friday (Archiv).
Gianna Gesenberg von Keudel Fashion in Witten hat gut lachen: „Bei uns brennt der Baum“, sagt die Modeexpertin über den Andrang beim Black Friday (Archiv). © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Angesichts der vielschichtigen Reaktionen aus dem Handel verwundert es wenig, dass die IHK Mittleres Ruhrgebiet den Black Friday weder preisen noch verdammen will. Anbieter vor Ort, heißt es auf Anfrage, sollten Chancen suchen und nutzen. Wie Gianna Gesenberg: Schon jetzt sagt die Mode-Fachfrau, dass Kundschaft auch nach dem Black Friday auf ihre Kosten komme – sogar am kommenden Montag.

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