Witten. Der „Landwirtschafts-Simulator“ gilt als eines der beliebtesten Computerspiele. Leonard Liedmann kennt es. Der Wittener hat eine klare Meinung.
Es ist verrückt. Immer weniger junge Leute wollen in die Landwirtschaft. Noch Ende August vermeldete die Landwirtschaftskammer NRW „über 1000 freie Ausbildungplätze in Agrarberufen“. Zugleich ackern immer mehr Menschen in ihrer Freizeit – allerdings am Rechner. Das Computerspiel „Landwirtschafts-Simulator“ ist so beliebt, dass die neueste Version nach dem Verkaufsstart binnen einer Woche über zwei Millionen Mal verkauft wurde. Was macht die Faszination des Trend-Games aus? Leonard Liedmann (19) kennt sich aus: Der Wittener ist Azubi in der Landwirtschaft – und zockt gern Computerspiele.
Der angehende Gemüsebau-Profi kennt das Spiel aus eigener Anschauung seit Jahren. „Nach Feierabend oder mal am Sonntagnachmittag ein Stündchen“ zieht er eben nicht im wirklichen Leben, sondern am Rechner Möhren, kümmert sich um seinen Maschinenpark und sieht in der Lagerhalle nach dem Rechten. Tiere spielen in dem Game ebenfalls eine Rolle – von Hühnern bis zum Hofhund. Das Computerspiel des Schweizer Unternehmens Giants Software spielt er in der Regel allein.
Das Prinzip Wachstum
Wer zockt, erhält Startkapital, „Monopoly“ lässt grüßen. Ziele sind mehr Erträge, mehr Land, mehr Maschinen. „Du kannst“, weiß Leonard Liedmann, „das Game im Prinzip unendlich lange spielen.“ Das Spielprinzip Wachstum – auch Pleite ist möglich – beinhaltet aber grundsätzlich auch den Wettkampf-Gedanken. Technische Voraussetzung ist die „Mulitplayer“-Funktion. Kein Wunder, dass inzwischen in einer sogenannte eSport-League um die Wette geackert wird.
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Das klingt nach digitaler Weltflucht. Dennoch hat der Zeitvertreib am Rechner einen echten Kern. Leonard Liedmann: „Es ist tatsächlich wie im realen Leben, von der Aussaat über die Kosten bis hin zu Unwettern und Unkraut, die das Ernteergebnis beeinflussen können. Eine Rolle spielt auch, wie viel Du gedüngt hast.“
Verarbeitung, Veredelung, Verkauf
Der Jung-Bauer freut sich darüber, dass im Spiel viele Kulturen angeboten werden: „Von dem Ertrag kannst Du Dir neue Maschinen, neues Land, neue Gebäude und sogar Windkraft- und Solaranlagen kaufen.“ Bei dem Spiel geht es nicht nur um die Erzeugung von Lebensmitteln, sondern auch um Verarbeitung, Veredelung und Verkauf, „um eine höhere Wertschöpfung zu kriegen“. Selbst wenn’s mal nicht so läuft, kann die Generation digitale Landwirtschaft weiterspielen: „Du kannst auch gebrauchte Geräte kaufen“, sagt Liedmann.
In welche Welten tauchen die Hobby-Bauern ein? „Es gibt eine europäische Karte“, so Leonard Liedmann. Aber Landwirtschaft ist längst global. Und so entführt der Spiele-Entwickler Giants Software sein Publikum bei Bedarf in ferne Länder, in andere Klimazonen. So kann in der Asien-Szenerie beispielsweise Reis produziert werden.
Ersetzt der „Landwirtschafts-Simulator“ die Berufsschule? „Nä!“, entgegnet Leonard Liedmann so prompt wie entschieden. „Es kommt vielen Sachen sehr nahe. Aber man kann durch ein Spiel die Landwirtschaft nicht lernen.“ Und dennoch enthält der Simulator eine Ebene, die im Alltag tatsächlich nützlich ist.
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Inzwischen arbeitet Giants Software nämlich mit Herstellern von Landmaschinen zusammen. „Man kann im Spiel lernen, wie neue Maschinen funktionieren“, hat Leonard Liedmann erfahren. „Auf dem Display erscheinen die Elemente für die Steuerung der Maschinen – wie im Original. Du kannst auch aus der Maschine aussteigen und beispielsweise mit der Motorsäge Bäume fällen.“
Game wirkt stärker als Image-Kampagne
Allerdings hat der Reiz des Spiels für den Profi inzwischen nachgelassen. Er sieht das Potenzial für Neuerungen als weitgehend ausgeschöpft an. Trotzdem kann Leonard Liedmann dem Ganzen Gutes abgewinnen: „Leute, die nicht direkt etwas mit der Landwirtschaft zu tun haben, finden es geil. Es gibt einen guten Einblick.“ Nebenher wirkt das Spiel zuweilen stärker als Image-Kampagnen von Berufsverbänden: Es weckt schlicht Sympathie.
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