Witten. Verkaufsautomaten mit Grillfleisch sind in Witten heiß begehrt: In Bommern ist die Ware schon mal ausverkauft, in Heven gibt‘s bald Nachschub.
Sie machten aus der Not eine Tugend. Verkaufsautomaten waren in der Corona-Zeit eine Antwort auf die Beschränkungen in Supermärkten, Kiosken und Hofläden. Inzwischen sind sie eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Vor allem beim jungen Publikum sind die 24/7-Automaten Kult – denn sie kennen keinen Ladenschluss. Wittens bisher einzige heiße Kiste mit gekühltem Grillgut steht im Stadtteil Bommern. Ein weiterer Standort ist in Heven geplant.
Vor dem Hofladen Thiele an der Wengener Straße ist in der Mittagszeit viel los. Geordert werden Äpfel und Kartoffeln. Manche Kundin, mancher Kunde lässt sich eine Kleinigkeit vor Ort schmecken, das Publikum ist durchweg im Rentenalter.
Junge Leute rollen sogar nachts in Witten vor
Nach Ladenschluss ist das anders. Da fährt die junge Generation vor, wenn’s um die Wurst geht – oder um Grillfleisch. „Die Leute kommen sogar nachts“, wundert sich Seniorchef Friedrich-Wilhelm Thiele (71). Dabei denkt er ans vermutlich letzte heiße Wochenende. „Die Nachfrage war so groß – wir hatten keine Wurst mehr.“
Die Brutzelsaison läuft trotz inzwischen frischeren Wetters weiter hochtourig. Familie Thiele weiß aus Erfahrung: Erst wenn die Herbstferien beginnen, verliert das Grillpublikum die Lust auf heiße Ware von der Terrasse.
Wurst im Flammendesign
Juniorchef Berthold Thiele (37) hat den Verkaufsautomaten mit dem „Wurst-in-Flammen“-Design vor zwei Jahren aufgestellt. Er bediente damit einen Wunsch der Kundschaft, jenseits der Ladenöffnungszeiten von Supermärkten und Tankstellen Wurst, Fleisch und Eier kaufen zu können, alles aus eigener Herstellung. Berthold Thiele ist Metzger. Er verarbeitet das Fleisch von eigenen Weiden gemeinsam mit drei Gesellen. „Nur die Schlachtung machen wir nicht selbst“, sagt er. Familie Thiele hat ihre Entscheidung nicht bereut. „Die Hauptkampfzeit ist das Wochenende – solange die Grillsaison läuft.“
Lange Öffnungszeiten
Rewe to go an der Aral-Tankstelle Sprockhöveler Straße öffnet durchgehend morgens um 5 Uhr. Ladenschluss ist jeweils um 24 Uhr. Rewe to go an der Aral-Tankstelle Wittener Straße verkauft durchgehend von 6 bis 22 Uhr.
Der Discounter mit der längsten Öffnungszeit im Wittener Stadtgebiet ist Kaufland. Die Filialen an der Breite Straße wie an der Annenstraße beginnt montag- bis samstagmorgens um 7 Uhr und endet um 22 Uhr.
Direkt gegenüber steht ein Holzverschlag mit Kartoffeltüten, ebenfalls aus der Nachbarschaft. Die Knollen werden von der Verwandtschaft auf dem Hof Niederste Mutte im Nebenerwerb angepflanzt. Gezahlt wird in bar. Das Geld klingelt in einer Kassette. Geschäfte auf Vertrauensbasis: „Das funktioniert“, weiß der Seniorchef, „zu 99 Prozent.“
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Szenenwechsel. Ein weiterer 24/7-Automat steht in Heven, in der Nähe des Fahrradgeschäfts „Pedalwirbel“. Das Freizeitbad Heveney liegt in Sichtweite. In diesem Automaten gibt es Eier von glücklichen Hühnern. Das Federvieh futtert in unmittelbarer Nachbarschaft unter freiem Himmel. „Wir haben zwei Ställe in Heven mit insgesamt 900 Hühnern“, sagt Züchterin Anna Rampérez-Carrasco (35) aus Hattingen.
Sie und ihr Mann Mario (44) sind studierte Agrarwissenschaftler. Beide haben keinen Hof, sondern Land gepachtet. „Wir haben schon zu Uni-Zeiten gesagt: Mobilstallhaltung finden wir gut“, sagt Anna Rampérez-Carrasco. „Wir können etwas wirtschaftlich Sinnvolles tun – ohne große Infrastruktur.“
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Einen weiteren Automaten betreibt das Ehepaar auf dem Gelände seines Reifenhandels Wigro an der Cörmannstraße in Heven. Dort findet man derzeit, wie am Kemnader See, nur Eier. Fleisch gibt’s ab und an auch. „Einmal im Jahr kommt ein mobiler Schlachter zu uns“, berichtet Anna Rampérez-Carrasco.
Fleischware aus eigener Herstellung – von der Wurst bis zur Suppe – wird im Reifenhandel während der Öffnungszeiten selbst verkauft, in der Saison auch samstags von acht bis zwölf. Damit dürfte das Unternehmen deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal haben. „Was von der Produktion übrig bleibt, wird von uns selbst verzehrt“, erzählt Anna Rampérez-Carrasco lachend, „bei uns gibt es an jedem Wochenende Hühnersuppe.“
Noch verkauft das Ehepaar Grillgut und weitere Fleischwaren nicht im 24/7-Automat. Das soll sich ändern. „Wir arbeiten daran, einen Tiefkühlschrank draußen aufzustellen. Im Januar, Februar werden neue Würstchen produziert, und die gibt es dann ganzjährig.“
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