Witten. Eine Jüdin aus Witten ist empört über Aussagen, die auf einer Kundgebung zum 7. Oktober getätigt wurden. Wie die rechtliche Lage ist.

  • Eine jüdische Bürgerin ist schockiert über Aussagen, die auf einer Demo am 7. Oktober, dem Jahrestag des Hamas-Massakers gefallen sind
  • Ein Redner verglich den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu mit Hitler
  • Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war das Gesagte aber nicht strafbar

Am Jahrestag des Hamas-Massakers an der jüdischen Bevölkerung (7.10.) hat sich auf dem Berliner Platz in der Wittener Innenstadt eine kleine Gruppe von 20 Menschen zu einer Demonstration zusammengefunden. „Stoppt den Flächenbrand in Nahost“ lautete der Titel. Noch Wochen später schlägt diese Kundgebung in der Ruhrstadt Wellen - wegen einiger Aussagen, die Veranstaltungsleiter Romeo Frey am Mikrofon tätigte.

Der 78-Jährige, Gründer der Wittener Montagsdemo-Variante, bezeichnete wie berichtet das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza als „Völkermord“. Auch verglich er den aktuellen israelischen Ministerpräsidenten Israels, Benjamin Netanjahu, mit Adolf Hitler. Wörtlich sagte er, Netanjahu drangsaliere die Palästinenser, „so wie der Hitler die Juden drangsaliert hat“. Frey distanziert sich hiervon, behauptet, diese Aussage niemals getätigt zu haben. Tonaufnahmen belegen das Gegenteil.

Jüdin aus Witten ist über Aussagen empört

„Also Herr Frey dementiert, und damit ist alles gut?“, empört sich eine in Witten lebende Jüdin. Aus Angst möchte sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Der Hass ihr und anderen jüdischen Menschen gegenüber sei in den vergangenen Monaten ohnehin schon allgegenwärtig. Unlängst erst bekam sie von einem Unbekannten eine Todesdrohung über Facebook.

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Allein der Zeitpunkt der Demonstration stößt ihr sauer auf. „An diesem Tag ist ein Massaker passiert, Familien wurden abgeschlachtet.“ Und ausgerechnet diesen Jahrestag nehme man zum Anlass, „um den industriellen Mord der Nazis an sechs Millionen europäischer Juden mit Israels Vorgehen nach dem 7. Oktober zu vergleichen und damit gleichzusetzen.“

„Das kann man so nicht stehen lassen!“

Aus Sicht der Wittenerin werden damit „die sechs Millionen Opfer in schamloser Weise missbraucht, gleichzeitig wird der Staat Israel massiv ins schlechte Licht gerückt und an den Pranger gestellt.“ Von Netanjahu selbst hält auch die Seniorin nicht viel. Er sei „Israels Unglück“. Sie erinnert an die monatelangen Demonstrationen, die es bereits vor dem 7. Oktober gegen den Ministerpräsidenten gegeben hat.

Und daran, „dass Krieg führen doch nicht unser Hobby ist“. Aktuell fühle es sich für sie, wie auch für jüdische Bekannte und Freunde, an, „als setze uns jemand das Messer an die Kehle und die Umstehenden rufen nur ‚Peace‘“. „Als Bürgerin dieser Stadt erwarte ich, dass gesellschaftlich angesehene und zuständige Institutionen und Personen dies nicht unbeantwortet lassen. Das kann man so nicht stehen lassen!“ fordert die Wittenerin.

Aussagen laut Staatsanwaltschaft nicht strafbar

Ihre Gedanken hat sie in einer eindringlich formulierten Mail auch dem Bürgermeister kundgetan. „Ich verurteile persönlich jegliche Terrorattacke, ob durch staatliche oder nichtstaatliche Organisationen“, sagt dazu Lars König auf Anfrage. Das Selbstverteidigungsrecht Israels stehe außer Frage. „Vergleiche mit Personen oder Taten der NS-Zeit sind scharf zu verurteilen“, so das Stadtoberhaupt. Kritik an der Vorgehensweise der israelischen Regierung in Anbetracht der vielen Tausend zivilen Opfer insbesondere in Gaza seien nach seiner persönlichen Auffassung aber statthaft. 

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Gleichzeitig verweist er auf die Meinungsfreiheit. Soweit Meinungen nicht strafrechtlich relevant sind, gehöre es „zu den Grundsätzen unserer Demokratie, diese zwar nicht akzeptieren, aber im Zweifel ertragen zu müssen.“

Wie das bei dem aktuellen Fall aussieht, ist nun klar. Nach Einschätzung der Bochumer Staatsanwaltschaft sind die auf der Demonstration getätigten Aussagen „nicht strafbar“. Auch wenn das in den Ohren von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern anders geklungen haben mag. Die Bewertung erfolgt auf Grundlage des Paragrafen 130 StGB, Volksverhetzung.

Zwar habe Frey das, was Netanjahu tue, auf eine Stufe gesetzt mit dem, was Adolf Hitler getan hat. „Damit sagen Sie aber nicht gleichzeitig, dass das, was Hitler getan hat, harmlos war“, erläutert ein Sprecher der Staaatsanwaltschaft. Damit der Paragraf greife, müsse aber die NS-Zeit verharmlost werden.

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