Witten. Andrea Bizzotto ist mit 33 Jahren im Wittener Hospiz gestorben. Nun widmet seine Frau Maria Brandt ihr Leben dem harten Kampf gegen den Krebs.
- Das Schicksal Andrea Bizottos rührt noch immer zu Tränen.
- WDR filmte die Familie erneut für die Reihe „Menschen hautnah“, abrufbar in der ARD-Mediathek.
- Witwe Maria Brandt erzählt, warum sie nun bei der Deutschen Sarkom-Stiftung arbeitet.
Andrea Bizzotto ist im März 2019 mit 33 Jahren an Krebs gestorben. Das Schicksal des Wahl-Witteners rührt noch immer zu Tränen. Er hatte für seine kleine Tochter ein Buch geschrieben - damit sie den Papa nie vergisst. Vor zwei Jahren filmte der WDR die Witwe Maria Brandt und ihre beiden Kinder für die Reihe „Menschen hautnah“. Nun folgt eine Fortsetzung. Denn Maria Brandt hat sich ihre Trauer nicht nur von der Seele geredet, sondern auch den Job gewechselt. Die neue Aufgabe gibt ihrem Leben wieder mehr Sinn.
Die inzwischen 40-jährige Wittenerin arbeitet seit Juni 2022 für die Deutsche Sarkom-Stiftung, eine gemeinsame Organisation von Patienten und Experten, die sich für Betroffene einsetzt. Andrea Bizzotto hatte den Kampf gegen jene besonders seltenen und heimtückischen Tumore verloren. Nun möchte seine Witwe, die zuvor als Digitalisierungsbeauftragte einer Firma und bei der VHS arbeitete, anderen Familien in ähnlichen Ausnahmesituationen helfen.
Wittener Familie fühlte sich alleingelassen
Durch die WDR-Doku habe sie viele Zuschriften erhalten und gemerkt: „Wir sind kein Einzelfall.“ Etlichen gehe es wie ihnen damals: „Mein Mann hatte erstmal nur ein geschwollenes Knie. Er wurde damit nicht richtig ernst genommen, auch weil er noch so jung war. Es hat lange gedauert, bis wir die richtige Diagnose hatten.“ Auch dann fühlte sich die Familie zunächst alleingelassen: „Wir sind da ganz unbedarft reingeschlittert, hatten null Infos.“ Keine Adressen von Spezialisten. Keine Nummer für ein Hilfetelefon. „Da geht wahnsinnig wichtige Zeit verloren.“ Zeit, die das Überleben bedeuten kann.
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Sie wolle, „dass das, was bei uns schief gelaufen ist, anderen nicht auch passiert“, sagt Maria Brandt. Deshalb reist sie nun viel herum: zum Deutschen Krebskongress, zum Krebsforschungszentrum in Heidelberg, zur Uni-Klinik Essen. Sie arbeitet als Referentin, erzählt wieder und wieder ihre Geschichte. Sie kümmert sich darum, dass Erkrankte mit Expertenwissen versorgt werden. Sie spricht mit Patienten und Ärzten auf den Stationen. Dabei fällt es ihr nicht immer leicht, wieder an den Krankenhaus-Geruch erinnert zu werden.
Doch sie hält das aus. Denn sie darf auch in Labore schauen: „Zu sehen, wie viele Menschen dort für ein Nischen-Thema brennen, das gibt Hoffnung und Schmerz zugleich.“ Andrea Bizzotto hilft es nicht mehr, wohl aber anderen Menschen.
Noch im Wittener Hospiz, in dem ihr Mann schließlich starb, habe sie jeden Tag in die Zeitung geschaut, weil sie auf die Schlagzeile hoffte: „Durchbruch in der Medizin erzielt.“ Irgendwann stellte sich Verbitterung ein. Auch jetzt erinnert Maria Brandt der neue Job immer wieder an diese Zeit. „Was wäre gewesen, wenn wir gleich den richtigen Weg gefunden hätten?“ Sie versucht, sich diese Frage nicht mehr zu stellen. „Trotzdem weine ich und bin mitgenommen, würde manchmal am liebsten alles hinschmeißen.“
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Doch die neue Arbeit gebe ihr auch ein wenig Frieden zurück. Und ihren Kindern die Sicherheit, nicht in solch eine ungewisse Situation zu geraten. Denn der Krebs ist weiterhin Thema in der Familie. „Die Unschuld hat uns verlassen. Die Kinder haben zum Beispiel Angst, dass ich krank werde.“ Denn auch Maria Brandts Eltern sind an Krebs gestorben. Die Kindheit ihres Sohnes Fynn, heute 18, sei von Krankheit und Tod geprägt gewesen.
Tochter Giulia wird einmal pro Jahr untersucht. Bei ihr wurde 2020 ein gutartiger Knochentumor entdeckt - an derselben Stelle des Beins, an der auch ihr Vater die ersten Beschwerden hatte. Als die inzwischen Siebenjährige 2022 schwer an Corona erkrankte, hatte sie Angst, dass es Krebs sei und sie sterben müsse.
„Die Geschichte vom Tollpatsch auf dem Fahrrad“ heißt das Buch, dass der sterbende Andrea Bizzotto auf dem Handy für seine Tochter geschrieben hat. Maria Brandt hat es damals im Selbstverlag herausgebracht - ebenso wie im Sommer 2022 ihr eigenes Buch „Die Antwort ist Liebe“, in dem sie die Zeit der Erkrankung aus ihrer Sicht schildert. Vor wenigen Wochen hat sie erstmals gemeinsam mit Fynn aus beiden Werken vor Publikum gelesen. Sie bekomme viele Fotos von Menschen, bei denen nun beide Bücher im Regal stehen. Maria Brandt lächelt: „Wir verstauben da jetzt zusammen.“
„Ich hatte rabenschwarze Tage und Nächte. Doch inzwischen habe ich es geschafft, das Ruder herumzureißen.“
Die 40-Jährige hat „rabenschwarze Tage und Nächte“ hinter sich. Doch inzwischen hat sie es geschafft, „das Ruder herumzureißen“. Sie wolle ihren Kindern ein fröhliches Leben bieten. Im Gespräch strahlt sie Lebensfreude und Zuversicht aus. Sie hat einen neuen Partner und längst ist Andreas Heimat Italien ihr zweites Zuhause. „Er hat mir Eltern hinterlassen.“
In den ersten Jahren nach dem Tod ihres Mannes habe sie seine Stimme permanent gehört. „Vor einem Jahr habe ich auch mal ein paar Stunden nicht an ihn gedacht.“ Das habe sie erst erschreckt, aber dann auch gutgetan. „Ich brauche eine Chance auf ein neues Leben.“ Sie weiß, es wäre Andrea Bizzottos innigster Wunsch.
„Stärker als der Tod“: Doku-Serie im TV
Vier Jahre lang begleitete WDR-Autorin Renate Werner die Familie aus Witten schon einmal mit der Kamera. Fünf Filme sind für die Reihe „Menschen hautnah“ entstanden. Die gesamte Serie namens „Stärker als der Tod“ steht in der ARD-Mediathek zur Verfügung.
Es gibt eine neue Folge mit dem Titel „Wenn Trauer zum Antrieb wird: Marias Mission gegen den Krebs“. Darin geht es auch um eine schwer kranke Patientin aus Mülheim, die von Maria Brandt betreut wird.
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