Witten. . Anfang April 2017 zogen die ersten Gäste in das Haus an der Hauptstraße in Witten ein. Seitdem sind dort 52 schwerkranke Menschen gestorben.

  • Seit der Eröffnung des St. Elisabeth-Hospizes im April 2017 sind dort 52 Menschen gestorben
  • Die Mitarbeiter versuchen, den Gästen das Leben bis zum Tod so angenehm wie möglich zu gestalten
  • Besuchshund Charlie tobt regelmäßig durchs Haus und bringt Abwechslung in den Alltag

Ein hölzernes Herz dient als Lesezeichen in dem dicken Buch, das aufgeschlagen im Raum der Stille liegt. Angehörige und Mitarbeiter haben dort etwas hineingeschrieben zur Erinnerung an jene, die im St. Elisabeth-Hospiz ihre letzte Lebensphase verbracht haben. Seit die ersten Gäste Anfang April das Haus an der Hauptstraße bezogen, sind dort 52 Menschen gestorben.

Etwa 95 Prozent der Gäste haben Krebs

Zehn Plätze bietet das 1200 m² große Hospiz. „Der Bedarf ist enorm. Wir sind voll belegt und könnten noch mehr aufnehmen, es gibt sogar eine Warteliste“, sagt Brigitte Dünkelmann (53), die stellvertretende Leiterin. Die Schwerkranken kommen vor allem aus Witten, aber auch aus der gesamten Region, aus Herdecke, Hagen, Dortmund.

Die meisten sind hier, weil der Krebs ihrem Leben in absehbarer Zeit ein Ende setzen wird. „95 Prozent unserer Gäste sind von der Krankheit betroffen“, so Leiterin Heike Großheimann (54). Voraussetzung für die Aufnahme ins Hospiz: Ein Arzt müsse bescheinigen, dass der Betroffene nur noch wenige Tage, Wochen oder Monate zu leben habe. Die durchschnittliche Verweildauer betrage 16 Tage, sechs Monate Aufenthalt seien in der Regel das Maximum.

„Im Durchschnitt sind die Gäste 74 Jahre alt“, sagt Heike Großheimann. Im Juni jedoch habe es eine Phase gegeben, „in der relativ junge Leute, die in den 60ern oder 70ern geboren wurden, zu uns gekommen sind.“ Der jüngste Gast war eine 32-Jährige, die vier kleine Kinder hatte – ein tragischer Fall, natürlich. „Wir haben eine Trauerbegleitung organisiert, die die Kinder aufgefangen hat.“ Auch das machen sie möglich im Hospiz – wie sie überhaupt alles tun, damit die Gäste sich wohl fühlen im letzten Lebensabschnitt.

Eine große Hilfe dabei werden in Zukunft die Ehrenamtlichen sein. „32 haben sich beworben“, sagt Sebastian Schulz von der Geschäftsleitung der St. Elisabeth-Gruppe, zu der sowohl das Hospiz als auch das Marien-Hospital gehören. Sie nehmen derzeit an einem Kurs teil, der an fünf Terminen auf die Arbeit im Hospiz vorbereitet. Ab Oktober werden die ersten einsatzbereit sein. Neue können sich jederzeit melden.

Je nach Wunsch werden die Ehrenamtlichen gastnah oder gastfern tätig sein. Wer mag, kann einem Gast Gesellschaft leisten, sich mit ihm unterhalten, ihm vorlesen, Karten spielen oder einfach gemeinsam fernsehen. Auch kleinen Ausflüge mit dem Rollstuhl in die Stadt sind möglich. Ehrenamtliche, die keinen direkten Kontakt zu den Todkranken wollen, können sich aber auch um die Blumen kümmern, Einkäufe erledigen oder Kuchen backen. Großheimann: „Es gibt viele Möglichkeiten, sich einzubringen.“

Das Hospiz – es gibt 14 feste Mitarbeiter, darunter zwei Männer – ist auf diese Art von Hilfe angewiesen. Aber auch auf Spenden. 75.000 Euro hat der eigens für das Hospiz gegründete Förderverein bislang eingenommen. Eine stolze Summe – doch sie reicht längst nicht. Denn inzwischen, so Schulz, ist klar: „Wir müssen selbst 220.000 Euro im Jahr für den Betrieb aufbringen.“

Der Alltag im Hospiz

Der Alltag in einem Hospiz: still, düster, traurig. So stellen sich das viele vor. Natürlich gibt es Momente, auf die das alles passt. Doch wer durch die Glastür ins St. Elisabeth-Hospiz geht, der betritt ein helles, freundliches Gebäude. Und plötzlich kommt Charlie angelaufen, wuselt einem um die Beine herum und zerfetzt vor lauter Begeisterung sein Spielschaf. Hinter ihm tritt Heike Großheimann, Besitzerin des kuscheligen Labrador-Pudel-Mischlings und Leiterin des Hauses, lachend aus dem Zimmer.

„An Tagen, an denen die Sonne scheint, strahlt das hier richtig“, sagt die 54-Jährige. „Ich fühle mich total wohl. Das Einleben ging rasend schnell. Ich habe das Gefühl, ich bin schon immer hier.“ Dabei hat das Hospiz vor gerade mal knapp viereinhalb Monaten seine Türen für schwerkranke Menschen geöffnet, die hier leben bis zum Tod. Dass diese letzte Zeit für sie so schön wie möglich wird, darum kümmern sich die Mitarbeiter.

Wer um sieben Uhr frühstücken möchte, der kann das tun. Andere schlafen bis um neun. Auch ein Wellnessbad in der großen Wanne ist möglich. „Wir arbeiten viel mit Aromapflege“, sagt Brigitte Dünkelmann, die stellvertretende Leiterin. Wer Lust auf ein Glas Wein oder Sekt hat: Ein kleiner Vorrat steht bereit. Angehörige können die Todkranken Tag und Nacht besuchen. Oder sogar übernachten, denn zu jedem der zehn Einzelzimmer gehört ein kleiner Nebenraum mit einem Bett. Viele nutzen das. „Keiner soll alleine sterben“, sagt Dünkelmann.

Denn genau davor hätten fast alle Angst. „Man sieht und spürt, ob ein Mensch bald stirbt. Dann rufen wir die Angehörigen an oder bleiben selbst dabei“, sagt sie. Zuvor hat sie als Krankenschwester im Marien-Hospital gearbeitet, dann eine Palliativausbildung gemacht und sich bewusst für die Arbeit im Hospiz entschieden. „Ich bin jung und alt genug, um diesen Schritt zu tun“, sagt die 53-jährige Mutter von drei erwachsenen Kindern. Die Hand halten oder vielmehr: die eigene unter die Hand des Gastes legen, damit er seine wegziehen kann, wenn er die Berührung nicht möchte. Über die Wange streicheln. Einfach da sein. Auch länger. „Das ist im Krankenhaus nicht möglich.“ Der tägliche Umgang mit dem Tod belaste sie nicht, sagt die Wittenerin. Wenn doch: Gespräche mit dem Team oder einem Seelsorger helfen.

Am Abend zuvor ist ein Mensch gestorben. Vor seinem Zimmer steht eine Laterne, in der eine Kerze brennt. Auch im Eingangsbereich und im Raum der Stille haben die Mitarbeiter Kerzen angezündet. Sie leuchten, bis der Tote vom Bestatter abgeholt wird. Maximal zwei Tage kann er noch im Hospiz bleiben, damit auch Angehörige, die vielleicht weiter weg wohnen, die Möglichkeit haben, sich zu verabschieden. Die Zimmer können auf zwölf Grad heruntergekühlt werden.

Der Alltag im St. Elisabeth-Hospiz: mal still, mal laut, mal traurig, aber auch fröhlich. Dazu trägt nicht zuletzt Charlie bei, der sich bei jedem, der das will, immer gern ein paar Streicheleinheiten abholt.

>> INFO UND TERMIN

  • Wer das Hospiz unterstützen möchte, kann Mitglied im Förderverein „Ein Hospiz für Witten“ werden. Anträge liegen in der St. Marien-Kirche, im Pfarrheim und im Marien-Hospital aus. Man kann den Antrag auch herunterladen: elisabeth-hospiz-witten.de
  • Weil das St. Elisabeth-Hospiz Wert darauf legt, sich nach außen zu öffnen, wird es am Sonntag, 3. September, einen Tag der offenen Tür geben. Von 12 bis 17.30 Uhr können Besucher sich informieren. Es wird außerdem Kuchen, Würstchen und Artistik geben.