Witten. Das Buch des an Krebs verstorbenen Witteners Andrea Bizzotto für sein Töchterchen ist auf Deutsch erschienen. So geht es der Familie heute.

Am 1. März ist Andrea Bizzotto gestorben. Im Wittener Hospiz. Nach einem langen Kampf, nach Chemotherapien, Bestrahlungen, nach schlimmen Schmerzen hat der Krebs den Hevener besiegt. Das Schicksal des Italieners, der angesichts seines nahen Todes ein Buch für seine kleine Tochter Giulia Grace schrieb, hat viele Menschen zu Tränen gerührt. In Italien hat der Schwerkranke im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht, als er sein Buch in Venedig und in der Stadt Cittadella vorstellte und auch im italienischen Fernsehen zu sehen war. Bizzottos Witwe, Maria Brandt, hat „Die Geschichte vom Tollpatsch auf dem Fahrrad“ jetzt im Selbstverlag auf Deutsch veröffentlicht.


Ein berührendes Vermächtnis eines Vaters, der seine Tochter über alles liebte. Andrea Bizzotto starb wenige Tage vor seinem 34. Geburtstag. Er wollte leben, seine Tochter Giulia Grace, die heute zweieinhalb Jahre alt ist, aufwachsen sehen. Der Ingenieur, der seinen Beruf für seine Leidenschaften, das Kochen und das Eismachen, aufgab, wusste jedoch, dass ihm dies nicht vergönnt sein würde. Sein aggressiver Tumor im Bein wurde erkannt, als seine Frau Maria schon mit Giulia schwanger war. Während seiner Klinikaufenthalte und zuhause tippte der Schwerkranke sein Buch für seine Tochter in sein Handy. In der Hoffnung, dass sie nie vergessen wird, wer ihr Vater war.

Andrea Bizzotto: „Mit dem Risiko sterben zu müssen, rechnete ich nicht“


Bizzotto hat über seine Kindheit und Jugend geschrieben, in der er viel Sport trieb, über seine Schüchternheit, sein Stottern. Er schrieb über die Diagnose Krebs: „Mit dem Risiko sterben zu müssen, rechnete ich nicht.“ Er berichtete über seine Gefühle der Verzweiflung, der Trauer und dass Giulia es nicht verdient habe, ihren Vater zu verlieren. Andrea Bizzotto bedankt sich im Buch auch bei seiner Frau, die ihn in der schweren Zeit immer rückhaltlos unterstützte, ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellte. Die 35-Jährige kennt den Schrecken und das Leid, das Krebs verursachen kann, aus ihrer eigenen Familie. Sie hat ihren Vater und ihre Mutter an diese tückische Krankheit verloren.

Maria Brandt, hier mit ihrem Sohn Fynn, und dem Buch ihres verstorbenen Mannes, das sie im Selbstverlag herausgibt.
Maria Brandt, hier mit ihrem Sohn Fynn, und dem Buch ihres verstorbenen Mannes, das sie im Selbstverlag herausgibt. © Unbekannt | Barbara Zabka / FUNKE Foto Services


Andrea Bizzotto wusste, dass seine Tochter vergessen wird, wie er einmal gerochen hat. Die Gerüche seiner Küche könne sie aber selbst erleben und ihm so nahe sein, schreibt er. Er hat ihr im Buch Rezepte hinterlassen, in der Hoffnung, dass sie einmal „beim Kochen, Riechen und Schmecken der Zutaten die magischen Abende“, die die Eltern beim Zubereiten von Speisen verlebten, noch einmal selbst nachempfinden kann. Nicht zuletzt wendet er sich im Buch an Fynn, heute 13, Marias, aber nicht Andreas Sohn. Zwischen beiden gab es Missverständnisse und Auseinandersetzungen. Der Todkranke versichert, den Jungen immer geliebt zu haben. „Ich wollte niemals die Aufmerksamkeit, die Dir als Kind gehört, stehlen.“

„Alle Buchkapitel noch einmal zu lesen, war für mich emotional sehr anstrengend“

Maria Brandt hat auf einer Lesung ihres Mannes in Italien den Autor Paolo Maria Noseda kennengelernt, der ihr versprach, Menschen zu finden, die das Buch ins Deutsche übersetzen werden. Es wurde ein Übersetzerteam. „Alle 13 Leute haben umsonst gearbeitet“, erzählt die 35-Jährige.

Bei der redaktionellen Bearbeitung des Buches half Maria Brandt ein alter Studienfreund, Sebastian Wieschowski. „Alle Buchkapitel noch einmal zu lesen, war für mich emotional sehr anstrengend“, sagt die Politologin, die sich gerade selbstständig gemacht hat, und auch anderen dabei helfen möchte, eigene Bücher herauszugeben. Was Brandt freut: Der WDR möchte darüber berichten, wie das Buch ihres Mannes „auf Reisen“ geht. „Ein Italiener, der in England lebt, will es in Englisch herausgeben“, auch eine chinesische Übersetzung sei angedacht.


Im Juni war Andrea Bizzotto in der TV-Reihe „Menschen hautnah“ zu sehen. Titel der Sendung: „Das will ich Dir noch sagen – Wenn junge Eltern sterben.“ Sein Buch für seine Tochter ist in Italien auch sieben Monate nach seinem Krebstod immer noch ein Thema. Maria Brandt: „Der italienische Schauspieler Marco Bocci denkt darüber nach, Andreas Buch im nächsten Jahr in Italien auf die Theaterbühne zu bringen. Es ist noch ein Projekt. Es wäre schön, wenn es klappt.“ Der italienische Konsul in Dortmund hat die Hevenerin zu einer Lesung aus dem Buch ihres Mannes eingeladen.

Am Abend winkt Giulia dem Vater zu, von dem sie glaubt, dass er auf einem Stern lebt

Andrea Bizzotto Ende Dezember 2018 mit seiner Frau Maria Brandt, Tochter Giulia Grace und deren Halbbruder Fynn in ihrer Wohnung in Heven.
Andrea Bizzotto Ende Dezember 2018 mit seiner Frau Maria Brandt, Tochter Giulia Grace und deren Halbbruder Fynn in ihrer Wohnung in Heven. © Unbekannt | Barbara Zabka / FUNKE Foto Services


Im Dezember wird Maria Brandt nach Italien fliegen. In der Stadt Cittadella, in der ihr Mann im vergangenen Jahr sein Buch vorstellte, wird erstmals der Andrea-Bizzotto-Literaturpreis verliehen. „Mit dem Preis werden Menschen geehrt, die auch schwere Schicksalsschläge erlitten und sich entschieden haben, darüber etwas zu schreiben.“ Die Hevenerin freut sich, dass ihr Schwiegervater in der Nähe von Witten lebt und sie und Enkelin Giulia einmal in der Woche besucht. „Er spricht auch mit ihr Italienisch. Ich beherrsche die Sprache nicht fließend.“


Andrea Bizzotto fand in seinem italienischen Heimatort Bassano del Grappa seine letzte Ruhestätte. Seine Frau trug bei seiner Beerdigung ihr Brautkleid und hielt eine beeindruckende Trauerrede, die man auch als Epilog in Andrea Bizzottos Buch findet. Maria Brandt sprach darüber, dass „meine Brust wie Feuer brennt, weil Andrea mir so fehlt“. Sie sprach auch davon, wie schwer es ihr fällt, dabei zuzusehen, wie ihre Tochter Giulia am Abend ihrem Vater zuwinkt, von dem sie glaubt, dass er oben im Himmel auf einem Stern wohnt.

Für seine Frau wünschte sich Andrea Bizzotto einmal einen neuen Mann

Für seine Tochter nahm Bizzotto kurz vor seinem Tod noch das Lied „From my star“ auf. Im Buch spricht er darüber, dass er sich wünscht, dass seine Frau noch einmal einen neuen Mann, seine Tochter eine neue Vaterfigur finden wird. Maria Brandt nickt, betont, dass dies Gedankengänge seien, die für sie noch außerhalb der Vorstellungskraft liegen. Dann fügt sie hinzu, dass es für sie aber schön zu wissen sei, dass es für ihren toten Mann in Ordnung wäre, wenn dies eines Tages doch passiere.