Witten/Wetter. An der Stadtgrenze Witten/Wetter steht eine Milchtankstelle. Hier gibt es sahnige Rohmilch, ob Tag oder Nacht. Die Idee stammt aus der Karibik.
- Verkaufsautomaten sind mittlerweile auch in der Landwirtschaft im Trend. Meist gibt es dort Eier oder Fleisch
- In Witten gibt es aber auch ein ganz besonderes Angebot: eine Milchtankstelle
- Hier kann man rund um die Uhr frische Milch zapfen. Aber Achtung: Es handelt sich um Rohmilch
Die heimische Landwirtschaft setzt immer mehr auf 24/7-Verkaufsautomaten. Anbieter wie Kundschaft profitieren: Automaten brauchen kein Verkaufspersonal, Ware ist jederzeit verfügbar. Meist gibt‘s Eier und Fleisch. Arndt Schulte-Elberg (62) sowie seine Söhne John (30) und Paul (26) gehen einen Schritt weiter: Sie bieten auch Milch an, von der Kuh in die Flasche. Ihre Milchtankstelle an der Stadtgrenze zwischen Wetter und Witten ist die einzige weit und breit. Seit fünf Jahren gibt es sie vor dem Hof an der Höltkenstraße. Die Idee dazu hatte Juniorchef John ausgerechnet in der Dominikanischen Republik.
„Meine Frau kommt aus der Dom Rep“, sagt der 30-Jährige verschmitzt. Urlaub und Familienbesuch waren damals dasselbe. „Dort habe ich eine Milchtankstelle gesehen.“ „Bei der Verwandtschaft“, fügt Vater Arndt hinzu. Die Idee musste aber erst reifen. Die Milchtankstelle in Wengern wurde erst im Jahr 2021 angeschafft. Das Risiko war übersichtlich. Zuvor hatten die Schulte-Elbergs schon einen Automaten für Freiland-Eier vom Hof aufgestellt. „Das hat sich gelohnt“, stellt Arndt Schulte-Elberg fest. Und die Milch?
In Witten gibt es keine Milchbauern mehr
Die Schulte-Elbergs brauchten für ihre Investition nicht besonders viel Mut: „Auf Wittener Seite gibt es keine Milchviehbetriebe mehr“, erläutert Arndt Schulte-Elberg. Ihr Angebot steht nicht in Konkurrenz zur deutlich günstigeren Supermarkt-Ware – Rohmilch gilt als Delikatesse.
„An einem verregneten Dienstagvormittag kommen natürlich nicht so viele Kunden“, sagt John Schulte-Elberg nüchtern, „aber nachmittags und vor allem am Wochenende ist einiges los.“ Das Publikum kommt aus Wittens Stadtteilen Bommern und Herbede, aber aus Wetters Ortsteil Wengern. Hilfreich ist, eigene Flaschen mitzubringen.
Sahnige Rohmilch von 115 schwarzbunten Holsteinfriesen
Die Milch, die John Schulte-Elberg in eine gläserne Literflasche zapft, ist gelblicher als das Getränk aus dem Supermarkt. Die Flüssigkeit wirkt sämiger, sahniger. Und tatsächlich hat die Rohmilch der 115 schwarzbunten Holsteinfriesen den natürlichen Fettgehalt von 4,0 bis 4,2 Prozent. Die Rohmilch muss vor dem Verzehr erhitzt werden. John Schulte-Elberg macht das gern: „Mit der Milch mache ich mir morgens mein Müsli.“
Regionale Kost
Bürgerinnen und Bürger in Deutschland legen großen Wert auf Informationen über die Lebensmittel, die sie kaufen. Sie achten zudem stärker als früher auf Tierwohl, Regionalfenster und das EU-Bio-Siegel. Dies geht aus dem jüngst vorgestellten Ernährungsreport 2024 hervor. In der vom Forschungsinstitut Forsa durchgeführten Studie befragt das Bundeslandeswirtschaftsministerium seit 2015 jährlich Verbraucherinnen und Verbraucher nach Wünschen, Vorlieben und Gewohnheiten rund ums Thema Ernährung.
John Schulte-Elberg ist gelernter Krankenpfleger. In Bochums Knappschaftskrankenhaus hat er gelernt. Außerdem hat John Schulte-Elberg Agrarmanagement studiert. Gemeinsam mit seinem Bruder Paul (26) will er zurück in die Zukunft der Landwirtschaft. Er weiß: Tradition verpflichtet. Die Schulte-Elbergs beackern die Südhänge der Ruhr seit 14 Generationen. Aber Landwirtschaft steht hierzulande unter Druck. Wer bleiben will, muss sich verändern. Vater Schulte-Elberg und seine beiden Söhne haben die Herausforderung der Branche angenommen: „Wir denken in Generationen.“
Investitionen in neuen Stall - er steht für mehr Tierwohl
Genau deshalb haben die Schulte-Elbergs vor kurzem in einen modernen Stall investiert. Ende vorigen Jahres wurde er fertig. Mehr Platz, mehr Licht, mehr Luft: All das steht für mehr Tierwohl. „Der alte Stall war zu klein“, erklärt Arndt Schulte-Elberg. Obendrein bieten Gummimatten den Kühen Komfort. „Am meisten Milch bilden die Kühe beim Liegen“, berichtet John Schulte-Elberg schmunzelnd, „beim Wiederkäuen.“ Zum Tierwohl gehört zudem, dass Kühe und Rindviecher auch draußen grasen können.
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Schulte-Elberg denkt schon weiter: „Wir wollen in Kürze auch einen neuen Rinderstall bauen.“ Auch die nächste Landwirtgeneration setzt auf Rinderzucht fürs Milchvieh. „Geplant ist irgendwann auch ein Melkroboter.“ Wenn die Anlage in Betrieb ist, können die Tiere selbst entscheiden, wann sie gemolken werden wollen.
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Die Schulte-Elbergs haben noch einen Plan. „Wir wollen einen Hofladen eröffnen“, kündigt John Schulte-Elberg an, „am Wochenende. Manche wollen ja auch einen Dialog mit dem Landwirt führen. Und sie wollen auch wissen, wo die Produkte herkommen.“ Was nicht vom Hof kommt, kommt aus der Nachbarschaft – etwa Hokkaido-Kürbisse von Liedmanns Kornkammer im Wittener Ortsteil Gedern. Netzwerken ist angesagt. Wie wird der Hofladen betrieben? Personalsorgen plagen die Schulte-Elbergs: „Das Personal sind wir.“
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