Witten. Marc, der seine Wohnung in Witten wegen eines Wasserschadens verlassen musste, lebt nun im Obdachlosenheim. Am Anfang war er geschockt.

Er hat beileibe keine hohen Ansprüche und keineswegs den Standard eines Sterne-Hotels erwartet. Doch was der wegen eines unverschuldeten Wasserschadens obdachlos gewordene Marc K. jetzt zunächst in einer Notunterkunft der Stadt Witten erlebte, ist ihm und seiner Familie doch arg auf den Magen geschlagen. „Die Zustände dort sind menschenunwürdig“, üben die Eltern Kritik und zählen auf. „Schimmel, Kakerlaken, Dreck.“ Und das sei noch nicht alles.

Ihr 34-jähriger Sohn musste seine Wohnung in Annen Hals über Kopf verlassen. Das Apartment war wegen eines Wasserschadens, den eine andere Mieterin verursacht hatte, unbewohnbar. Wer den Schaden übernimmt: lange unklar. Ein halbes Jahr lebte der mittellose Mann, der psychisch krank ist, in verschiedenen Hotels und Ferienwohnungen. Seine Eltern zahlten alles, eine Hausratversicherung besaß ihr Sohn nicht. Doch nun waren ihre Reserven aufgebraucht. Marc musste wohl oder übel in eine Notunterkunft.

Blick in eine Schublade der zuerst zugewiesenen Wohnung der Obdachlosenunterkunft. Der vorherige Bewohner hat offenbar seinen Dreck nicht beseitigt. (Foto: privat)
Blick in eine Schublade der zuerst zugewiesenen Wohnung der Obdachlosenunterkunft. Der vorherige Bewohner hat offenbar seinen Dreck nicht beseitigt. (Foto: privat)

Dort können Personen in besonderen Lebenslagen untergebracht werden, so die Stadt Witten. Marc K. nahm die zugewiesene Wohnung in einem Gebäude in Annen am 31. Juli mit seinen Eltern in Augenschein. „Ich bin rausgegangen. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Das war zu viel für mich“, schildert seine Mutter (68) den ersten Eindruck.

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Die Eltern zählen auf: „Herd und Backofen waren völlig verdreckt und verkrustet. Die Duschwand war an einer Seite gesprungen, die Fugen der Duschtasse waren vollkommen verschimmelt. Die Schränke waren nicht geputzt, in Schubladen lagen noch vergammelte Brotreste. Auch Kakerlaken waren zu sehen.“ So etwas, sagen die Eltern, „darf es in Deutschland nicht geben“.

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Völlig verkrustet: So sah die Tür des Backofens in der zuerst zugewiesenen Wohnung aus. (Foto: privat) 
Völlig verkrustet: So sah die Tür des Backofens in der zuerst zugewiesenen Wohnung aus. (Foto: privat) 

Marc lehnte es ab, in diese Notunterkunft zu ziehen. Zwei Stunden lang habe man die zuständige Mitarbeiterin davon zu überzeugen versucht, dass die Zustände dort untragbar seien. Schließlich sei der Hausmeister gekommen und habe dem jungen Mann die gegenüberliegende Wohnung zugewiesen. „Wir mussten uns die neuen Schlüssel dafür extra abholen“, sagt der Vater (69). Er habe dies alles in einer Notlage als zusätzlich „demütigend“ empfunden.

Auf Anfrage dieser Redaktion erklärt die Stadt Witten: „Bei der Übergabe der Wohnung ist etwas schiefgelaufen, was umgehend korrigiert wurde.“ Wegen eines längeren Personalausfalls und Urlaubszeit sei zunächst eine ungereinigte Wohnung übergeben worden. „Das soll natürlich ausdrücklich so nicht sein.“

Ganz ordentlich: das Bett mit neuer Matratze und neuer Bettwäsche in der Notunterkunft. Die kleine Lampe haben Marcs Eltern mitgebracht.
Ganz ordentlich: das Bett mit neuer Matratze und neuer Bettwäsche in der Notunterkunft. Die kleine Lampe haben Marcs Eltern mitgebracht. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die dann angebotene Unterkunft bezeichnen Marc und seine Eltern als „zumutbar“. „Man kann da überleben“, sagt der junge Mann. Er ist ja froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Trotzdem hat die Familie erst einmal kräftig geputzt. Als wirklich „sauber“ - entsprechend ihren eigenen Maßstäben - hätten sie auch diese Wohnung nicht empfunden.

Das Apartment ist etwa 30 m² groß und eigentlich für zwei Bewohner gedacht, doch das zweite Bett wurde entfernt. Immerhin liegt eine neue Matratze auf dem Stahlrohrgestell. Auch die Bettwäsche ist neu. Doch sonst: „Alles zusammengewürfelt“, sagt die Mutter. Aber das sei nicht schlimm. Zwei Metallspinde, ein paar einfache Oberschränke, darunter Spüle, Herd, Kühlschrank, ein kleiner Schrank. Ein Tisch, zwei Stühle. Der Linoleumboden: total zerkratzt. Auch das sei kein Problem.

Wohnung in Annen wird jetzt renoviert

Die Mutter hat die Fenster der Erdgeschosswohnung erst einmal geputzt, der Vater hat sie mit spezieller Folie beklebt - „sonst kann da ja jeder reingucken“. Die Klingel funktioniert nicht, ebenso wenig der Rauchmelder. Der Dusche im Bad fehlt ein Stück Seitenwand. Sie schließt nicht richtig. Wenn Marc duscht, steht der kleine Raum unter Wasser. Die WC-Schüssel: undicht. Marcs Mutter verzieht das Gesicht. Sie ist jedenfalls froh, dort nicht leben zu müssen.

Dennoch gibt es vielleicht bald ein Happy End: Marcs alte Wohnung in Annen wird nach dem Wasserschaden im Februar endlich renoviert, bestätigt sein Vermieter. Es wird hoffentlich nicht allzu lange dauern, bis er dort wieder einziehen kann.

Notschlafstätte oder Wohnungslosenunterkunft

Im Normalfall kommen obdachlose Personen einige Wochen in die Notschlafstätte, die sie sich mit anderen Obdachlosen teilen müssen, so die Stadt. Dort werden ihnen bei Bedarf beispielseise Töpfe, Kleidung, Handtücher und Sanitärartikel zur Verfügung gestellt.

Wer nicht dort untergebracht werden kann, dem wird eine städtische Wohnungslosenunterkunft - ähnlich einer Mietwohnung - zugewiesen. Diese Wohnungen sind standardmäßig mit Möbeln ausgestattet, neues Bettzeug inklusive. Eine Gemeinschaftswaschmaschine steht zur Verfügung.

Für die täglichen Bedarfe wie Toilettenpapier oder Handtücher gilt aber in den städtischen Unterkünften dasselbe wie in Privatwohnungen: Diese Sachen müssen von den Bewohnern, die in der Regel Sozialleistungen beziehen, selbst beschafft werden. Wird eine Wohnungslosenunterkunft frei, wird sie wieder hergestellt und gereinigt.

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