Witten. Marc (34) musste sein Heim wegen eines Schadens verlassen, den er nicht verursacht hat. Trotzdem droht nun die Notunterkunft. Für ihn der Horror.

Den Moment Anfang Februar 2024 wird Marc K. so schnell nicht vergessen. Der 34-Jährige lag im Bett und schlief, als ihn ein Plätschern weckte. In Sekundenschnelle war der Wittener hellwach. Denn es regnete nicht etwa. Vielmehr stand sein Apartment unter Wasser. „Es kam aus den Wänden und den Deckenleuchten raus.“ Die Wohnung ist seitdem unbewohnbar. Der mittellose junge Mann lebt in Hotels und Ferienwohnungen, die seine Eltern bezahlen. Nun geht ihnen das Geld aus. Und Marc muss vermutlich in eine städtische Notunterkunft ziehen.

Seiner Mutter (68) bricht es das Herz. Ihr kommen die Tränen, wenn sie daran denkt. Denn sie hatte ihrem Sohn versprochen: „Da musst du nicht hin.“ Marc hat seit seiner Jugend eine psychische Erkrankung, er gilt zu 50 Prozent als schwerbehindert. Das hat den ehemaligen Overbergschüler, der immer mal wieder in verschiedenen Firmen jobbte, aus dem Arbeitsleben katapultiert und in die Grundsicherung getrieben. Das Sozialamt hatte die Miete übernommen, aber irgendwann nach dem Wasserschaden die Zahlungen eingestellt, erzählt die Mutter.

Wittener lebte acht Jahre allein in Annen

Acht Jahre lang hat Marc in der kleinen Bleibe in einem großen Mehrfamilienhaus in Annen gelebt. Hatte dort seine Ruhe, seinen geregelten Tagesablauf, kam gut allein zurecht. Dann hatte offenbar die Mieterin über seiner Souterrainwohnung vergessen, den Wasserhahn zuzudrehen - und so Marcs Heim geflutet. „Der Junge musste innerhalb von fünf Minuten raus“, erinnert sich seine Mutter. Feuerwehr, THW und Stadtwerke seien vor Ort gewesen. Sie hätten die Wohnung für unbewohnbar erklärt. „Das Bett konnten wir noch retten.“ Der Rest: nicht mehr zu nutzen.

Renovierungsbedürftig: So sah die betroffene Wohnung in Witten-Annen nach dem Wasserschaden aus.
Renovierungsbedürftig: So sah die betroffene Wohnung in Witten-Annen nach dem Wasserschaden aus. © privat | Privat

Auf die Schnelle fand sich ein Hotelzimmer für den plötzlich und unverschuldet Obdachlosen. Die Wohnung der Eltern - auf Dauer zu klein für drei Personen. Niemals hätten sie sich träumen lassen, was dann passierte - nämlich erstmal: nichts. Die Verursacherin des Schadens ist nicht versichert. Auch Marc hat weder eine Hausrat- noch eine Haftpflichtversicherung.

Bis klar war, dass die Gebäudeversicherung der Hausgemeinschaft den Schaden übernimmt, dauerte es. Ein Sachverständiger muss gefunden werden. Handwerker ebenso. „Es tut sich nichts“, sagt die Mutter. Ihr Mann und sie sind erschüttert darüber, wie lange sich alles hinzieht.

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Marc lebte derweil in Wittener Hotels oder Gästehäusern. Mal nur eine Woche, mal 14 Tage. Seit sechs Wochen wohnt er in einem Mini-Apartment nahe der City. Kleine Küche, ein Schlafzimmer, Dachgeschoss. Neben dem Bett stehen einige Tüten, darin Klamotten, die sich Marc zusammengeliehen hat. Doch hier muss er Ende des Monats raus.

„Wir können nicht mehr“, sagen die Eltern. 8000 Euro haben sie im letzten halben Jahr für Unterkünfte bezahlt. Haben Prozesskostenhilfe beantragt und Anwälte eingeschaltet. Auch das Verfahren zieht sich. „Jetzt ist unser Geld alle.“ Deshalb bleibt Marc nur die Notunterkunft. In Witten gibt es aktuell zehn städtische Notunterkünfte. Im Moment leben dort 444 Personen. 116 Plätze sind frei.

Marc könnte in ein Zweibettzimmer ziehen. Ein Problem für den psychisch Kranken, der eine möglichst reizarme Umgebung benötigt. Er weiß selbst: Sich das Zimmer mit einem anderen zu teilen, „das geht nicht lange gut“.

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Ein Attest musste her, damit er das notwendige Einzelzimmer bekommen kann. Ein Neurologe habe ihm bescheinigt, krank zu sein. Nun müsse das Gesundheitsamt den Beleg prüfen. Auch das wird dauern, vermutet Marcs Mutter. Sie weiß nicht mehr weiter. „Wir haben keinen richtigen Plan B.“ Die Zeit drängt. Denn der Monatswechsel steht kurz bevor.

Sollte Marc irgendwann wieder in seine Annener Wohnung können, deren Mietvertrag grundsätzlich noch besteht, dann werden sich seine Eltern sofort um eine Hausratversicherung für ihren Sohn kümmern. Sie hätte ihnen viele Sorgen und Ausgaben erspart. Auch deshalb war es ihnen wichtig, ihre tragische Geschichte zu erzählen. „Damit anderen nicht dasselbe passiert.“

Auf die richtige Versicherung kommt es an

Hätte Marc K. eine Hausratversicherung gehabt, dann wäre ihm seine Odyssee vermutlich erspart geblieben. „Solch eine Versicherung ist sehr empfehlenswert“, erklärt Philipp Opfermann von der Verbraucherzentrale NRW. Denn sie übernehme die Kosten, wenn der Hausrat eines Mieters zu Schaden gekommen sei, und zahle etwa auch notwendige Hotelaufenthalte.

Die wichtigste freiwillige Versicherung sei jedoch die Haftpflichtversicherung. „Die sollte jeder haben, unabhängig von Vermögen oder Einkommen“, so der Experte. Sie hilft, wenn jemand selbst einen Schaden verursacht - wie die Mieterin im vorliegenden Fall, die den Wasserhahn laufen ließ. „Die kostet nicht viel, ist schon ab rund 50 Euro im Jahr zu haben.

Eigentümer sollten auf eine Gebäudeversicherung setzen. Vermietern zahlt sie unter entsprechenden Umständen die Sanierung sowie Mietausfälle. Vermieter können Mieter über die Betriebskosten an den Kosten für die Gebäudeversicherung beteiligen. Liegt ein nicht vom Eigentümer verursachter Schaden vor, dann müsse der Vermieter dem betroffenen Mieter keine Ersatzwohnung bereitstellen.

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