Witten. Manchmal schaffen es Menschen nicht, den Alltag allein zu stemmen. Dann hilft zum Beispiel der Verein ProPat. Eine Betroffene erzählt.
Auf dem Tisch liegen Papier, Scheren und Stifte zum Basteln. Normalerweise würden sich bei diesem Treffen mehrere Menschen kreativ betätigen, würden plaudern und gemeinsam Kaffee trinken. Doch wegen Corona geht das nicht. Deshalb ist Susanne Zühlke vom Verein "ProPat", der psychisch kranke Menschen und ihre Angehörigen in Witten und Umgebung unterstützt, an diesem Tag mit einer Besucherin allein.
Die 69-Jährige, nennen wir sie Helga, ist trotzdem begeistert bei der Sache. "Das ist für mich ein guter Zufluchtsort", sagt sie über die Räume des Vereins an der Ruhrstraße. Regelmäßig sei sie hier zu Gast. "Ich freue mich doch, wenn ich mal rauskomme." Denn Helga ist alleinstehend. Die Wittenerin hat nie geheiratet, hat keine Kinder, keine Geschwister. Irgendwann haben sie einige Schicksalsschläge aus der Bahn geworfen.
Frau aus Witten: Irgendwann die Kraft verloren, alles alleine zu meistern
Die gelernte Einzelhandelskauffrau, die einen Job als Verwaltungsangestellte hatte, wollte sich vor etwa 15 Jahren beruflich verändern. Im Erzgebirge hatte sie eine Stelle in Aussicht. "Ich kannte die Gegend. Hatte dort Urlaub gemacht. Es gefiel mir." Doch mit der Stelle klappte es nicht. Helga kehrte zurück nach Witten. "Da war ich über 50 und habe keine Arbeit mehr gefunden." Hartz IV also.
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Dann sind ihre Eltern gestorben. Helga war allein. "Irgendwann", sagt sie, "verliert man die Kraft, alles zu meistern". Über zehn Jahre ist es jetzt her, dass sie den Schritt ins ambulant betreute Wohnen wagte. "Das war schwierig, denn ich kann nicht gut auf Menschen zugehen." Doch inzwischen habe sich für sie alles zum Positiven gewendet.
Mitarbeiter des Vereins helfen beim Einkauf oder beim Putzen
Die 69-Jährige konnte früher in Rente gehen. Im Alltag bekommt sie Hilfe vom Verein ProPat. Die Mitarbeiter gehen bei Bedarf einkaufen, machen die Wäsche oder putzen die Wohnung. Sie begleiten bei Arztbesuchen oder erledigen Fahrdienste. All das sei auch im Lockdown möglich, sagt Barbara Dieckheuer.
Sie gehört zum Vorstand von ProPat und ist gleichzeitig Geschäftsführerin des Vereins Viadukt, der sich um die psycho-soziale Versorgung in Witten kümmert. 2011 hat sich ProPat aus praktischen Gründen dem Viadukt angeschlossen. Das Pflegestärkungsgesetz und eine Anschubfinanzierung der Aktion Mensch ermöglichten im Jahre 2019 den Aufbau eben jenes niedrigschwelligen Dienstes, der Alleinstehende, aber auch Familien im Alltag und in der Freizeit unterstützt.
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"Der Bedarf ist riesengroß", sagt Dieckheuer. Um die 100 Klienten nutzen das Angebot mittlerweile: Menschen mit psychischen Erkrankungen oder sozialen Schwierigkeiten - und nicht nur Senioren. Gerade während der Pandemie sei die Hilfe besonders gefragt. "Viele, die psychisch krank sind, leiden jetzt unter besonderen Ängsten. Da ist es wertvoll, wenn jemand für sie einkauft oder einfach mal zuhört", so Barbara Dieckheuer.
"Ich bin froh, dass es den Verein gibt", bestätigt Helga. "Ohne Unterstützung geht es nicht. Sonst geht der Mensch zugrunde." Es gibt sie dennoch, die Tage, an denen Helga alles zu viel wird. Aber sie werden seltener. Früher, erinnert sie sich, sei sie Weihnachten immer sehr melancholisch gewesen. Diesmal hat die Hobby-Künstlerin sich an den Feiertagen hingesetzt und gemalt. "Und das möchte ich noch 20 Jahre so machen."
>>> DER VEREIN
Der selbstständige Angehörigenverein ProPat hat sich 2001 gegründet. Zehn Jahre später beendete der Vorstand aus Altersgründen die Arbeit. Im Oktober 2011 hat der Verein sich deshalb dem Viadukt e.V. in Witten angeschlossen, um die unterstützenden Angebote für Angehörige und Freunde psychisch erkrankter Menschen zu bündeln.
Das Büro des familienunterstützenden Dienstes befindet sich in der Ruhrstraße 64. Weitere Informationen erhalten Interessierte unter Tel. 02302-58093-15.
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