Witten. Diese fünf jungen Frauen engagieren sich ehrenamtlich bei der Wittener Wehr. Warum? Ein Gespräch über Männer, Uniformen und erste Einsätze.
Sie sind nahezu rund um die Uhr einsatzbereit. Wenn die Warn-App auf dem Handy piept, sollten sie in wenigen Minuten auf der Wache sein. Rein in die Montur, ab aufs Fahrzeug und los geht‘s: Im schlimmsten Fall Brände löschen und Menschenleben retten. Manchmal hat aber auch nur ein Rauchmelder Fehlalarm ausgelöst. Fünf junge Frauen aus Witten erzählen, warum sie bei der Feuerwehr sind. Wohlgemerkt: Sie tun dies nicht für Geld, sondern erledigen ihren Job ehrenamtlich. Es ist ihr Hobby. Und ja, Frauen sind dabei noch deutlich in der Minderheit.
Antonia Sieß (28), Johanna Böhmke (29), Cassandra Hennig (18), Laura Bromme (18) und Lea Kaffsack (17) sitzen im Besprechungsraum der neuen Wache im Gewerbegebiet Drei Könige. Sie alle haben einen mehrwöchigen, so genannten Truppmannlehrgang mit theoretischer und praktischer Prüfung hinter sich und dürfen sich nun Feuerwehrfrauen nennen - der erste ehrenamtliche Dienstgrad auf dem Weg bis zur Stadtbrandinspektorin. Vorher sind sie erstmal Mitglied der Wehr geworden, mussten eine Probezeit überstehen, in der sie und die künftigen Kolleginnen und Kollegen sich gegenseitig beschnuppert haben. Schnell war klar: Das passt.
Auch Papa und Opa sind bei der Wittener Feuerwehr
Natürlich ist Lea Kaffsack, die Jüngste der Truppe, offiziell noch keine Feuerwehrfrau. Denn sie wird erst in ein paar Tagen 18 Jahre alt. Doch Urkunde und Dienstgradabzeichen hat sie schon bekommen. Alles nur noch Formsache. Die junge Frau will ihr Fachabi am Berufskolleg Witten machen und ist schon seit acht Jahren bei der Jugendfeuerwehr - oft die erste Station auf dem Weg ins Ehrenamt. Echte Einsätze gibt es da noch nicht - alles nur gespielt.
„Ich bin quasi in den Job reingeboren“, sagt Lea. Ihr Papa hat immer von der Feuerwehr erzählt. „Und ich fand das cool.“ Gemeinsam mit Cassandra, die demnächst ihr Abi an der Holzkampschule machen will, hat sie das Thema Feuerwehr zu „ihrem Ding“ gemacht. Auch bei Cassandra, die drei Jahre lang bei der Jugendfeuerwehr war, ist das so ein Familienerbe. „Mein Vater und mein Opa sind beim Löschzug Altstadt“, sagt sie. „Bei uns im Hausflur hängen alte Handschuhe von meinem Vater. Das fand ich immer faszinierend.“
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Auch Laura Brommes Vater ist bei der Wehr. Auch bei ihr zuhause hängen ein alter Helm und Schläuche. „Damit habe ich immer geübt.“ Seit über acht Jahren hängt ihr Herz an der Feuerwehr. Hauptberuflich macht Laura eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, kommt ins dritte Lehrjahr.
Die Freundinnen Antonia Sieß und Johanna Böhmke stammen aus Hamburg und Eckernförde, studieren an der Uni Witten/Herdecke Medizin, sind außerdem Notfallsanitäterinnen. „Die Rettungswache in Hamburg liegt direkt neben der freiwilligen Feuerwehr. Ich fand das schon immer ein gutes Ehrenamt, aber hielt es für utopisch, das nebenbei zu machen“, sagt Antonia. Bis sie mal zu einem Dienstabend mitging - und angefixt war.
Antonia und Johanna haben festgestellt: „Man kann hier wunderbar dem akademischen Uni-Alltag entfliehen, mal was körperlich Anstrengendes machen.“ Seit Ende Juni sind sie Feuerwehrfrauen. „Das ist aufregend und gewöhnungsbedürftig“, sagt Antonia. „Letzte Woche stand ich unter der Dusche, als der Handy-Alarm losging“, erzählt Johanna.
Das sei überhaupt eine Herausforderung: sich so zu organisieren, dass man in wenigen Minuten an der Wache sein kann. „In der ersten Woche habe ich überlegt, ob ich mein Handy mitnehme, wenn ich den Müll runterbringe“, erinnert sich Johanna. Inzwischen werde sie ruhiger, je länger nichts passiert. Feuerwehrsprecher Ulli Gehrke, der mit in der Runde sitzt, muss lachen: „Bei mir ist es genau umgekehrt.“
Antonia hatte bislang zwei Einsätze. Der erste kam zehn Minuten nach der Urkundenübergabe - ein Heckenbrand. Ein paar Tage später: Brandmeldealarm. „Es ist beeindruckend, wie schnell die Menschen hier sind“, sagt sie. Wenn sie im Urlaub sind oder auf einer Feier, dann müssen sich die Ehrenamtlichen übrigens nicht extra abmelden, so Gehrke.
Cassandra Hennig empfindet Vorfreude und ein bisschen Angst vor dem ersten Einsatz. „Man weiß ja nie, was kommt.“ Auch Laura Bromme, die drei Einsätze hinter sich hat, war aufgeregt. Doch im Ernstfall, das wissen die jungen Frauen, steht ein Team hinter ihnen. Auch psychosoziale Unterstützung ist möglich - falls das mit dem „Ich steck das schon alles weg“ mal nicht so klappt.
Probleme in der Männerdomäne haben sie nicht. Bei der Wehr selbst schon gar nicht. „Die Akzeptanz bei den Kollegen ist da“, sagt Cassandra. Antonia nickt: „Hier ist jeder gleich. Aber es kommt natürlich darauf an, wie man sich so gibt.“ Johanna ergänzt: „Man muss anpacken wollen.“ Und Gehrke bestätigt: „Spätestens an der Einsatzstelle ist es mit eventueller Rücksichtnahme vorbei.“
Die beiden Studentinnen erfahren an der Uni in der Regel viel Zuspruch, werden nur selten belächelt. „Oh, du machst das als Frau?“ Solche Sprüche hören sie manchmal. „In den Köpfen ist doch eher das Bild des Feuerwehrmannes verankert“, sagt Johanna. Sie klärt ihr Gegenüber dann gerne auf. Und freut sich, wenn ihr andererseits Respekt gezollt wird, weil sie für den Job zum Beispiel auch nachts aufstehen muss. „Ich könnte das nicht“, bekomme sie oft zu hören.
„Das macht schon was mit einem“
Die Uniform ist noch so ein Ding, dass dieses Ehrenamt von vielen anderen unterscheidet. „Sie zu tragen, das macht schon was mit einem“, findet Johanna. „Einerseits ist es Schutzausrüstung. Aber man möchte darin ein gutes Bild abgeben.“ Sie meint damit vor allem ihr Benehmen in der Öffentlichkeit, durchaus aber auch die optische Wirkung. Antonia: „Frauengerechtere Mode wäre schon schön“. Gerade tragen sie Hosen, die eigentlich für Herren gedacht sind und nicht optimal sitzen. Uli Gehrke verspricht: „Das wird sich bald ändern.“
Auch die anderen drei stehen mit Stolz zu ihrem Amt. „Man lernt an sich selbst neue Fähigkeiten kennen“, sagt Lea. Ihr und Cassandra ist längst klargeworden, wie viel der Job für ihr Leben bedeutet. Die Freundinnen sind sich einig: „Wir wollen zur Berufsfeuerwehr.“
42 von über 300 Ehrenamtlichen sind Frauen
Unter den insgesamt 334 ehrenamtlich tätigen Einsatzkräften der Freiwilligen Feuerwehr Witten sind 42 Frauen. Die Jugendfeuerwehr hat 166 Mitglieder, darunter 34 Mädchen. Bei der Berufsfeuerwehr Witten arbeiten sieben Frauen, davon drei in Führungspositionen, und 103 Männer.
Gegen Ende der 80er Jahre kamen die ersten Frauen zur Feuerwehr, schätzt Sprecher Uli Gehrke. Ende der 90er Jahre stieg die Quote dann deutlich an. Seit 2021 bildet die Wehr Witten an der hauseigenen Feuerwehrschule junge Menschen zu Brandmeisterinnen und Brandmeistern aus.
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