Witten. Serap Bachmann arbeitet seit 25 Jahren beim Kinderschutzbund Witten. Beruf und Biografie sind bei ihr eng verbunden. Ihre Geschichte beeindruckt.

Sie arbeitet seit 25 Jahren als Familienberaterin beim Kinderschutzbund in Witten. „Ich tue hier das, was ich schon immer machen wollte“, sagt Serap Bachmann. Die 58-jährige Diplom-Sozialpädagogin hilft Eltern und jungen Menschen bei der Bewältigung von Krisen. „Ich kann da aus meiner eigenen Lebenserfahrung schöpfen, und es ist mir unheimlich wichtig, das weiterzugeben.“

Das Jubiläum hat Serap Bachmann dazu genutzt, um einmal Rückschau zu halten auf die vergangene Zeit in ihrem Job. Dabei sei sie auch immer wieder ihrer Biografie begegnet, die sie maßgeblich geprägt und bei der Berufswahl beeinflusst hat. Ihre Geschichte ist die einer jungen Türkin, die mutig ihren Weg gemacht hat und andere dazu ermuntern will, es ihr gleich zu tun.

Wittener Familienberaterin kam als Siebenjährige nach Deutschland

Serap Bachmann kam als Siebenjährige mit ihren Eltern nach Deutschland. „Wir waren eine typische Gastarbeiterfamilie.“ 1986 hat sie ihr Elternhaus jedoch unter schwierigen Umständen verlassen. „Ich bin von zu Hause abgehauen“, sagt sie, äußerlich gelassen. „Wegen häuslicher Gewalt.“ Danach habe ihr Vater sie umbringen lassen wollen. Doch der Ehrenmord, die Strafe für eine vermeintliche Verletzung der familieninternen Verhaltensregeln, misslang. Die junge Türkin lebte jahrelang unter Geheimadressen und in Frauengemeinschaften.

Der Kinderschutzbund Witten hat seinen Platz in diesem Gebäude an der Konrad-Adenauer-Straße 17c.
Der Kinderschutzbund Witten hat seinen Platz in diesem Gebäude an der Konrad-Adenauer-Straße 17c. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ihre Resilienz, also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen, verdanke sie den Menschen, die sie auf der Flucht auffingen. Serap Bachmann machte ihr Abi und studierte Sozialpädagogik. Schon als Jugendliche habe sie für türkische Landsleute übersetzt, sie zu Ärzten und Behörden begleitet. „Das war für mich selbstverständlich.“ Gleiches galt auch für den Weg in den sozialen Beruf, den sie dann einschlug.

„Beratung nicht mehr wegzudenken“

Bachmann engagierte sich während des Studiums beim Bochumer Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe (IFAK) und machte ihr Anerkennungsjahr bei der Bochumer Erziehungsberatungsstelle. An der Ruhr-Uni bildete sie sich zur Systemischen Familienberaterin weiter. Vor anderthalb Jahren schloss sie außerdem die Zusatzausbildung zur Fachberaterin für Psychotraumatologie ab.

Kostenlose Beratung

Der Ortsverband Witten des Deutschen Kinderschutzbundes an der Konrad-Adenauer-Straße 17c bietet seit 1981 Familien Hilfe in Krisensituationen. Es gibt aber auch eine Hausaufgabenbetreuung, Spielgruppen und einen Kleiderladen. Der Verein finanziert sich zum großen Teil aus Spenden und arbeitet überwiegend ehrenamtlich. Info: kinderschutzbund-witten.de.Sozialpädagogin Serap Bachmann arbeitet dort als Honorarkraft und berät Familien kostenlos. Sie ist außerdem Fachkraft für Psychotraumatologie. Erreichbar ist die Beraterin unter 02302-22525 oder 0157-35632980.

Über eine Freundin, die Psychologie studiert hatte, kam der Kontakt nach Witten zustande. „So bin ich Ende der 1990er Jahre beim Kinderschutzbund eingestiegen.“ Damals lag ihr Büro noch an der Wideystraße, seit 2001 arbeitet sie an der Konrad-Adenauer-Straße.

Serap Bachmann erinnert sich an die kleinen Anfänge. „Jetzt ist die Beratung nicht mehr wegzudenken.“ Netzwerke seien ihr dabei eine große Hilfe. Sie arbeite eng mit der Stadt und Pro Familia, mit Kitas und Schulen zusammen – „miteinander für die gleiche Sache“. Die meisten, denen sie hilft, würden sich von ihr verstanden fühlen. Dazu gehöre, dass sie auch mal mit Menschen weint, „wenn die mir ihre blauen Flecke zeigen“.

„Diversität spielt auch in türkischen Familien eine Rolle“

Dass inzwischen auch muslimische Frauen Kontakt zum Kinderschutzbund aufnehmen würden, freut Serap Bachmann besonders. „Es sind die, die sich trauen, Nein zu sagen und nach ihren Rechten zu fragen.“ Sie habe schon viele Frauen zur Polizei oder ins Frauenhaus begleitet. „Da wird man ja auch immer mit sich selbst konfrontiert“, sagt sie und versucht – anders geht es gar nicht – trotzdem Distanz zu bewahren.

Aufgefallen sei ihr, dass Diversität auch in türkischen Familien zunehmend eine Rolle spiele. „Es gibt immer mehr junge Menschen, die sich als divers erleben, und deren Eltern das nicht verstehen.“ Sie habe schon erlebt, dass Eltern die Intersexualität ihres Kindes für eine Krankheit hielten und nach Medikamenten dagegen fragten. „Ich wünsche mir, dass in türkischen Communitys offener damit umgegangen wird.“

Von den Rotariern ausgezeichnet

Auch schöne Erinnerungen begleiten ihre Jahre in Witten. „Wenn junge Leute, die ich mal beraten habe, an die Tür klopfen und mir ihre Kinder vorstellen.“ Oder die Arbeit bei Kiwi, den frühen Hilfen in Witten. Seit zwölf Jahren leitet sie dort freiberuflich Elternkurse. Dies sei ein guter Ausgleich für die Familienberatung, bei der viel Leidensdruck bestehe. „In den Kursen betreue ich überwiegend glückliche Eltern.“

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Gern denkt sie an die Auszeichnung durch die Rotarier vor etwa acht Jahren zurück, die mit einer Geldsumme verknüpft war. Davon habe sie pädagogische Theaterstücke wie „Mein Körper gehört mir“ eingekauft, die dann für Kitas und Schulen aufgeführt wurden.

Serap Bachmann hat ein Idol. „Ich war schon immer Pippi-Langstrumpf-Fan, wollte auch so stark sein wie dieses Mädchen, das sich die Welt so macht wie sie ihr gefällt.“ Sie selbst erobert sich die Welt inzwischen gern mit ihrer Familie – Bachmann ist verheiratet und hat einen 24-jährigen Sohn. Auf langen Reisen hole sie sich das Gefühl von Freiheit zurück, das sie als Kind und junge Frau so lange missen musste.