Witten. . Wenn Kinder Stress in der Schule machen oder der Familienalltag zur Nervenprobe wird, dann hilft die Stelle der Pro Familia in Annen.

Das Kind ist auffällig in der Schule. Es verhält sich aggressiv und laut – über Wochen schon. Strafen wirken nicht. Die Lehrer beschweren sich. Die Mitarbeiter in der Betreuung beschweren sich. Die Eltern sind verzweifelt und genervt, erhöhen den Druck aufs Kind. Der Stress zu Hause wächst. Doch nichts ändert sich. Helfen könnte hier ein Gang zur Erziehungsberatung an der Annenstraße. Viele nutzen das Angebot tatsächlich – „nur leider oft viel zu spät“, sagt Leiter Markus Guhl.

Tagtäglich erlebt der 46-Jährige, der selbst vier Kinder hat und nicht nur auf beruflicher Ebene durchaus weiß, wovon er spricht, dass Eltern total überfordert mit der Erziehung sind. „Doch sich das einzugestehen, das hat auch mit Scham zu tun.“ Deshalb erfolgt der Schritt, sich professionelle Hilfe zu holen, meist kurz vor Toresschluss. „Wenn das System Familie kurz vor dem Zusammenbruch steht“, so Guhl.

Die höchsten Beratungszahlen seit vier Jahren

Trotzdem verzeichnete die Erziehungsberatung, die Pro Familia vor sechs Jahren für die Stadt übernommen hat, im vergangenen Jahr die höchsten Beratungszahlen seit vier Jahren: Bei 459 Beratungsfällen fanden 1936 Sitzungen statt. Anlass für eine Beratung waren vor allem familiäre Konflikte. Hier erhöhte sich die Zahl im Jahr 2017 von ca. 20 (2016) auf 32 Prozent. Die Zahl der Entwicklungsauffälligkeiten und seelischen Probleme stieg von etwa 15 auf 21 Prozent, die Fälle unzureichender Förderung in der Familie erhöhten sich von 3,3 auf 4,5 Prozent.

Wenn Familien, die auch oft von Kitas, Schulen oder dem Jugendamt geschickt werden, sich an die Erziehungsberatung wenden, sprechen Guhl oder andere aus dem Team erstmal nur mit den Eltern. Denen es eigentlich am liebsten wäre, ihr Kind vorzuschieben und zu sagen: „Jetzt macht mal.“ Doch so einfach läuft das nicht. Guhl: „Wir gehen die Situationen, in denen das Kind schwierig ist, mit den Eltern durch. Wir gucken, wann etwas passiert und woran es liegen könnte.“

Gespräch mit Eltern und Nachwuchs

Die Trennung der Eltern könne eine Krise beim Kind auslösen. „Es hat vielleicht Angst, weiß nicht genau, was mit ihm passieren wird.“ Weshalb es zunehmend wütend reagiere. „Wenn Kinder auffällig werden, hat das immer einen Grund“, sagt Markus Guhl. Auch mit dem Kind könne man über die belastende Situation reden, mit den Kleinen funktioniere das am besten auf kreative Weise. „Wir haben hier auch einen Bastelraum.“

Nur vier oder fünf Gespräche brauchte Guhl etwa bei einem Kind, das plötzlich mit zehn Jahren wieder im Bett seiner Eltern schlafen wollte. „Das ist ein Alter, in dem verstärkt Ängste auftreten können“, sagt der Erziehungsberater. Das Kind habe etwas gebraucht, das ihm Sicherheit gibt. Guhl bastelte mit ihm eine Art Beschützerfigur – und fand damit den persönlichen Notausgang des Kindes aus der kritischen Situation.

Weil die Erziehungsberatung aber nicht nur tätig werden will, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, bietet sie auch Veranstaltungen an, die vorbeugen und Eltern zum Austausch anregen sollen. Zwei davon – zu Stress im Alltag und Pubertät – gibt’s im Juni. Guhl sagt: „Wer weiß, wie er sich verhalten könnte, geht gelassener mit Problemen um.

>> INFORMATION

  • „Hilfe, mein Kind pubertiert“: Darum geht es im Elternseminar der Erziehungsberatung am Dienstag, 4. Juni, ab 17 Uhr. Es umfasst vier Treffen. Kosten: 10 € pro Paar. Anmeldung bitte bis zum 26. Mai.
  • „Stress lass nach. Besser durch den Familienalltag kommen“ heißt die kostenfreie Veranstaltung für Eltern am 9. Juni von 10 bis 14 Uhr. Anmeldung bis 28. Mai. Beide Angebote finden in der Erziehungsberatungsstelle von Pro Familia an der Annenstraße 120 statt. Kontakt, Info und Anmeldung unter: 392 88 12. Auch Beratungsgespräche können unter dieser Nummer vereinbart werden.