Oberhausen. Es wird schmutzig, es wird laut, es wird nervig – doch es muss sein: Der Oberhausener Energieversorger EVO kündigt eine Flut von Baustellen an.
Es bleibt angesichts der Mammutaufgabe nicht mehr so viel Zeit, wie es sich zunächst anhört: In nur 20 Jahren, nämlich im Jahre 2045, will Deutschland klimaneutral sein. Der CO2-Ausstoß im Bundesgebiet soll in allen Sektoren, ob Verkehr, Wohnen oder Industrie, nicht mehr dazu beitragen, dass unser Planet weiter erhitzt wird.
Ob das gelingt, entscheidet sich maßgeblich vor Ort in den Großstädten: Denn die Stadtwerke sind wegen ihrer Verkäufe von Strom, Erdgas und Fernwärme der Schlüssel für eine kohlendioxid-arme Energieerzeugung. In Oberhausen steht die EVO, die Energieversorgung Oberhausen (EVO), im Mittelpunkt. Sie muss die Stromnetze ertüchtigen, beispielsweise weil die Stromerzeugung durch viele private Solarkraftwerke dezentraler wird. Das Fernwärmenetz im Stadtgebiet muss deutlich ausgebaut werden. Die derzeit gut 200 Kilometer langen Rohrleitungen der besonders umweltfreundlichen Fernwärme reichen nicht aus, um die notwendige Anschlussdichte von Häusern zu erhöhen, die keine Chance auf Strom betriebene Wärmepumpen haben.
EVO-Vorstandschefs werben um Verständnis für die konkreten Folgen der Klimawende
Und so stimmen die beiden Vorstände der EVO, Technik-Chef Christian Basler und Wirtschafts-Chef Timm Dolezych, die Bevölkerung auf schwierige Zeiten ein – und werben um Verständnis. „Die Klimawende ist ein tolles, sehr ambitioniertes Ziel, aber sie ist eine Jahrhundertaufgabe für Deutschland, für alle Energieunternehmen – und damit auch für uns als EVO. Die EVO steht vor gigantischen Investitionen“, sagte Dolezych kürzlich auf der EVO-Bilanzpressekonferenz. Es sei damit zu rechnen, dass sich die heutige Investitionssumme der EVO bereits in den kommenden fünf Jahren mehr als verdoppeln oder sogar verdreifachen werde. Denn die EVO hält es für unabdingbar, gleich in fünf große Sektoren Geld hineinzustecken: in die Nah- und Fernwärmenetze, in die Stromnetze, in die Digitalisierung, in die Erzeugung von Strom und Wärme sowie in die Elektromobilität.
Die EVO-Führungsspitze will der Bevölkerung nichts vormachen: „Die Investitionen werden für alle spürbar werden. Jede Baustelle für den Netzausbau tut insbesondere in Oberhausen weh, weil unsere Stadt ein Verkehrsknotenpunkt hier im Ruhrgebiet ist. Wir benötigen eine Menge Baustellen“, sagt Dolezych und verspricht: „Wir werden hier frühzeitig in den Austausch mit der Bevölkerung gehen. Die EVO steht an der Seite der Bürger und wir werden alles tun, damit das Jahrhundertprojekt zu einem Erfolg wird.“ Christian Basler hofft auf Unterstützung, nicht nur der Stadtbewohner: „Der eingeschlagene Weg ist richtig, aber er wird hart. Es braucht den Schulterschluss von Staat, Stadt, Energieversorgern sowie Bürgerinnen und Bürgern.“
Denn neben der Vielzahl nötiger Baustellen im Stadtgebiet gilt es zahlreiche weitere Hürden zu überwinden: So gibt es zu wenige Fachkräfte, beispielsweise einen Mangel an Tiefbauern – und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, weil alle Energieversorger ähnliche Baustellen vor der Brust haben. Zudem ist eine immense Kreditfinanzierung von Banken notwendig – angesichts der bisher noch relativ niedrigen Eigenkapitalquote der EVO von unter 20 Prozent wird eine auskömmliche Darlehensversorgung zu günstigen Zinsen nicht einfach.
Und auch kein Leichtes wird es für die EVO sein, genügend Wärmeerzeuger für die ausgebaute Nah- und Fernwärme zu finden: Bisher sorgen die Müllöfen der Oberhausener GMVA und die Ruhrchemie-Produzenten für ausreichender Hitze – aber was ist, wenn sich die Deindustrialisierung des Ruhrgebiets weiter fortsetzt? Zudem benötigt man bei größeren Wärmenetzen mit mehr Kunden mehr Hitze. Die EVO will deshalb mit Geothermie, also sehr tiefen Erdbohrungen, und großen Mega-Wärmepumpen neue Energie gewinnen – all das aber sind ebenso teure Projekte.
Preise der Fernwärme sind noch an Börsen-Gaspreise gekoppelt
Dabei steht die EVO in der Wärmeerzeugung, bei der also das Wasser für die Fernwärmeleitungen kochend heiß erhitzt wird, aus Klimasicht bereits heute sehr gut da – auch im Vergleich zu anderen Stadtwerken: 53 Prozent der Wärmebeschaffung erfolgte im vergangenen Jahr aus grüner Erzeugung und industrieller Abwärme. Der Primärenergiefaktor der Oberhausener Fernwärme, quasi der Verbrauch fossiler Stoffe, von 0,23 ist erstaunlich gering.
Der Preis der Fernwärme ist bisher allerdings gesetzlich sehr eng an die gehandelten Börsenpreise für Gas gekoppelt, also an einer fossilen Energie, von dem sich die Wärmeerzeugung aus Klimaschutzgründen doch lösen soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) strebt hier aber eine alternative Lösung an – bei einem Fernwärmegipfel in Berlin soll darüber diskutiert werden. Und vielleicht steht dann auch zur Debatte, wie man mehr Wettbewerb in den Fernwärmemarkt bekommt – und die Monopolsituation der Anbieter knackt.
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