Duisburg. 5000 Beschäftigte von Thyssenkrupp Steel kamen zur Betriebsversammlung. Der komplette Vorstand war da. Was vom Aufeinandertreffen bekannt wurde.

Bei einer Betriebsversammlung im Landschaftspark Nord hat sich der komplette Vorstand von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) am Donnerstag der Belegschaft gestellt. Nach dem Treffen, bei dem auch die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sprach, zeigten sich Betriebsrat und IG Metall enttäuscht. „Es ist keine einzige konkrete Frage beantwortet worden“, sagte Ali Güzel, Vorsitzender des Betriebsrats am Standort Hamborn/Beeckerwerth.

Als „sehr lebhaft“ beschreibt Karsten Kaus, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Duisburg, die Versammlung. Dass statt der üblichen knapp 3000 fast 5000 Beschäftigte kamen, zeige die Verunsicherung in der Belegschaft nach der Veröffentlichung des Eckpunkte-Papiers des Vorstandes (wir berichteten).

Thyssenkrupp Steel: Duisburger Stahlkocher beim Protestmarsch in Kreuztal

Es sieht den Abbau von 5000 Arbeitsplätzen, die Auslagerung von 6000 weiteren Jobs und die Stilllegung von zwei der vier Hochöfen in Duisburg vor. Eine große Delegation aus Duisburg unterstützte am Mittwoch einen Protestmarsch in Kreuztal/Eichen, wo TKSE ein Werk mit rund 600 Beschäftigten schließen will.

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„Ein Horrorszenario, das jeglicher industrieller und betriebswirtschaftlicher Logik entbehrt“, nennt der Konzern-Betriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol diese Pläne. Seine wie auch die Kritik von Ali Güzel richtet sich weniger gegen den aktuellen Vorstand: „Das Papier hat er in Essen in die Hand bekommen, um es zu verkünden. Es trägt die Handschrift von Konzernchef López, der es ihnen diktiert hat.“

Ali Güzel: Vorstand plant eine Halbierung der Hütte

Wann dem Eckpunkte-Papier ein betriebswirtschaftliches Konzept folgen soll, habe Stahl-Vorstand Dennis Grimm nicht beantwortet, berichten die Arbeitnehmervertreter. Die Folgen einer Umsetzung des Eckpunkte-Papiers beschreibt Ali Güzel als dramatisch für den Standort Duisburg: „Dann machen wir 2030 nur noch fünf Millionen Jahrestonnen.“

Der Betriebsratsvorsitzende sieht bestätigt, wovor er bereits seit Monaten warnt: Der Konzernvorstand plane tatsächlich eine „Halbierung der Hütte“. Der im Eckpunktepapier genannte Zielwert einer Produktion 8,7 bis 9 Millionen Jahrestonnen sei technisch nicht erreichbar, wenn die Hochöfen 8 und 9 stillgelegt werden.

„Stahl möglichst billig aus der AG herausschneiden“

Ziel des Vorstandsvorsitzenden sei es, „den Stahl möglichst billig aus der AG herauszuschneiden“, vermutet auch DGB-Chefin Fahimi. López wolle die Kosten für die Verselbständigung der Stahlsparte in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský möglichst gering halten.

Der Beitrag des Thyssenkrupp-Konzerns müsste sich nach Berechnungen der IG Metall auf einen Betrag zwischen 3,5 und vier Milliarden Euro belaufen, der Konzern will nicht mehr als zwei Milliarden Euro zahlen. Die Summe, die in einem sogenannten S6-Gutachten von neutralen Fachleuten ermittelt werden muss, würde sich bei einem verkleinerten Anlagenpark reduzieren.

Ihre Kritik an Thyssenkrupp-Konzernvorstand Miguel Ángel López erneuerten (von links) Ali Güzel (Betriebsratsvorsitzender Hamborn/Beeckerwerth), Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende und Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats im Anschluss an die Betriebsversammlung.
Ihre Kritik an Thyssenkrupp-Konzernvorstand Miguel Ángel López erneuerten (von links) Ali Güzel (Betriebsratsvorsitzender Hamborn/Beeckerwerth), Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende und Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats im Anschluss an die Betriebsversammlung. © Funke Foto Service | Martin Ahlers

Nasikkol: Stahl ist systemrelevant für Industrie und Sicherheit

Investor Daniel Křetínský, der seinen Anteil an TKSE von 20 auf 50 Prozent aufstocken soll, lasse einen Fragenkatalog des Betriebsrats zu seinem industriellen Konzept und zu seinen Absichten seit drei Monaten unbeantwortet, berichtet Tekin Nasikkol, der auch hier Einflussnahme der Thyssenkrupp AG vermutet: „In Essen will man das nicht.“

Ausdrücklich warnen die Betriebsräte davor, die Roheisenproduktion zu reduzieren und auf „Wertschöpfungspartnerschaften“ zu setzen. „Das bedeutet, Brammen zu importieren“, erklärt Nasikkol: „Damit machen wir uns abhängig von Importen. Das ist unverantwortlich gegenüber dem Standort Deutschland. Stahl ist industriepolitisch und sicherheitspolitisch systemrelevant.“

>> DGB-VORSITZENDE: STEHEN VOR HARTEM KAMPF

  • „Wir erleben nicht nur einen harten Kampf, es geht um die Stahlindustrie in Deutschland an und für sich“, sagt DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Ziel müsse es sein, die komplette Wertschöpfungskette im Land zu halten.
  • Der Konzernvorstand setze sich nicht nur über die Mitbestimmung hinweg, sondern „stellt die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft insgesamt infrage“, so Fahimi weiter. „Schockiert“ habe sie „die Antwortlosigkeit der Stahl-Vorstände“.
  • Vorstandschef Miguel Ángel López organisiere einen „radikalen Durchmarsch der Management-Interessen“, kritisiert die DGB-Vorsitzende: „Was mit den Beschäftigten und ihren Familien passiert, ist dabei egal.“