Mülheim. Der Fall des frierenden Babys Lina Su aus Mülheim hat viele Menschen bewegt. Sie wollten helfen, doch nun gibt es eine Lösung für die Wohnung.

Ein Baby muss in einer Wohnung ohne funktionstüchtige Heizung leben, weil der Gaszähler wegen einer Manipulation ausgebaut wurde – dieser Fall einer Mülheimer Familie hat in den vergangenen Tagen viele Menschen bewegt. Nachdem die Redaktion darüber berichtet hat, haben uns viele Hilfsangebote erreicht.

So bot eine prominente Mülheimerin, die gerne anonym bleiben möchte, der jungen Familie von der Bruchstraße an, dass sie für vier Wochen in eine kleine Wohnung im Haus ziehen könnte. Andere Leser wollten mit Elektroheizungen aushelfen oder kurzfristig eine wärmere Bleibe vermitteln. Sogar aus Ottersberg in der Nähe von Bremen meldete sich eine Frau bei der Redaktion, die sich vorstellen konnte, das Baby sowie Mutter und Vater aufzunehmen. Wiederum andere gaben Kontaktadressen zur rechtlichen Beratung an. „Vielen Dank an alle, die unserer Tochter helfen wollten“, freute sich Arzu M.

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Nötig ist das nun nicht mehr, denn zwischenzeitlich hat die Medl den Gaszähler wieder eingebaut – die Heizung läuft. Das Landgericht Duisburg gab einer Beschwerde der Familie statt. Hendrik Dönnebrink, Geschäftsführer des Energieversorgers, betonte gegenüber der Redaktion, dass wegen der technischen Manipulation an dem Gerät „Gefahr in Verzug“ bestanden hätte. Mehr Details zu den aktuellen Entwicklungen in dem Mülheimer Fall können Sie hier nachlesen.

+++ So haben wir ursprünglich über den Mülheimer Fall berichtet +++

Die Geschichte ist kompliziert, viele Erwachsene sind daran beteiligt, aber die Leidtragende ist eigentlich Lina Su – ein gerade einmal zwei Wochen altes Baby, das in einer kalten Wohnung leben muss. Sie ist in mehrere Decken gewickelt, ihr stolzer und besorgter Vater steckt sie zusätzlich in einen gefütterten Overall. „Sie kam zu früh, schon in der 37. Woche, und ist ganz zart. Wenn sie ins Kalte kommt, werden die Händchen sofort blau“, hat Mama Arzu beobachtet.

Im Wohnzimmer der kleinen Familie in einem Hinterhaus an der Bruchstraße brummen zwei Heizlüfter, sie machen den Raum lauwarm, in den restlichen Zimmern ist es eiskalt. Der Grund: Die Heizung ist außer Betrieb, es gibt kein Gas in der Wohnung – eigentlich schon seit Monaten. Dafür gibt es Gründe, doch dazu später. „Uns hat es vor der Geburt der Kleinen nicht so gestört, dass die Heizung nicht ging. Da war es ja auch noch nicht so kalt draußen und außerdem können wir uns dick anziehen. Jetzt geht es aber um das Baby. Wenn noch Minusgrade kommen, was dann?“, fragt Arzu M. (Name der Redaktion bekannt), die sich selbst noch von einem Kaiserschnitt erholt. Ihr Mann Bülent weiß: „Mehr Heizlüfter können wir hier nicht aufstellen, dann fliegt sofort die Sicherung raus.“

Mülheimer Familie hat schon viele Stellen kontaktiert - ohne Erfolg

Der schlechte Gebäudezustand ist nicht zu übersehen – hier im Hinterhaus, aber auch im dazugehörigen Mehrfamilienhaus vorne an der Straße. Im Garten türmt sich Bauschutt und Müll, offensichtlich wird im Vorderhaus saniert. Und hier liegt auch das Problem. Im Keller, wo die Gaszähler angebracht sind. Der Zähler wurde einige Tage vor Weihnachten abmontiert, die Gaszufuhr unterbrochen.

Seit Arzu und das Baby zu Hause sind, hat das Ehepaar schon viel dafür unternommen, dass sich daran etwas ändert. Kontaktiert haben sie den Verwalter, den Vermieter, den Energieversorger, die Verbraucherzentrale, das Amtsgericht, die Stadt Mülheim. Bisher ohne Erfolg. Was daran liegt, dass einige in den Weihnachtsferien sind, andere hier gar keinen Notfall sehen. Eine Lösung ist aktuell nicht in Sicht, schon gar keine schnelle. „Wir wünschen uns nur eine wärmere Wohnung, für das Kind. Vielleicht können wir auch vorübergehend woanders unterkommen“, sagt die junge Mutter, die auch schon im Internet vergeblich nach einer Notbleibe gesucht hat. In der winzigen Wohnung der Oma könne man nur stundenweise unterkommen.

Die Heizung aufdrehen kann Familie M. in Mülheim derzeit nicht, sie kann gar nicht heizen.
Die Heizung aufdrehen kann Familie M. in Mülheim derzeit nicht, sie kann gar nicht heizen. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Mülheimer Eltern: „Wir haben nichts damit zu tun und keine Schuld“

Wie ist es nach Auskunft der Familie zu der misslichen Situation gekommen? „Der Gaszähler war von der Medl gesperrt worden, weil die Jahresabrechnung so hoch war, dass das Jobcenter, von dem wir Leistungen beziehen, nicht so schnell zahlen wollte. Nachdem die Zahlungen eingegangen waren, ist die Medl dann rausgekommen und hat festgestellt, dass das Schloss an unserem Zähler geknackt worden war. Wir glauben, dass es die Bauarbeiter waren, die im Haupthaus tätig sind und dort auch Gaskessel in den Wohnungen abgebaut haben. In diesem Zuge haben sie vermutlich versehentlich auch an unserem Gaszähler herumhantiert. Die Zähler sind nämlich nicht beschriftet, nur die Mieter selber wissen, welches ihr Zähler ist.“

Die Medl-Mitarbeiter hätten den Zähler dann abmontiert, mit dem Hinweis, es würde bei der Polizei Anzeige erstattet gegen Unbekannt. Unter anderem wegen Gasdiebstahls. „Wir haben damit nichts zu tun und haben keine Schuld“, so Arzu M. Erklärt habe man ihnen bei einem Besuch bei der Medl auch, das Ganze könne nun Wochen bis Monate dauern. Die Familie war schockiert. Sie stellte auf Anraten der Verbraucherzentrale einen Antrag auf einstweilige Verfügung beim Amtsgericht. „Der wurde abgelehnt, wir haben Widerspruch eingelegt. Doch auch den hat der Richter zurückgewiesen“, berichtet die Familienmutter frustriert.

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Vermieter kaufte Mülheimer Haus aus einem Insolvenzfall

Vermieter von Vorder- und Hinterhaus ist die Hestia Real Estate GmbH (Bochum). Dort ist Urlaubszeit. Ein Vertreter der Firma lässt vom Urlaubsort aus wissen, man habe das Objekt erst Mitte 2024 aus einem Insolvenzfall erworben, in schlechtem Zustand (augenscheinlich saniert man jetzt). Da Familie M. sich verzweifelt an ihn gewandt habe, habe er die Medl mit Nachdruck noch vor Weihnachten aufgefordert, den betreffenden Gaszähler sofort wieder anzuschließen und das Heizen zu ermöglichen. Der Mieter habe schließlich ein neugeborenes Kind. Er habe der Familie zudem Elektroheizgeräte zur Verfügung gestellt.

Die Medl nimmt auf Anfrage unserer Zeitung wie folgt Stellung: „Unsere oberste Priorität ist, die Sicherheit und den Schutz aller Bewohner zu gewährleisten. Unsere Mitarbeiter haben bei der Entsperrung des Gaszählers vor Ort, der bereits seit April gesperrt gewesen ist, festgestellt, dass dieser manipuliert wurde und somit eine sichere Inbetriebnahme nicht mehr gewährleistet werden konnte. Dies hat zur Folge, dass wir den Zähler sicherheitshalber ausbauen mussten.“

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Mülheimer Energieversorger: Fachbetrieb muss Anlage erst überprüfen

Zusätzlich sei in dem Gebäude ein weiterer Zähler mit einem nicht ordnungsgemäß gesicherten Kugelhahn entdeckt worden. „Dieser Zustand stellt ebenfalls eine erhebliche Sicherheitsgefahr dar, da im Falle einer Öffnung des Hahns eine unkontrollierte Gasausströmung und damit Explosionsgefahr bestanden hätte“, so der Energieversorger. Daher könne man keinesfalls sofort handeln. „Bevor wir die Gasversorgung wieder aufnehmen können, muss zunächst die Situation durch einen Fachbetrieb überprüft und eine ordnungsgemäße, sichere Installation hergestellt werden. Dies ist zum Schutz der anderen Hausbewohner sowie der Bewohner der benachbarten Gebäude unabdingbar“, heißt es.

Man habe den Vorfall darüber hinaus zur Anzeige gebracht, da bei einem manipulierten Zähler der Verdacht des Gasdiebstahls bestehe. Zugleich lasse man den Fall zusätzlich durch die Rechtsabteilung überprüfen. „Sobald die Ursachen für die Manipulation geklärt sind und eine sichere Gasversorgung gewährleistet werden kann, werden wir selbstverständlich umgehend die Wiederaufnahme der Versorgung veranlassen“, heißt es im Schreiben an unsere Zeitung.

Mülheimer Richter weist Antrag der Familie aus verschiedenen Gründen ab

Der Vermieter will daraufhin nun eine Überprüfung der Anlage veranlassen. Familie M. beklagt, von der Medl keine Informationen erhalten zu haben und nicht gerade nett behandelt worden zu sein. „Wenn es Sicherheitsbedenken gibt, verstehen wir das natürlich. Das hat uns aber keiner gesagt“, so Arzu M. Man habe auch nach dem Abbau des Zählers keinen Brief der Medl erhalten.

Ihr Antrag auf einstweilige Verfügung beim Amtsgericht (also die Forderung an die Medl, das Gas sofort wieder zu liefern) wurde aus verschiedenen Gründen abgelehnt, unter anderem wegen Formfehlern, fehlender juristischer Grundlage und unzureichender und nicht schlüssiger Auskünfte (Schreiben liegt der Redaktion vor). Das Ganze geht zu Kosten der Familie M. Der Richter verweist auf den Zustand des Gaszählers als Grund für die Sperrung. Es bemängelt aber auch, dass der Antrag der Familie erst sieben Tage nach Abbau des Zählers eingegangen sei und vor Weihnachten scheinbar keine Aktivitäten seitens der Familie erfolgten. Dass Arzu M. da gerade erst wieder zu Hause war und zunächst den Vermieter kontaktierte, der dann den Energieversorger anschrieb, scheint man bei Gericht nicht zu wissen. Der Antrag der Familie M., so das Gericht, lasse nicht erkennen, dass eine Wärmeversorgung durch Gas dringlich und unabdingbar sei, zumal es ja Heizlüfter gebe. Das Baby wird in dem amtlichen Schreiben gar nicht erwähnt.

Alles scheint darauf hinzuweisen, dass auch diverse Kommunikationsprobleme die Misere mitverursacht haben. Wie schnell sich etwas zum Guten wenden wird für die winzige Lina Su und ihre Eltern, ist ungewiss. Vielleicht finden sie irgendwo vorübergehend Unterschlupf – oder andere tatkräftige Hilfe? Denn, sicher ist: Winter bleibt es noch etwas länger.

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