Mülheim. Die Mülheimer Schauspielerin Sandra Borgmann kennen viele aus TV und Film. Persönliche Einblicke in eine Branche zwischen Höhenflug und Zweifel.
Mal spielt sie eine durchgeknallte Profilerin, mal eine gehörlose Guerillakämpferin in einer apokalyptischen Zukunft, mal eine unerschrockene Gastronomin aus Dortmund, die im Mallorca der 90er Jahre ihr Glück versucht. Seit fast dreißig Jahren ist Sandra Borgmann (50) als Schauspielerin für Film und Fernsehen aktiv.
Geboren und aufgewachsen ist sie in Mülheim an der Ruhr. Bereits während der Schulzeit hat sie ihre Leidenschaft entdeckt und in der Schul-Theater-AG mitgespielt. Nach dem Abitur am Gymnasium Broich 1993 absolvierte sie drei Jahre lang ein Schauspiel-Studium an der Folkwang Hochschule in Essen. Danach zog es sie für acht Jahre nach Köln und vor zwanzig Jahren weiter nach Hamburg, wo sie heute noch gerne lebt. „Ich hatte Hamburg durch meine Arbeit kennengelernt und diese windige Weite fand ich total schön“, erklärt Sandra Borgmann.
Schauspielerin war am Gymnasium Broich: „Das Ruhrgebiet mit seinen Menschen ist ein Stück Kindheit“
Doch auch mit Mülheim ist sie nach wie vor verbunden. „Ich bin ab und zu in Mülheim und besuche die Familie. Das Ruhrgebiet mit seiner Geschichte und seinen Menschen fühlt sich für mich sehr vertraut an. Das ist ein Stück Kindheit. Auch der Dialekt“, sagt sie und lacht. Vielleicht kein Wunder, dass sie als „Karin Tenholt“ zu sehen war in Sönke Wortmanns Hommage an das Ruhrgebiet: „Sommerfest“ - nach dem gleichnamigen Roman von Frank Goosen.
Was sie am liebsten macht, möchte sie gar nicht auf eines beschränken. „Alles hat so seins“, meint Sandra Borgmann. Ihr gefällt sowohl die Arbeit vor der Kamera in der Zusammenarbeit mit Filmteams von 40 bis 100 Leuten, als auch ein Hörbuch einzulesen. „Im Studio ist man fast alleine und die Atmosphäre ist ruhig.“
Manches hat sich mit der Zeit geändert. „Als junge Frau fand ich es am Set aufregend, vieles verstand ich natürlich noch nicht“, erinnert sie sich. „Mittlerweile genieße ich vor allem die enge Zusammenarbeit mit dem Team. Da sind Menschen von 18 bis 80 Jahre dabei, das allein macht mir große Freude. Und das zu erleben, was die können und lieben, was sie machen - das finde ich toll“, sagt sie.
Viele kennen die Mülheimerin als Elisabeth Doppler aus der Serie „Dark“
Sandra Borgmann gewann 2022 den Deutschen Schauspielpreis für ihre Arbeit in der RTL-Serie „Der König von Palma“. 2018 und 2019 spielte sie die Titelrolle in der Pro7-Reihe „Julia Durant ermittelt“ und für die Rolle der erwachsenen Elisabeth Doppler in der Netflix-Serie „Dark“ lernte sie ihren Text in Gebärdensprache. Auch aus diversen Fernsehproduktionen ist sie den Zuschauern bekannt. Erst im November wurde der Jubiläums-Tatort der Lena Odenthal-Reihe ausgestrahlt, in dem sie die Episodenhauptrolle spielte.
Sandra Borgmann teilt Rollen nicht in „interessante oder weniger interessante“ ein. Wichtig ist ihr viel mehr, wie Geschichten schon im Drehbuch erzählt werden. „Wenn ein Buch gut geschrieben ist, sind alle Charaktere, die darin vorkommen, interessant. In langweiligen Drehbüchern sind alle Figuren langweilig“, findet sie. Sie mag es, eine Rolle aus einem Drehbuch zum Leben zu erwecken.
Spannend: „Wenn ich eine Rolle entwickele, begebe ich mich auf Forschungsreise“
„Es gibt diesen Menschen ja nicht, es gibt nur jede Menge Text auf Papier“, so die Schauspielerin. „Wenn ich eine Rolle entwickele, begebe ich mich auf Forschungsreise. Zusammen mit dem Kostüm- und Maskenbild, mit Regie, Kamera und den anderen Spielern, in den vom Szenenbild geschaffenen Orten, entsteht allmählich ein Mensch. Wenn ich dann in den Spiegel schaue, sehe ich ein Gesicht, das meinem ähnlich ist, aber zu einer Figur gehört, die was ganz anderes lebt als ich. Das finde ich spannend.“
Doch das Geschäft habe sich verändert. „So sehr ich die Arbeit mit diesen meist wundervollen und immer hochkreativen Menschen am Set genieße, als so marode erlebe ich das System mittlerweile. Radikal ausbeuterisch gegenüber den Filmschaffenden. Wenig Wertschätzung, viel Druck. Mir ist das Fernsehen, das ich einst so geliebt habe, fremd geworden“, sagt die Schauspielerin.
Mülheimerin übers harte Filmbusiness: „Es wird erwartet, dass du alles andere nachrangig behandelst“
Deshalb befindet sich Sandra Borgmann momentan in einer Drehpause. „Ich kam nicht mehr zur Ruhe. Für die Arbeit war ich fast dreißig Jahre in Dauerbereitschaft“, erklärt sie. „In dem Geschäft wird von Dir erwartet, dass Du alles andere nachrangig behandelst. Ich musste auf die Fünfzig zugehen, um zu realisieren, dass das völlig an meinem Leben vorbei geht. Gleichzeitig erlebte ich mich als total unglücklich in einer Zeit großen Erfolgs. Da reichte es mir auch nicht, eine kleine Auszeit zu nehmen. Ich brauche eine richtige Pause, um wieder zu mir zu kommen“, sagt Sandra Borgmann.
„Ich habe bis vor ein paar Jahren immer nur nach vorne geguckt, dachte, Leben ist unendlich. Jetzt möchte ich mal innehalten und mich fragen: Wie geht’s mir überhaupt da, wo ich jetzt bin? Wenn ich achtzig werden sollte, auf welche Fünfzigjährige will ich da zurückschauen?“ Gleichzeitig stellt sie sich auch die Frage: „Was wünsche ich mir für jetzt? Wo zieht es mich hin?“ Für solche Überlegungen nutzt sie die freie Zeit. „Im Moment genieße ich, dass ich mal gar nichts weiß. Kein Plan, wo die Reise hingeht.“
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